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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.
§. 124.

Hammel- oder
Mastschäferei.
Die Hammel- oder Fettschäferei wird bei uns mehrentheils nur als ein
nothwendiger Nebenzweig der Schaafzucht betrachtet. Es wird zwar hin und
wieder Hammelschäferei allein für sich betrieben, indem man die Hammel und
Märzschaafe von den Schaafzüchtern kauft und sie dann über Sommer oder über
Winter fett macht. Aber Schaafzucht in vorzüglicher Hinsicht auf Mastung, wie
bei den Engländern, findet selten Statt. Wolle ist die Hauptrücksicht, nächstdem
die Zuzucht, und Mastung wird fast nur von uns aus Roth betrieben. Die Ver-
mehrung der Schaafe, des ersteren Zweckes wegen, ist so stark, daß der Fleisch-
markt mit Märzvieh überfüllt wird, und da dieses Schaaffleisch von schlechter
Qualität zu seyn pflegt, so hat sich der Geschmack daran sehr verloren, und der nie-
drige Preis des schlechten Schaaffleisches hält auch den Preis des guten, zumal
bei den bisher üblichen Polizeitaxen, herunter. Es würde daher bei uns nur
in sehr seltenen Fällen rathsam seyn können, auf die Erziehung vorzüglich mast-
fähiger Schaafe und ihre Mastung die Sorgfalt, gewissermaaßen auf Kosten der
Wolle, gleich dem Engländer zu verwenden.

Es findet nämlich ein sehr großer Unterschied unter der Mastfähigkeit und
der Güte des Fleisches bei verschiedenen Schaafarten Statt. In England hat
man Schaafracen, die im zweiten Jahre ihres Alters ihr Lamm, auch wohl
zwei bringen, es dann aufsäugen und nun entweder schon im Herbste fett sind,
oder im Winter, ohne sie begehen zu lassen, fett gemacht werden. Solche Schaaf-
arten hält man am vortheilhaftesten, indem sie ihre Fütterung und Weide durch
ihr Fleisch am stärksten bezahlen, wobei die Wolle nur als ein Nebengewinn be-
trachtet wird. Doch haben nicht alle englische Schaafracen diese Eigenheit, und
es giebt andere, die erst im dritten oder vierten Jahre mit Vortheil gemästet
werden. So ist dann auch in der Güte des Fleisches ein großer Unterschied.
Gutes Schaaffleisch muß nicht lose oder schwammigt, aber weich, feinfasrig und
saftreich seyn. Eine mäßige, in den Zwischenräumen der Fasern abgesetzte Fet-
tigkeit wird sehr geschätzt, das starke Fett aber, welches sich auswärts speckar-
tig, bis zu 4 und 5 Zoll dick, auf den Rippen ansetzt, hält man nur für die
ärmere Klasse, welche damit ihre vegetabilischen Speisen bereitet, angemessen.


Die Schaafzucht.
§. 124.

Hammel- oder
Maſtſchaͤferei.
Die Hammel- oder Fettſchaͤferei wird bei uns mehrentheils nur als ein
nothwendiger Nebenzweig der Schaafzucht betrachtet. Es wird zwar hin und
wieder Hammelſchaͤferei allein fuͤr ſich betrieben, indem man die Hammel und
Maͤrzſchaafe von den Schaafzuͤchtern kauft und ſie dann uͤber Sommer oder uͤber
Winter fett macht. Aber Schaafzucht in vorzuͤglicher Hinſicht auf Maſtung, wie
bei den Englaͤndern, findet ſelten Statt. Wolle iſt die Hauptruͤckſicht, naͤchſtdem
die Zuzucht, und Maſtung wird faſt nur von uns aus Roth betrieben. Die Ver-
mehrung der Schaafe, des erſteren Zweckes wegen, iſt ſo ſtark, daß der Fleiſch-
markt mit Maͤrzvieh uͤberfuͤllt wird, und da dieſes Schaaffleiſch von ſchlechter
Qualitaͤt zu ſeyn pflegt, ſo hat ſich der Geſchmack daran ſehr verloren, und der nie-
drige Preis des ſchlechten Schaaffleiſches haͤlt auch den Preis des guten, zumal
bei den bisher uͤblichen Polizeitaxen, herunter. Es wuͤrde daher bei uns nur
in ſehr ſeltenen Faͤllen rathſam ſeyn koͤnnen, auf die Erziehung vorzuͤglich maſt-
faͤhiger Schaafe und ihre Maſtung die Sorgfalt, gewiſſermaaßen auf Koſten der
Wolle, gleich dem Englaͤnder zu verwenden.

Es findet naͤmlich ein ſehr großer Unterſchied unter der Maſtfaͤhigkeit und
der Guͤte des Fleiſches bei verſchiedenen Schaafarten Statt. In England hat
man Schaafraçen, die im zweiten Jahre ihres Alters ihr Lamm, auch wohl
zwei bringen, es dann aufſaͤugen und nun entweder ſchon im Herbſte fett ſind,
oder im Winter, ohne ſie begehen zu laſſen, fett gemacht werden. Solche Schaaf-
arten haͤlt man am vortheilhafteſten, indem ſie ihre Fuͤtterung und Weide durch
ihr Fleiſch am ſtaͤrkſten bezahlen, wobei die Wolle nur als ein Nebengewinn be-
trachtet wird. Doch haben nicht alle engliſche Schaafraçen dieſe Eigenheit, und
es giebt andere, die erſt im dritten oder vierten Jahre mit Vortheil gemaͤſtet
werden. So iſt dann auch in der Guͤte des Fleiſches ein großer Unterſchied.
Gutes Schaaffleiſch muß nicht loſe oder ſchwammigt, aber weich, feinfaſrig und
ſaftreich ſeyn. Eine maͤßige, in den Zwiſchenraͤumen der Faſern abgeſetzte Fet-
tigkeit wird ſehr geſchaͤtzt, das ſtarke Fett aber, welches ſich auswaͤrts ſpeckar-
tig, bis zu 4 und 5 Zoll dick, auf den Rippen anſetzt, haͤlt man nur fuͤr die
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[422/0446] Die Schaafzucht. §. 124. Die Hammel- oder Fettſchaͤferei wird bei uns mehrentheils nur als ein nothwendiger Nebenzweig der Schaafzucht betrachtet. Es wird zwar hin und wieder Hammelſchaͤferei allein fuͤr ſich betrieben, indem man die Hammel und Maͤrzſchaafe von den Schaafzuͤchtern kauft und ſie dann uͤber Sommer oder uͤber Winter fett macht. Aber Schaafzucht in vorzuͤglicher Hinſicht auf Maſtung, wie bei den Englaͤndern, findet ſelten Statt. Wolle iſt die Hauptruͤckſicht, naͤchſtdem die Zuzucht, und Maſtung wird faſt nur von uns aus Roth betrieben. Die Ver- mehrung der Schaafe, des erſteren Zweckes wegen, iſt ſo ſtark, daß der Fleiſch- markt mit Maͤrzvieh uͤberfuͤllt wird, und da dieſes Schaaffleiſch von ſchlechter Qualitaͤt zu ſeyn pflegt, ſo hat ſich der Geſchmack daran ſehr verloren, und der nie- drige Preis des ſchlechten Schaaffleiſches haͤlt auch den Preis des guten, zumal bei den bisher uͤblichen Polizeitaxen, herunter. Es wuͤrde daher bei uns nur in ſehr ſeltenen Faͤllen rathſam ſeyn koͤnnen, auf die Erziehung vorzuͤglich maſt- faͤhiger Schaafe und ihre Maſtung die Sorgfalt, gewiſſermaaßen auf Koſten der Wolle, gleich dem Englaͤnder zu verwenden. Hammel- oder Maſtſchaͤferei. Es findet naͤmlich ein ſehr großer Unterſchied unter der Maſtfaͤhigkeit und der Guͤte des Fleiſches bei verſchiedenen Schaafarten Statt. In England hat man Schaafraçen, die im zweiten Jahre ihres Alters ihr Lamm, auch wohl zwei bringen, es dann aufſaͤugen und nun entweder ſchon im Herbſte fett ſind, oder im Winter, ohne ſie begehen zu laſſen, fett gemacht werden. Solche Schaaf- arten haͤlt man am vortheilhafteſten, indem ſie ihre Fuͤtterung und Weide durch ihr Fleiſch am ſtaͤrkſten bezahlen, wobei die Wolle nur als ein Nebengewinn be- trachtet wird. Doch haben nicht alle engliſche Schaafraçen dieſe Eigenheit, und es giebt andere, die erſt im dritten oder vierten Jahre mit Vortheil gemaͤſtet werden. So iſt dann auch in der Guͤte des Fleiſches ein großer Unterſchied. Gutes Schaaffleiſch muß nicht loſe oder ſchwammigt, aber weich, feinfaſrig und ſaftreich ſeyn. Eine maͤßige, in den Zwiſchenraͤumen der Faſern abgeſetzte Fet- tigkeit wird ſehr geſchaͤtzt, das ſtarke Fett aber, welches ſich auswaͤrts ſpeckar- tig, bis zu 4 und 5 Zoll dick, auf den Rippen anſetzt, haͤlt man nur fuͤr die aͤrmere Klaſſe, welche damit ihre vegetabiliſchen Speiſen bereitet, angemeſſen.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/446>, abgerufen am 22.11.2024.