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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Der Wiesenbau.
dieser in keinem höheren Werthe wie jener stehen, oder doch von den Verständigen
nicht höher geschätzt werden. Wo aber der Acker zum sicheren Anbau der besseren
Futtergewächse nicht geeignet ist, da steigt der Werth des Heues und folglich der
Wiesen um so höher, je mehr man des Düngers für das Ackerland bedarf, und
je weniger das Stroh zureicht, diesen zu produziren. Daher findet man allge-
mein, daß in dürren und sandigen Gegenden die Wiesen sehr hoch geschätzt wer-
den, indem der Ertrag des Ackers lediglich von ihnen abhängt. Dagegen findet
man, wenn gleich selten, Gegenden, wo der Ueberfluß an Wiesen und an Heu,
welches dennoch keine entferntern Abnehmer hat, so groß ist, daß man sie darum
geringer wie das Ackerland schätzt.

Schwankend und von den Lokalitäten abhängend bleibt also immer der Werth
des Heues. Indessen kann man im allgemeinen Durchschnitt da, wo weder großer
Mangel und übergroße Nachfrage noch Ueberfluß an Heu ist, annehmen, daß
100 Pfund Heu 1/3 Berliner Scheffel Rocken am Werthe gleich sind, wenn dieses
Heu gut und nahrhaft ist; wogegen schlechteres Heu nur 1/4 Scheffel gleich zu setzen
ist. Wenn man also gewöhnlich einen Scheffel Rocken zu 1 Rthlr. annimmt, so
ist der Werth von 100 Pfund gutem Heu 8 Gr., von schlechtem 6 Gr. Zu die-
sem Preise wird man es nämlich zur thierischen Produktion -- vorausgesetzt, daß
man die nach der Lokalität vortheilhafteste wähle -- mehrentheils benutzen kön-
nen. Ich brauche nicht zu erinnern, daß dieser Geldpreis mit dem Geldpreise des
Getreides steige und falle.

Ist der Werth des Heues bestimmt, so ergiebt sich der Werth der Wiese aus
dem Heuertrage derselben nach Abzug der Werbungs- und Einführungskosten.

Diese Kosten lassen sich nicht allein nach der Masse des Heues, sondern nur
mit Rücksicht der Fläche, worauf es gewonnen wird, berechnen. Denn eine gut
bestandene Wiese kostet fast nicht mehr zu mähen, als eine schlecht bestandene von
gleicher Größe, und selbst die Bearbeitung des Heues macht einen geringen Unter-
schied. Nur das Laden, Einfahren und Tassen des Heues richtet sich mehr nach
der Masse desselben.

Diese Kosten sind ferner sehr verschieden nach der Entlegenheit der Wiesen
vom Wirthschaftshofe, und können bei sehr entfernten leicht verdoppelt werden ge-

Der Wieſenbau.
dieſer in keinem hoͤheren Werthe wie jener ſtehen, oder doch von den Verſtaͤndigen
nicht hoͤher geſchaͤtzt werden. Wo aber der Acker zum ſicheren Anbau der beſſeren
Futtergewaͤchſe nicht geeignet iſt, da ſteigt der Werth des Heues und folglich der
Wieſen um ſo hoͤher, je mehr man des Duͤngers fuͤr das Ackerland bedarf, und
je weniger das Stroh zureicht, dieſen zu produziren. Daher findet man allge-
mein, daß in duͤrren und ſandigen Gegenden die Wieſen ſehr hoch geſchaͤtzt wer-
den, indem der Ertrag des Ackers lediglich von ihnen abhaͤngt. Dagegen findet
man, wenn gleich ſelten, Gegenden, wo der Ueberfluß an Wieſen und an Heu,
welches dennoch keine entferntern Abnehmer hat, ſo groß iſt, daß man ſie darum
geringer wie das Ackerland ſchaͤtzt.

Schwankend und von den Lokalitaͤten abhaͤngend bleibt alſo immer der Werth
des Heues. Indeſſen kann man im allgemeinen Durchſchnitt da, wo weder großer
Mangel und uͤbergroße Nachfrage noch Ueberfluß an Heu iſt, annehmen, daß
100 Pfund Heu ⅓ Berliner Scheffel Rocken am Werthe gleich ſind, wenn dieſes
Heu gut und nahrhaft iſt; wogegen ſchlechteres Heu nur ¼ Scheffel gleich zu ſetzen
iſt. Wenn man alſo gewoͤhnlich einen Scheffel Rocken zu 1 Rthlr. annimmt, ſo
iſt der Werth von 100 Pfund gutem Heu 8 Gr., von ſchlechtem 6 Gr. Zu die-
ſem Preiſe wird man es naͤmlich zur thieriſchen Produktion — vorausgeſetzt, daß
man die nach der Lokalitaͤt vortheilhafteſte waͤhle — mehrentheils benutzen koͤn-
nen. Ich brauche nicht zu erinnern, daß dieſer Geldpreis mit dem Geldpreiſe des
Getreides ſteige und falle.

Iſt der Werth des Heues beſtimmt, ſo ergiebt ſich der Werth der Wieſe aus
dem Heuertrage derſelben nach Abzug der Werbungs- und Einfuͤhrungskoſten.

Dieſe Koſten laſſen ſich nicht allein nach der Maſſe des Heues, ſondern nur
mit Ruͤckſicht der Flaͤche, worauf es gewonnen wird, berechnen. Denn eine gut
beſtandene Wieſe koſtet faſt nicht mehr zu maͤhen, als eine ſchlecht beſtandene von
gleicher Groͤße, und ſelbſt die Bearbeitung des Heues macht einen geringen Unter-
ſchied. Nur das Laden, Einfahren und Taſſen des Heues richtet ſich mehr nach
der Maſſe deſſelben.

Dieſe Koſten ſind ferner ſehr verſchieden nach der Entlegenheit der Wieſen
vom Wirthſchaftshofe, und koͤnnen bei ſehr entfernten leicht verdoppelt werden ge-

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[238/0260] Der Wieſenbau. dieſer in keinem hoͤheren Werthe wie jener ſtehen, oder doch von den Verſtaͤndigen nicht hoͤher geſchaͤtzt werden. Wo aber der Acker zum ſicheren Anbau der beſſeren Futtergewaͤchſe nicht geeignet iſt, da ſteigt der Werth des Heues und folglich der Wieſen um ſo hoͤher, je mehr man des Duͤngers fuͤr das Ackerland bedarf, und je weniger das Stroh zureicht, dieſen zu produziren. Daher findet man allge- mein, daß in duͤrren und ſandigen Gegenden die Wieſen ſehr hoch geſchaͤtzt wer- den, indem der Ertrag des Ackers lediglich von ihnen abhaͤngt. Dagegen findet man, wenn gleich ſelten, Gegenden, wo der Ueberfluß an Wieſen und an Heu, welches dennoch keine entferntern Abnehmer hat, ſo groß iſt, daß man ſie darum geringer wie das Ackerland ſchaͤtzt. Schwankend und von den Lokalitaͤten abhaͤngend bleibt alſo immer der Werth des Heues. Indeſſen kann man im allgemeinen Durchſchnitt da, wo weder großer Mangel und uͤbergroße Nachfrage noch Ueberfluß an Heu iſt, annehmen, daß 100 Pfund Heu ⅓ Berliner Scheffel Rocken am Werthe gleich ſind, wenn dieſes Heu gut und nahrhaft iſt; wogegen ſchlechteres Heu nur ¼ Scheffel gleich zu ſetzen iſt. Wenn man alſo gewoͤhnlich einen Scheffel Rocken zu 1 Rthlr. annimmt, ſo iſt der Werth von 100 Pfund gutem Heu 8 Gr., von ſchlechtem 6 Gr. Zu die- ſem Preiſe wird man es naͤmlich zur thieriſchen Produktion — vorausgeſetzt, daß man die nach der Lokalitaͤt vortheilhafteſte waͤhle — mehrentheils benutzen koͤn- nen. Ich brauche nicht zu erinnern, daß dieſer Geldpreis mit dem Geldpreiſe des Getreides ſteige und falle. Iſt der Werth des Heues beſtimmt, ſo ergiebt ſich der Werth der Wieſe aus dem Heuertrage derſelben nach Abzug der Werbungs- und Einfuͤhrungskoſten. Dieſe Koſten laſſen ſich nicht allein nach der Maſſe des Heues, ſondern nur mit Ruͤckſicht der Flaͤche, worauf es gewonnen wird, berechnen. Denn eine gut beſtandene Wieſe koſtet faſt nicht mehr zu maͤhen, als eine ſchlecht beſtandene von gleicher Groͤße, und ſelbſt die Bearbeitung des Heues macht einen geringen Unter- ſchied. Nur das Laden, Einfahren und Taſſen des Heues richtet ſich mehr nach der Maſſe deſſelben. Dieſe Koſten ſind ferner ſehr verſchieden nach der Entlegenheit der Wieſen vom Wirthſchaftshofe, und koͤnnen bei ſehr entfernten leicht verdoppelt werden ge-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/260>, abgerufen am 22.11.2024.