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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.

Die Mastfähigkeit und Güte des Fleisches betrachten viele Engländer als
eine der Feinheit der Wolle widerstrebende Eigenschaft. Indessen sind doch nicht
alle dieser Meinung, und einige glauben, daß sich Güte des Fleisches und der
Wolle vereinigen lasse. Dies ist bei ihnen ziemlich ausgemacht, daß die reine
Merinorace in jener Hinsicht sehr fehlerhaft sey, bei gleicher Fütterung weniger
Fleisch und schlechteres gebe als jede andere Art, und die Meinung der meisten
ist, daß der höhere Werth der Wolle diesen Verlust nach den dortigen Verhält-
nissen nicht anfwiege. Deshalb sind viele der Einführung der Merinos zwar
nicht entgegen, wollen aber vermittelst der Durchkreuzung und Auswahl der In-
dividnen eine neue konstante Race bilden, die beide Qualitäten vereinige.

Bei uns ist nun die Fleischerzeugung eine sekundaire Absicht, und wir ha-
ben überhaupt keine Schaafrace, die dazu auszeichnend geeignet wäre. Indessen
müssen wir doch auch anerkennen, daß die reinen Merinoschaafe im Fleischan-
satze bei gleicher Nahrung und selbst auch in der Güte des Fleisches der größe-
ren Art unserer Landschaafe nachstehen. Jene Hammel bleiben augenscheinlich
gegen diese zurück, und wenn man einen Fleischer die Auswahl unter einem ge-
mengten Hammelhaufen läßt, so wird er immer die Merinos zurückstoßen, es
sey denn, daß man sie ihm in einem beträchtlichen Wollstande, den er zu schätzen
weiß, verkaufe.

Bei den großen Vorzügen, die das Merinoschaaf in Hinsicht des Woll-
werthes hat, wird dies nicht leicht jemanden von Einführung der edlen Schaaf-
zucht bei uns abschrecken, bevor nicht etwa durch ganz veränderte Conjunkturen
gutes Hammelfleisch einen höheren Preis gegen die feine Wolle erhält. Wenn
man indessen, besonderer Wirthschaftsverhältnisse wegen, auf Hammelmastung
so wie auch auf Melkerei der Schaafe Rücksicht zu nehmen sich bewogen fin-
det, so könnte eine gute in sich selbst veredelte Race von Landschaafen doch al-
lerdings zweckmäßig seyn. Und wenn man nur Hammelschäferei und Mastung
betreiben und die Hammel dazu ankaufen will, so wird man ohne allen Zweifel
beim Ankauf der Landschaafe besser fahren, zumal wenn man schnell mästen will,
und auf die während der Mastzeit sich erzeugende Wolle wenig Rücksicht neh-
men kann.


Die Schaafzucht.

Die Maſtfaͤhigkeit und Guͤte des Fleiſches betrachten viele Englaͤnder als
eine der Feinheit der Wolle widerſtrebende Eigenſchaft. Indeſſen ſind doch nicht
alle dieſer Meinung, und einige glauben, daß ſich Guͤte des Fleiſches und der
Wolle vereinigen laſſe. Dies iſt bei ihnen ziemlich ausgemacht, daß die reine
Merinoraçe in jener Hinſicht ſehr fehlerhaft ſey, bei gleicher Fuͤtterung weniger
Fleiſch und ſchlechteres gebe als jede andere Art, und die Meinung der meiſten
iſt, daß der hoͤhere Werth der Wolle dieſen Verluſt nach den dortigen Verhaͤlt-
niſſen nicht anfwiege. Deshalb ſind viele der Einfuͤhrung der Merinos zwar
nicht entgegen, wollen aber vermittelſt der Durchkreuzung und Auswahl der In-
dividnen eine neue konſtante Raçe bilden, die beide Qualitaͤten vereinige.

Bei uns iſt nun die Fleiſcherzeugung eine ſekundaire Abſicht, und wir ha-
ben uͤberhaupt keine Schaafraçe, die dazu auszeichnend geeignet waͤre. Indeſſen
muͤſſen wir doch auch anerkennen, daß die reinen Merinoſchaafe im Fleiſchan-
ſatze bei gleicher Nahrung und ſelbſt auch in der Guͤte des Fleiſches der groͤße-
ren Art unſerer Landſchaafe nachſtehen. Jene Hammel bleiben augenſcheinlich
gegen dieſe zuruͤck, und wenn man einen Fleiſcher die Auswahl unter einem ge-
mengten Hammelhaufen laͤßt, ſo wird er immer die Merinos zuruͤckſtoßen, es
ſey denn, daß man ſie ihm in einem betraͤchtlichen Wollſtande, den er zu ſchaͤtzen
weiß, verkaufe.

Bei den großen Vorzuͤgen, die das Merinoſchaaf in Hinſicht des Woll-
werthes hat, wird dies nicht leicht jemanden von Einfuͤhrung der edlen Schaaf-
zucht bei uns abſchrecken, bevor nicht etwa durch ganz veraͤnderte Conjunkturen
gutes Hammelfleiſch einen hoͤheren Preis gegen die feine Wolle erhaͤlt. Wenn
man indeſſen, beſonderer Wirthſchaftsverhaͤltniſſe wegen, auf Hammelmaſtung
ſo wie auch auf Melkerei der Schaafe Ruͤckſicht zu nehmen ſich bewogen fin-
det, ſo koͤnnte eine gute in ſich ſelbſt veredelte Raçe von Landſchaafen doch al-
lerdings zweckmaͤßig ſeyn. Und wenn man nur Hammelſchaͤferei und Maſtung
betreiben und die Hammel dazu ankaufen will, ſo wird man ohne allen Zweifel
beim Ankauf der Landſchaafe beſſer fahren, zumal wenn man ſchnell maͤſten will,
und auf die waͤhrend der Maſtzeit ſich erzeugende Wolle wenig Ruͤckſicht neh-
men kann.


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[423/0447] Die Schaafzucht. Die Maſtfaͤhigkeit und Guͤte des Fleiſches betrachten viele Englaͤnder als eine der Feinheit der Wolle widerſtrebende Eigenſchaft. Indeſſen ſind doch nicht alle dieſer Meinung, und einige glauben, daß ſich Guͤte des Fleiſches und der Wolle vereinigen laſſe. Dies iſt bei ihnen ziemlich ausgemacht, daß die reine Merinoraçe in jener Hinſicht ſehr fehlerhaft ſey, bei gleicher Fuͤtterung weniger Fleiſch und ſchlechteres gebe als jede andere Art, und die Meinung der meiſten iſt, daß der hoͤhere Werth der Wolle dieſen Verluſt nach den dortigen Verhaͤlt- niſſen nicht anfwiege. Deshalb ſind viele der Einfuͤhrung der Merinos zwar nicht entgegen, wollen aber vermittelſt der Durchkreuzung und Auswahl der In- dividnen eine neue konſtante Raçe bilden, die beide Qualitaͤten vereinige. Bei uns iſt nun die Fleiſcherzeugung eine ſekundaire Abſicht, und wir ha- ben uͤberhaupt keine Schaafraçe, die dazu auszeichnend geeignet waͤre. Indeſſen muͤſſen wir doch auch anerkennen, daß die reinen Merinoſchaafe im Fleiſchan- ſatze bei gleicher Nahrung und ſelbſt auch in der Guͤte des Fleiſches der groͤße- ren Art unſerer Landſchaafe nachſtehen. Jene Hammel bleiben augenſcheinlich gegen dieſe zuruͤck, und wenn man einen Fleiſcher die Auswahl unter einem ge- mengten Hammelhaufen laͤßt, ſo wird er immer die Merinos zuruͤckſtoßen, es ſey denn, daß man ſie ihm in einem betraͤchtlichen Wollſtande, den er zu ſchaͤtzen weiß, verkaufe. Bei den großen Vorzuͤgen, die das Merinoſchaaf in Hinſicht des Woll- werthes hat, wird dies nicht leicht jemanden von Einfuͤhrung der edlen Schaaf- zucht bei uns abſchrecken, bevor nicht etwa durch ganz veraͤnderte Conjunkturen gutes Hammelfleiſch einen hoͤheren Preis gegen die feine Wolle erhaͤlt. Wenn man indeſſen, beſonderer Wirthſchaftsverhaͤltniſſe wegen, auf Hammelmaſtung ſo wie auch auf Melkerei der Schaafe Ruͤckſicht zu nehmen ſich bewogen fin- det, ſo koͤnnte eine gute in ſich ſelbſt veredelte Raçe von Landſchaafen doch al- lerdings zweckmaͤßig ſeyn. Und wenn man nur Hammelſchaͤferei und Maſtung betreiben und die Hammel dazu ankaufen will, ſo wird man ohne allen Zweifel beim Ankauf der Landſchaafe beſſer fahren, zumal wenn man ſchnell maͤſten will, und auf die waͤhrend der Maſtzeit ſich erzeugende Wolle wenig Ruͤckſicht neh- men kann.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/447>, abgerufen am 22.11.2024.