Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite
in dem Abschiedsgespräch mit Petrus.
&q;wolltest, wenn du aber alt wirst, wirst du deine
&q;Hände ausstrekken, und ein ander wird dich gür-
&q;ten und führen, wo du nicht hin willt." Das
sagte er aber zu deuten, mit welchem Tode er Gott
preisen würde. Da er aber das gesagt, spricht er
zu ihm: "Folge mir nach." Petrus aber wandte
sich um, und sahe den Jünger folgen, welchen Je-
sus lieb hatte, der auch an seiner Brust am Abend-
essen gelegen war, und gesagt hatte: "Herr, wer
&q;ists, der dich verräth?" Da Petrus diesen sahe,
spricht er zu Jesu: "Herr, was soll aber dieser?"
Jesus spricht zu ihm: "so ich will, daß er bleibe,
&q;bis ich komme, was gehet es dich an? folge du
&q;mir nach."



Petrus gehört unstreitig zu den merkwürdigsten
Männern, deren die evangelische, mithin die ganze,
Geschichte Erwähnung thut. Er ist, so zu sagen,
ein Urbild von der Vortreflichkeit, deren die Men-
schennatur nach ihrem Falle noch fähig ist, ein Ur-
bild also, was zwar lauter getreue, aber oft wun-
derbar sich einander widersprechende, hart an ein-
ander liegende, Züge enthält. So viele Stärke
bei so vieler Schwäche, so viel Adel der Sele bei so
vielem Kleinmuth, ist vielleicht nirgends, wenig-
stens nicht so leicht und sicher, anzutreffen, wie in
dem Charakter des Petrus.

So wie wir in der evangelischen Geschichte ihn
reden hören, ihn handeln sehen, scheint er schnell
den Gipfel des Glaubens erstiegen zu haben

das
M 2
in dem Abſchiedsgeſpräch mit Petrus.
&q;wollteſt, wenn du aber alt wirſt, wirſt du deine
&q;Hände ausſtrekken, und ein ander wird dich gür-
&q;ten und führen, wo du nicht hin willt.” Das
ſagte er aber zu deuten, mit welchem Tode er Gott
preiſen würde. Da er aber das geſagt, ſpricht er
zu ihm: “Folge mir nach.” Petrus aber wandte
ſich um, und ſahe den Jünger folgen, welchen Je-
ſus lieb hatte, der auch an ſeiner Bruſt am Abend-
eſſen gelegen war, und geſagt hatte: “Herr, wer
&q;iſts, der dich verräth?” Da Petrus dieſen ſahe,
ſpricht er zu Jeſu: “Herr, was ſoll aber dieſer?”
Jeſus ſpricht zu ihm: “ſo ich will, daß er bleibe,
&q;bis ich komme, was gehet es dich an? folge du
&q;mir nach.”



Petrus gehört unſtreitig zu den merkwürdigſten
Männern, deren die evangeliſche, mithin die ganze,
Geſchichte Erwähnung thut. Er iſt, ſo zu ſagen,
ein Urbild von der Vortreflichkeit, deren die Men-
ſchennatur nach ihrem Falle noch fähig iſt, ein Ur-
bild alſo, was zwar lauter getreue, aber oft wun-
derbar ſich einander widerſprechende, hart an ein-
ander liegende, Züge enthält. So viele Stärke
bei ſo vieler Schwäche, ſo viel Adel der Sele bei ſo
vielem Kleinmuth, iſt vielleicht nirgends, wenig-
ſtens nicht ſo leicht und ſicher, anzutreffen, wie in
dem Charakter des Petrus.

So wie wir in der evangeliſchen Geſchichte ihn
reden hören, ihn handeln ſehen, ſcheint er ſchnell
den Gipfel des Glaubens erſtiegen zu haben

das
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote><pb facs="#f0193" n="179"/><fw place="top" type="header">in dem Ab&#x017F;chiedsge&#x017F;präch mit Petrus.</fw><lb/>
&amp;q;wollte&#x017F;t, wenn du aber alt wir&#x017F;t, wir&#x017F;t du deine<lb/>
&amp;q;Hände aus&#x017F;trekken, und ein ander wird dich gür-<lb/>
&amp;q;ten und führen, wo du nicht hin willt.&#x201D; Das<lb/>
&#x017F;agte er aber zu deuten, mit welchem Tode er Gott<lb/>
prei&#x017F;en würde. Da er aber das ge&#x017F;agt, &#x017F;pricht er<lb/>
zu ihm: &#x201C;Folge mir nach.&#x201D; Petrus aber wandte<lb/>
&#x017F;ich um, und &#x017F;ahe den Jünger folgen, welchen Je-<lb/>
&#x017F;us lieb hatte, der auch an &#x017F;einer Bru&#x017F;t am Abend-<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en gelegen war, und ge&#x017F;agt hatte: &#x201C;Herr, wer<lb/>
&amp;q;i&#x017F;ts, der dich verräth?&#x201D; Da Petrus die&#x017F;en &#x017F;ahe,<lb/>
&#x017F;pricht er zu Je&#x017F;u: &#x201C;Herr, was &#x017F;oll aber die&#x017F;er?&#x201D;<lb/>
Je&#x017F;us &#x017F;pricht zu ihm: &#x201C;&#x017F;o ich will, daß er bleibe,<lb/>
&amp;q;bis ich komme, was gehet es dich an? folge du<lb/>
&amp;q;mir nach.&#x201D;</quote>
        </cit><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">P</hi>etrus gehört un&#x017F;treitig zu den merkwürdig&#x017F;ten<lb/>
Männern, deren die evangeli&#x017F;che, mithin die ganze,<lb/>
Ge&#x017F;chichte Erwähnung thut. Er i&#x017F;t, &#x017F;o zu &#x017F;agen,<lb/>
ein Urbild von der Vortreflichkeit, deren die Men-<lb/>
&#x017F;chennatur nach ihrem Falle noch fähig i&#x017F;t, ein Ur-<lb/>
bild al&#x017F;o, was zwar lauter getreue, aber oft wun-<lb/>
derbar &#x017F;ich einander wider&#x017F;prechende, hart an ein-<lb/>
ander liegende, Züge enthält. So viele Stärke<lb/>
bei &#x017F;o vieler Schwäche, &#x017F;o viel Adel der Sele bei &#x017F;o<lb/>
vielem Kleinmuth, i&#x017F;t vielleicht nirgends, wenig-<lb/>
&#x017F;tens nicht &#x017F;o leicht und &#x017F;icher, anzutreffen, wie in<lb/>
dem Charakter des Petrus.</p><lb/>
        <p>So wie wir in der evangeli&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte ihn<lb/>
reden hören, ihn handeln &#x017F;ehen, &#x017F;cheint er &#x017F;chnell<lb/>
den <hi rendition="#fr">Gipfel des Glaubens</hi> er&#x017F;tiegen zu haben<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0193] in dem Abſchiedsgeſpräch mit Petrus. &q;wollteſt, wenn du aber alt wirſt, wirſt du deine &q;Hände ausſtrekken, und ein ander wird dich gür- &q;ten und führen, wo du nicht hin willt.” Das ſagte er aber zu deuten, mit welchem Tode er Gott preiſen würde. Da er aber das geſagt, ſpricht er zu ihm: “Folge mir nach.” Petrus aber wandte ſich um, und ſahe den Jünger folgen, welchen Je- ſus lieb hatte, der auch an ſeiner Bruſt am Abend- eſſen gelegen war, und geſagt hatte: “Herr, wer &q;iſts, der dich verräth?” Da Petrus dieſen ſahe, ſpricht er zu Jeſu: “Herr, was ſoll aber dieſer?” Jeſus ſpricht zu ihm: “ſo ich will, daß er bleibe, &q;bis ich komme, was gehet es dich an? folge du &q;mir nach.” Petrus gehört unſtreitig zu den merkwürdigſten Männern, deren die evangeliſche, mithin die ganze, Geſchichte Erwähnung thut. Er iſt, ſo zu ſagen, ein Urbild von der Vortreflichkeit, deren die Men- ſchennatur nach ihrem Falle noch fähig iſt, ein Ur- bild alſo, was zwar lauter getreue, aber oft wun- derbar ſich einander widerſprechende, hart an ein- ander liegende, Züge enthält. So viele Stärke bei ſo vieler Schwäche, ſo viel Adel der Sele bei ſo vielem Kleinmuth, iſt vielleicht nirgends, wenig- ſtens nicht ſo leicht und ſicher, anzutreffen, wie in dem Charakter des Petrus. So wie wir in der evangeliſchen Geſchichte ihn reden hören, ihn handeln ſehen, ſcheint er ſchnell den Gipfel des Glaubens erſtiegen zu haben das M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/193
Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/193>, abgerufen am 25.11.2024.