benen besten Büchern, auch ungedruckten Aufsätzen anderer findet, lesen, mit einander vergleichen, be- urtheilen, die anscheinenden Widersprüche durch Beachtung der Nebenumstände heben oder nach verständigen Gründen entscheiden. Hierdurch wer- den Discussionen unter den erfahrnern und kennt- nißreichern meiner Zuhörer, deren doch gewöhnlich mehrere hier sind, veranlaßt, der Gegenstand von allen Seiten beleuchtet, Einseitigkeit und das ju- rare in verba magistri vermieden, der Beobach- tungsgeist und das Nachdenken geschärft. Freilich ist nicht in jedem Semester das Interesse dieser Verhandlungen wegen der Verschiedenheit des Per- sonals gleich groß gewesen; an manche kann ich nur mit der angenehmsten Erinnerung denken, in an- dern war die Zurückhaltung eigener Ansichten unüberwindlich, und eine vielleicht mehr an- scheinende als wirkliche Indolenz abschreckend. Sie verlor sich bei manchem erst nach längerem Hierseyn.
Dann wird im Sommer die Botanik, aller- dings mit Erklärung des Systems und der Termino- logie, aber doch auch mit besonderer Hinsicht auf die dem Landwirthe merkwürdigsten Pflanzen, und mehr empirische Erkenntniß derselben gelehrt; da eine vollständige Erlernung derselben nicht das Werk eines Sommers, neben so manchen andern Stu- dien seyn kann. Es finden jedoch auch diejenigen,
benen beſten Buͤchern, auch ungedruckten Aufſaͤtzen anderer findet, leſen, mit einander vergleichen, be- urtheilen, die anſcheinenden Widerſpruͤche durch Beachtung der Nebenumſtaͤnde heben oder nach verſtaͤndigen Gruͤnden entſcheiden. Hierdurch wer- den Discuſſionen unter den erfahrnern und kennt- nißreichern meiner Zuhoͤrer, deren doch gewoͤhnlich mehrere hier ſind, veranlaßt, der Gegenſtand von allen Seiten beleuchtet, Einſeitigkeit und das ju- rare in verba magistri vermieden, der Beobach- tungsgeiſt und das Nachdenken geſchaͤrft. Freilich iſt nicht in jedem Semeſter das Intereſſe dieſer Verhandlungen wegen der Verſchiedenheit des Per- ſonals gleich groß geweſen; an manche kann ich nur mit der angenehmſten Erinnerung denken, in an- dern war die Zuruͤckhaltung eigener Anſichten unuͤberwindlich, und eine vielleicht mehr an- ſcheinende als wirkliche Indolenz abſchreckend. Sie verlor ſich bei manchem erſt nach laͤngerem Hierſeyn.
Dann wird im Sommer die Botanik, aller- dings mit Erklaͤrung des Syſtems und der Termino- logie, aber doch auch mit beſonderer Hinſicht auf die dem Landwirthe merkwuͤrdigſten Pflanzen, und mehr empiriſche Erkenntniß derſelben gelehrt; da eine vollſtaͤndige Erlernung derſelben nicht das Werk eines Sommers, neben ſo manchen andern Stu- dien ſeyn kann. Es finden jedoch auch diejenigen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0362"n="345"/>
benen beſten Buͤchern, auch ungedruckten Aufſaͤtzen<lb/>
anderer findet, leſen, mit einander vergleichen, be-<lb/>
urtheilen, die anſcheinenden Widerſpruͤche durch<lb/>
Beachtung der Nebenumſtaͤnde heben oder nach<lb/>
verſtaͤndigen Gruͤnden entſcheiden. Hierdurch wer-<lb/>
den Discuſſionen unter den erfahrnern und kennt-<lb/>
nißreichern meiner Zuhoͤrer, deren doch gewoͤhnlich<lb/>
mehrere hier ſind, veranlaßt, der Gegenſtand von<lb/>
allen Seiten beleuchtet, Einſeitigkeit und das <hirendition="#aq">ju-<lb/>
rare in verba magistri</hi> vermieden, der Beobach-<lb/>
tungsgeiſt und das Nachdenken geſchaͤrft. Freilich<lb/>
iſt nicht in jedem Semeſter das Intereſſe dieſer<lb/>
Verhandlungen wegen der Verſchiedenheit des Per-<lb/>ſonals gleich groß geweſen; an manche kann ich nur<lb/>
mit der angenehmſten Erinnerung denken, in an-<lb/>
dern war die Zuruͤckhaltung eigener Anſichten<lb/>
unuͤberwindlich, und eine vielleicht mehr an-<lb/>ſcheinende als wirkliche Indolenz abſchreckend. Sie<lb/>
verlor ſich bei manchem erſt nach laͤngerem Hierſeyn.</p><lb/><p>Dann wird im Sommer die Botanik, aller-<lb/>
dings mit Erklaͤrung des Syſtems und der Termino-<lb/>
logie, aber doch auch mit beſonderer Hinſicht auf<lb/>
die dem Landwirthe merkwuͤrdigſten Pflanzen, und<lb/>
mehr empiriſche Erkenntniß derſelben gelehrt; da<lb/>
eine vollſtaͤndige Erlernung derſelben nicht das Werk<lb/>
eines Sommers, neben ſo manchen andern Stu-<lb/>
dien ſeyn kann. Es finden jedoch auch diejenigen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[345/0362]
benen beſten Buͤchern, auch ungedruckten Aufſaͤtzen
anderer findet, leſen, mit einander vergleichen, be-
urtheilen, die anſcheinenden Widerſpruͤche durch
Beachtung der Nebenumſtaͤnde heben oder nach
verſtaͤndigen Gruͤnden entſcheiden. Hierdurch wer-
den Discuſſionen unter den erfahrnern und kennt-
nißreichern meiner Zuhoͤrer, deren doch gewoͤhnlich
mehrere hier ſind, veranlaßt, der Gegenſtand von
allen Seiten beleuchtet, Einſeitigkeit und das ju-
rare in verba magistri vermieden, der Beobach-
tungsgeiſt und das Nachdenken geſchaͤrft. Freilich
iſt nicht in jedem Semeſter das Intereſſe dieſer
Verhandlungen wegen der Verſchiedenheit des Per-
ſonals gleich groß geweſen; an manche kann ich nur
mit der angenehmſten Erinnerung denken, in an-
dern war die Zuruͤckhaltung eigener Anſichten
unuͤberwindlich, und eine vielleicht mehr an-
ſcheinende als wirkliche Indolenz abſchreckend. Sie
verlor ſich bei manchem erſt nach laͤngerem Hierſeyn.
Dann wird im Sommer die Botanik, aller-
dings mit Erklaͤrung des Syſtems und der Termino-
logie, aber doch auch mit beſonderer Hinſicht auf
die dem Landwirthe merkwuͤrdigſten Pflanzen, und
mehr empiriſche Erkenntniß derſelben gelehrt; da
eine vollſtaͤndige Erlernung derſelben nicht das Werk
eines Sommers, neben ſo manchen andern Stu-
dien ſeyn kann. Es finden jedoch auch diejenigen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thaer, Albrecht: Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin. Berlin, 1815, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_moeglin_1815/362>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.