Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.etwas Gutes oder Böses sind? tig nennen/ wenn sie nicht nach allen beyden Re-geln eingerichtet ist. Die Liebe eines Tugend- hafften ist an sich selbst indifferent, denn sie kan nach der andern Regul allzuhitzig seyn. Die Lie- be eines Menschen ist noch mehr indifferent, denn sie kan nach Gelegenheit der ersten oder andern Regel gut oder böse seyn. Das Verlangen nach Geld und Ehre ist indifferent, kan aber nach den Umbständen der ersten oder andern Regel gut o- der böse werden. Zorn ist allezeit ein böser Af- fect wegen der ersten Regel/ und Neid desselbi- gen gleichen. Geldgeitz/ Ehrgeitz sind böse Affecten/ so wohl nach Anleitung der ersten/ als auch absonderlich der andern Regel. Eine eben- mäßige Bewandnüs hat es mit der Grausam- keit. Hoffnung/ Furcht/ Barmhertzigkeit sind indifferent, so wol wegen der ersten als andern Regel; und also auch mit den übrigen. 31. Diese Anmerckung ist deswegen wohl 32. Dahero ist sonderlich der Streit zwi- kömmt.
etwas Gutes oder Boͤſes ſind? tig nennen/ wenn ſie nicht nach allen beyden Re-geln eingerichtet iſt. Die Liebe eines Tugend- hafften iſt an ſich ſelbſt indifferent, denn ſie kan nach der andern Regul allzuhitzig ſeyn. Die Lie- be eines Menſchen iſt noch mehr indifferent, denn ſie kan nach Gelegenheit der erſten oder andern Regel gut oder boͤſe ſeyn. Das Verlangen nach Geld und Ehre iſt indifferent, kan aber nach den Umbſtaͤnden der erſten oder andern Regel gut o- der boͤſe werden. Zorn iſt allezeit ein boͤſer Af- fect wegen der erſten Regel/ und Neid deſſelbi- gen gleichen. Geldgeitz/ Ehrgeitz ſind boͤſe Affecten/ ſo wohl nach Anleitung der erſten/ als auch abſonderlich der andern Regel. Eine eben- maͤßige Bewandnuͤs hat es mit der Grauſam- keit. Hoffnung/ Furcht/ Barmhertzigkeit ſind indifferent, ſo wol wegen der erſten als andern Regel; und alſo auch mit den uͤbrigen. 31. Dieſe Anmerckung iſt deswegen wohl 32. Dahero iſt ſonderlich der Streit zwi- koͤmmt.
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etwas Gutes oder Boͤſes ſind?
tig nennen/ wenn ſie nicht nach allen beyden Re-
geln eingerichtet iſt. Die Liebe eines Tugend-
hafften iſt an ſich ſelbſt indifferent, denn ſie kan
nach der andern Regul allzuhitzig ſeyn. Die Lie-
be eines Menſchen iſt noch mehr indifferent, denn
ſie kan nach Gelegenheit der erſten oder andern
Regel gut oder boͤſe ſeyn. Das Verlangen nach
Geld und Ehre iſt indifferent, kan aber nach den
Umbſtaͤnden der erſten oder andern Regel gut o-
der boͤſe werden. Zorn iſt allezeit ein boͤſer Af-
fect wegen der erſten Regel/ und Neid deſſelbi-
gen gleichen. Geldgeitz/ Ehrgeitz ſind boͤſe
Affecten/ ſo wohl nach Anleitung der erſten/ als
auch abſonderlich der andern Regel. Eine eben-
maͤßige Bewandnuͤs hat es mit der Grauſam-
keit. Hoffnung/ Furcht/ Barmhertzigkeit
ſind indifferent, ſo wol wegen der erſten als andern
Regel; und alſo auch mit den uͤbrigen.
31. Dieſe Anmerckung iſt deswegen wohl
zu mercken/ damit man ſich nicht mit denen Peri-
pateticis verirre. Dieſe ſchreiben denen Affecten
uͤberhaupt gar recht eine indifferenz zu/ daß ſie
weder gut noch boͤſe waͤren; aber wenn ſie her-
nach zu denen abſonderlicheu Arten der Affecten
ſchreiten/ wollen ſie zu dieſer indifferenz auch ſol-
che Gemuͤhts-Neigungen ziehen/ die an ſich ſelbſt
gantz boͤſe ſeyn.
32. Dahero iſt ſonderlich der Streit zwi-
ſchen ihnen und den Stoickern wegen des Zorns/
der in des Senecæ Buͤchern vom Zorne offte fuͤr-
koͤmmt.
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