Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.der drey Haupt-Laster. man nicht sicher gehen/ sondern sich sehr betrie-gen würde/ so man aus dem Glücke und Un- glücke eines Menschen von seinem Gemüthe urtheilen wolte/ wiewohl dergleichen unver- nünfftige Judicia täglich vorgehen/ und die Men- schen [durch ihr]e unterschiedene affecten angetrie- ben aus [den]en Zufällen anderer von ihrer Klug- heit oder Mangel des Verstandes/ von ihrer Boßheit oder Tugend urtheilen. Gehet es einem widrig in einer Sache/ die er doch nach denen Regeln der Klugheit vernünfftig angefangen hat- te/ finden sich bald seine Feinde/ die von ihm ur- theilen/ man habe den Mann immer vor klug ge- halten/ nun sehe man es/ wie seine Sachen so fein ablieffen: oder/ es müsse dieser Mensch ein böser Mensch/ oder von verborgener Boßheit seyn/ weil ihm dieses oder jenes wider seine intention ablieffe. Wiederumb wenn es einem Menschen wohl bey tollgewagten Dingen glücklich gehet/ finden sich leicht Panegyristen/ Poeten und andere Schmeichler/ die diesen Ausgang andern Men- schen als eine Probe seines herrlichen Verstandes oder sonderbaren Frömmigkeit vorzustellen wissen. 32. 5. Daß man sich in der Erkäntnüß des Mischnng Y 4
der drey Haupt-Laſter. man nicht ſicher gehen/ ſondern ſich ſehr betrie-gen wuͤrde/ ſo man aus dem Gluͤcke und Un- gluͤcke eines Menſchen von ſeinem Gemuͤthe urtheilen wolte/ wiewohl dergleichen unver- nuͤnfftige Judicia taͤglich vorgehen/ und die Men- ſchen [durch ihr]e unterſchiedene affecten angetrie- ben aus [den]en Zufaͤllen anderer von ihrer Klug- heit oder Mangel des Verſtandes/ von ihrer Boßheit oder Tugend urtheilen. Gehet es einem widrig in einer Sache/ die er doch nach denen Regeln der Klugheit vernuͤnfftig angefangen hat- te/ finden ſich bald ſeine Feinde/ die von ihm ur- theilen/ man habe den Mann immer vor klug ge- halten/ nun ſehe man es/ wie ſeine Sachen ſo fein ablieffen: oder/ es muͤſſe dieſer Menſch ein boͤſer Menſch/ oder von verborgener Boßheit ſeyn/ weil ihm dieſes oder jenes wider ſeine intention ablieffe. Wiederumb wenn es einem Menſchen wohl bey tollgewagten Dingen gluͤcklich gehet/ finden ſich leicht Panegyriſten/ Poeten uñ andere Schmeichler/ die dieſen Ausgang andern Men- ſchen als eine Probe ſeines herrlichen Verſtandes oder ſonderbaren Froͤm̃igkeit vorzuſtellen wiſſen. 32. 5. Daß man ſich in der Erkaͤntnuͤß des Miſchnng Y 4
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der drey Haupt-Laſter.
man nicht ſicher gehen/ ſondern ſich ſehr betrie-
gen wuͤrde/ ſo man aus dem Gluͤcke und Un-
gluͤcke eines Menſchen von ſeinem Gemuͤthe
urtheilen wolte/ wiewohl dergleichen unver-
nuͤnfftige Judicia taͤglich vorgehen/ und die Men-
ſchen durch ihre unterſchiedene affecten angetrie-
ben aus denen Zufaͤllen anderer von ihrer Klug-
heit oder Mangel des Verſtandes/ von ihrer
Boßheit oder Tugend urtheilen. Gehet es einem
widrig in einer Sache/ die er doch nach denen
Regeln der Klugheit vernuͤnfftig angefangen hat-
te/ finden ſich bald ſeine Feinde/ die von ihm ur-
theilen/ man habe den Mann immer vor klug ge-
halten/ nun ſehe man es/ wie ſeine Sachen ſo fein
ablieffen: oder/ es muͤſſe dieſer Menſch ein boͤſer
Menſch/ oder von verborgener Boßheit ſeyn/
weil ihm dieſes oder jenes wider ſeine intention
ablieffe. Wiederumb wenn es einem Menſchen
wohl bey tollgewagten Dingen gluͤcklich gehet/
finden ſich leicht Panegyriſten/ Poeten uñ andere
Schmeichler/ die dieſen Ausgang andern Men-
ſchen als eine Probe ſeines herrlichen Verſtandes
oder ſonderbaren Froͤm̃igkeit vorzuſtellen wiſſen.
32. 5. Daß man ſich in der Erkaͤntnuͤß des
Menſchlichen Geſchlechts wohl huͤten muͤſſe/ daß
man nicht ſchlieſſe/ als ob eines Menſchen Ge-
muͤths-miſchung ſich aͤndere. Denn wenn man
die Natur des menſchlichen Geſchlechts wie auch
eintzeler Menſchen genau betrachtet/ wird man
gar deutlich befinden/ daß wie die Gemuͤths-
Miſchnng
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