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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Die Heuernte.
Gräser größtentheils ihre Rispen entwickelt haben und in Blüte zu treten anfangen.
Denn früher würde man an der Quantität, später aber an der Qualität des Heues
verlieren, und es ist allerdings Rücksicht darauf zu nehmen, auf welche von beiden es
mehr ankommt, je nachdem man das Heu selbst benutzen oder verkaufen will. Auch
hat das frühere Mähen des jungen Grases bei zwei- und dreischnittigen Wiesen wieder
den Vortheil, daß die zweite Ernte um so viel früher komme, und um so ergiebiger
sey, und wo man besonders auf Nachheu rechnet, eilt man mit dem ersten Schnitte.

Jene Mähereife des Grases tritt aber nach der Jahreswitterung zu sehr verschie-
denen Zeiten ein. Ein warmes und feuchtes Frühjahr führt sie um drei Wochen
früher herbei, als ein kaltes und trocknes. Manchmal ist das Obergras stark in die
Höhe geschossen, das Untergras aber noch so zurück, daß es mit der Sense kaum ge-
faßt werden kann, und hier kömmt es darauf an, welches am bedeutendsten sey.
Zwar würde das Untergras, wenn es bis zur ersten Ernte zurückgeblieben, um so
viel stärker zur zweiten heranwachsen; indessen kann bei einer ungünstigen dürren
Witterung auch das Gegentheil erfolgen, und es kann um so mehr zurückbleiben,
wenn es an seinen Spitzen verletzt worden und seiner Decke beraubt ist. Hat das Un-
tergras vom Froste gelitten und ist es an seinen Spitzen verletzt, so ist es ihm besser,
wenn es gemähet wird und dann frische Blätter treibt. Ist das Untergras der Dürre
wegen zurückgeblieben, und es tritt nun eine regnigte Witterung ein, so darf man
erwarten, daß es stärker nachwachsen werde, wenn man es stehen läßt.

Die Witterung ist überhaupt bei der Heuernte sehr bedeutend. So schwankend
bis jetzt unsere Witterungsanzeigen und die mehrentheils zu einseitig abgeleiteten Re-
geln sind, so pflegt doch in der Mehrheit der Fälle eine Veränderung der Witterung
mit der Sonnenwende gegen den 21sten Junius vorzugehen. War der Vorsommer
bis dahin trocken, so erfolgt nun mehrentheils eine Regenperiode, die zwei bis drei
Wochen anhält. War aber die Witterung früher regnigt, oder ist diese Regenperiode
zeitiger eingetreten und abgelaufen, und es klärt sich nun auf, so kann man eine gün-
stige Witterung erwarten. Deshalb sind die, welche im erstern Falle auf frühen
warmen Wiesen geeilt haben, am besten gefahren, wenn gleich das Untergras noch
nicht genugsam herangewachsen war, indem es nachher bei der feuchten Witterung
um so dichter hervortrieb. Kann man aber dieser Regenperiode nicht zuvorkommen,
so muß man sie abwarten, bis die Wahrscheinlichkeit einer trockneren eintritt. Das

K k 2

Die Heuernte.
Graͤſer groͤßtentheils ihre Rispen entwickelt haben und in Bluͤte zu treten anfangen.
Denn fruͤher wuͤrde man an der Quantitaͤt, ſpaͤter aber an der Qualitaͤt des Heues
verlieren, und es iſt allerdings Ruͤckſicht darauf zu nehmen, auf welche von beiden es
mehr ankommt, je nachdem man das Heu ſelbſt benutzen oder verkaufen will. Auch
hat das fruͤhere Maͤhen des jungen Graſes bei zwei- und dreiſchnittigen Wieſen wieder
den Vortheil, daß die zweite Ernte um ſo viel fruͤher komme, und um ſo ergiebiger
ſey, und wo man beſonders auf Nachheu rechnet, eilt man mit dem erſten Schnitte.

Jene Maͤhereife des Graſes tritt aber nach der Jahreswitterung zu ſehr verſchie-
denen Zeiten ein. Ein warmes und feuchtes Fruͤhjahr fuͤhrt ſie um drei Wochen
fruͤher herbei, als ein kaltes und trocknes. Manchmal iſt das Obergras ſtark in die
Hoͤhe geſchoſſen, das Untergras aber noch ſo zuruͤck, daß es mit der Senſe kaum ge-
faßt werden kann, und hier koͤmmt es darauf an, welches am bedeutendſten ſey.
Zwar wuͤrde das Untergras, wenn es bis zur erſten Ernte zuruͤckgeblieben, um ſo
viel ſtaͤrker zur zweiten heranwachſen; indeſſen kann bei einer unguͤnſtigen duͤrren
Witterung auch das Gegentheil erfolgen, und es kann um ſo mehr zuruͤckbleiben,
wenn es an ſeinen Spitzen verletzt worden und ſeiner Decke beraubt iſt. Hat das Un-
tergras vom Froſte gelitten und iſt es an ſeinen Spitzen verletzt, ſo iſt es ihm beſſer,
wenn es gemaͤhet wird und dann friſche Blaͤtter treibt. Iſt das Untergras der Duͤrre
wegen zuruͤckgeblieben, und es tritt nun eine regnigte Witterung ein, ſo darf man
erwarten, daß es ſtaͤrker nachwachſen werde, wenn man es ſtehen laͤßt.

Die Witterung iſt uͤberhaupt bei der Heuernte ſehr bedeutend. So ſchwankend
bis jetzt unſere Witterungsanzeigen und die mehrentheils zu einſeitig abgeleiteten Re-
geln ſind, ſo pflegt doch in der Mehrheit der Faͤlle eine Veraͤnderung der Witterung
mit der Sonnenwende gegen den 21ſten Junius vorzugehen. War der Vorſommer
bis dahin trocken, ſo erfolgt nun mehrentheils eine Regenperiode, die zwei bis drei
Wochen anhaͤlt. War aber die Witterung fruͤher regnigt, oder iſt dieſe Regenperiode
zeitiger eingetreten und abgelaufen, und es klaͤrt ſich nun auf, ſo kann man eine guͤn-
ſtige Witterung erwarten. Deshalb ſind die, welche im erſtern Falle auf fruͤhen
warmen Wieſen geeilt haben, am beſten gefahren, wenn gleich das Untergras noch
nicht genugſam herangewachſen war, indem es nachher bei der feuchten Witterung
um ſo dichter hervortrieb. Kann man aber dieſer Regenperiode nicht zuvorkommen,
ſo muß man ſie abwarten, bis die Wahrſcheinlichkeit einer trockneren eintritt. Das

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[259/0281] Die Heuernte. Graͤſer groͤßtentheils ihre Rispen entwickelt haben und in Bluͤte zu treten anfangen. Denn fruͤher wuͤrde man an der Quantitaͤt, ſpaͤter aber an der Qualitaͤt des Heues verlieren, und es iſt allerdings Ruͤckſicht darauf zu nehmen, auf welche von beiden es mehr ankommt, je nachdem man das Heu ſelbſt benutzen oder verkaufen will. Auch hat das fruͤhere Maͤhen des jungen Graſes bei zwei- und dreiſchnittigen Wieſen wieder den Vortheil, daß die zweite Ernte um ſo viel fruͤher komme, und um ſo ergiebiger ſey, und wo man beſonders auf Nachheu rechnet, eilt man mit dem erſten Schnitte. Jene Maͤhereife des Graſes tritt aber nach der Jahreswitterung zu ſehr verſchie- denen Zeiten ein. Ein warmes und feuchtes Fruͤhjahr fuͤhrt ſie um drei Wochen fruͤher herbei, als ein kaltes und trocknes. Manchmal iſt das Obergras ſtark in die Hoͤhe geſchoſſen, das Untergras aber noch ſo zuruͤck, daß es mit der Senſe kaum ge- faßt werden kann, und hier koͤmmt es darauf an, welches am bedeutendſten ſey. Zwar wuͤrde das Untergras, wenn es bis zur erſten Ernte zuruͤckgeblieben, um ſo viel ſtaͤrker zur zweiten heranwachſen; indeſſen kann bei einer unguͤnſtigen duͤrren Witterung auch das Gegentheil erfolgen, und es kann um ſo mehr zuruͤckbleiben, wenn es an ſeinen Spitzen verletzt worden und ſeiner Decke beraubt iſt. Hat das Un- tergras vom Froſte gelitten und iſt es an ſeinen Spitzen verletzt, ſo iſt es ihm beſſer, wenn es gemaͤhet wird und dann friſche Blaͤtter treibt. Iſt das Untergras der Duͤrre wegen zuruͤckgeblieben, und es tritt nun eine regnigte Witterung ein, ſo darf man erwarten, daß es ſtaͤrker nachwachſen werde, wenn man es ſtehen laͤßt. Die Witterung iſt uͤberhaupt bei der Heuernte ſehr bedeutend. So ſchwankend bis jetzt unſere Witterungsanzeigen und die mehrentheils zu einſeitig abgeleiteten Re- geln ſind, ſo pflegt doch in der Mehrheit der Faͤlle eine Veraͤnderung der Witterung mit der Sonnenwende gegen den 21ſten Junius vorzugehen. War der Vorſommer bis dahin trocken, ſo erfolgt nun mehrentheils eine Regenperiode, die zwei bis drei Wochen anhaͤlt. War aber die Witterung fruͤher regnigt, oder iſt dieſe Regenperiode zeitiger eingetreten und abgelaufen, und es klaͤrt ſich nun auf, ſo kann man eine guͤn- ſtige Witterung erwarten. Deshalb ſind die, welche im erſtern Falle auf fruͤhen warmen Wieſen geeilt haben, am beſten gefahren, wenn gleich das Untergras noch nicht genugſam herangewachſen war, indem es nachher bei der feuchten Witterung um ſo dichter hervortrieb. Kann man aber dieſer Regenperiode nicht zuvorkommen, ſo muß man ſie abwarten, bis die Wahrſcheinlichkeit einer trockneren eintritt. Das K k 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/281>, abgerufen am 25.11.2024.