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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Beackerung.
eingeführte Weise, wobei er sich dann freilich keine Vortheile vor seinen Nachba-
ren und seinen Vorfahren verschafft, aber auch nicht in Nachtheil gegen selbige zu
stehen kommt, womit er schon zufrieden ist. Denn wiche er von der eingeführten
Methode ab, ohne die Gründe dieser Abweichung richtig zu erkennen, so würde
er häufiger auf das Schlechtere, wie auf das Bessere verfallen. Der rationelle
Landwirth aber, der das Beste und möglich Vollkommenste zu erreichen strebt,
kann dabei mit vollkommener Sicherheit verfahren, wenn er die Zwecke und die
Wirkungen jeder Operation und Methode richtig kennt und die Ursachen zu erfor-
schen weiß, warum bald diese bald jene einen besseren Erfolg hatte und ha-
ben mußte.

§. 101.

Unterschei-
dung der ver-
schiedenen
Zwecke beim
Beackern.
Die Beackerung hat nämlich viele und verschiedene Zwecke, wovon der eine
auf diese, der andere auf jene Weise besser erreicht wird. Wir müssen diejenige
Wirkung, welche wir mit der Beackerung in jedem gegebenen Falle vorzüglich und
allein, oder in Verbindung mit mehreren andern zugleich erreichen wollen, uns
klar vorstellen, und dann danach diejenige Methode wählen, welche diesen oder
diese Zwecke mit dem möglich geringsten Aufwande erreicht. Die Zwecke und
Wirkungen der Beackerung sind hauptsächlich folgende:

§. 102.

Pulverung.1) Lockerung und Pulverung des Bodens. Jede Ackererde hat
die Neigung, sich zusammen zu ziehen und zu verballen, theils vermöge der Anzie-
hung ihrer homogenen Theile, theils vermöge des Drucks, welchen selbst die
Atmosphäre darauf äußert. Je thoniger der Boden ist, um so stärker ist die Bin-
dung und Verballung desselben. In einem solchen verhärteten Boden können aber
die Wurzeln der meisten unserer kultivirten Pflanzen nicht eindringen und nicht die
Nahrung herausziehen, welche in selbigem eingeschlossen ist. Der Boden muß
also mechanisch gelockert werden, und dieses muß, um die höchste Vegetation zu
bewirken und alle Nahrungstheile für die Pflanzen aufzuschließen, auf die voll-
kommenste Weise geschehen, so daß die sämmtliche Ackerkrume in Pulver zerfalle,
und keine verballte Erdklöße darin bleiben. Denn in diese dringen die Haarwur-
zeln nicht ein, sondern ziehen sich nur auf ihrer Oberfläche herum, und solche
Erdklöße geben ihnen folglich eben so wenig Nahrung, als ob Steine im Boden

Beackerung.
eingefuͤhrte Weiſe, wobei er ſich dann freilich keine Vortheile vor ſeinen Nachba-
ren und ſeinen Vorfahren verſchafft, aber auch nicht in Nachtheil gegen ſelbige zu
ſtehen kommt, womit er ſchon zufrieden iſt. Denn wiche er von der eingefuͤhrten
Methode ab, ohne die Gruͤnde dieſer Abweichung richtig zu erkennen, ſo wuͤrde
er haͤufiger auf das Schlechtere, wie auf das Beſſere verfallen. Der rationelle
Landwirth aber, der das Beſte und moͤglich Vollkommenſte zu erreichen ſtrebt,
kann dabei mit vollkommener Sicherheit verfahren, wenn er die Zwecke und die
Wirkungen jeder Operation und Methode richtig kennt und die Urſachen zu erfor-
ſchen weiß, warum bald dieſe bald jene einen beſſeren Erfolg hatte und ha-
ben mußte.

§. 101.

Unterſchei-
dung der ver-
ſchiedenen
Zwecke beim
Beackern.
Die Beackerung hat naͤmlich viele und verſchiedene Zwecke, wovon der eine
auf dieſe, der andere auf jene Weiſe beſſer erreicht wird. Wir muͤſſen diejenige
Wirkung, welche wir mit der Beackerung in jedem gegebenen Falle vorzuͤglich und
allein, oder in Verbindung mit mehreren andern zugleich erreichen wollen, uns
klar vorſtellen, und dann danach diejenige Methode waͤhlen, welche dieſen oder
dieſe Zwecke mit dem moͤglich geringſten Aufwande erreicht. Die Zwecke und
Wirkungen der Beackerung ſind hauptſaͤchlich folgende:

§. 102.

Pulverung.1) Lockerung und Pulverung des Bodens. Jede Ackererde hat
die Neigung, ſich zuſammen zu ziehen und zu verballen, theils vermoͤge der Anzie-
hung ihrer homogenen Theile, theils vermoͤge des Drucks, welchen ſelbſt die
Atmoſphaͤre darauf aͤußert. Je thoniger der Boden iſt, um ſo ſtaͤrker iſt die Bin-
dung und Verballung deſſelben. In einem ſolchen verhaͤrteten Boden koͤnnen aber
die Wurzeln der meiſten unſerer kultivirten Pflanzen nicht eindringen und nicht die
Nahrung herausziehen, welche in ſelbigem eingeſchloſſen iſt. Der Boden muß
alſo mechaniſch gelockert werden, und dieſes muß, um die hoͤchſte Vegetation zu
bewirken und alle Nahrungstheile fuͤr die Pflanzen aufzuſchließen, auf die voll-
kommenſte Weiſe geſchehen, ſo daß die ſaͤmmtliche Ackerkrume in Pulver zerfalle,
und keine verballte Erdkloͤße darin bleiben. Denn in dieſe dringen die Haarwur-
zeln nicht ein, ſondern ziehen ſich nur auf ihrer Oberflaͤche herum, und ſolche
Erdkloͤße geben ihnen folglich eben ſo wenig Nahrung, als ob Steine im Boden

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[4/0026] Beackerung. eingefuͤhrte Weiſe, wobei er ſich dann freilich keine Vortheile vor ſeinen Nachba- ren und ſeinen Vorfahren verſchafft, aber auch nicht in Nachtheil gegen ſelbige zu ſtehen kommt, womit er ſchon zufrieden iſt. Denn wiche er von der eingefuͤhrten Methode ab, ohne die Gruͤnde dieſer Abweichung richtig zu erkennen, ſo wuͤrde er haͤufiger auf das Schlechtere, wie auf das Beſſere verfallen. Der rationelle Landwirth aber, der das Beſte und moͤglich Vollkommenſte zu erreichen ſtrebt, kann dabei mit vollkommener Sicherheit verfahren, wenn er die Zwecke und die Wirkungen jeder Operation und Methode richtig kennt und die Urſachen zu erfor- ſchen weiß, warum bald dieſe bald jene einen beſſeren Erfolg hatte und ha- ben mußte. §. 101. Die Beackerung hat naͤmlich viele und verſchiedene Zwecke, wovon der eine auf dieſe, der andere auf jene Weiſe beſſer erreicht wird. Wir muͤſſen diejenige Wirkung, welche wir mit der Beackerung in jedem gegebenen Falle vorzuͤglich und allein, oder in Verbindung mit mehreren andern zugleich erreichen wollen, uns klar vorſtellen, und dann danach diejenige Methode waͤhlen, welche dieſen oder dieſe Zwecke mit dem moͤglich geringſten Aufwande erreicht. Die Zwecke und Wirkungen der Beackerung ſind hauptſaͤchlich folgende: Unterſchei- dung der ver- ſchiedenen Zwecke beim Beackern. §. 102. 1) Lockerung und Pulverung des Bodens. Jede Ackererde hat die Neigung, ſich zuſammen zu ziehen und zu verballen, theils vermoͤge der Anzie- hung ihrer homogenen Theile, theils vermoͤge des Drucks, welchen ſelbſt die Atmoſphaͤre darauf aͤußert. Je thoniger der Boden iſt, um ſo ſtaͤrker iſt die Bin- dung und Verballung deſſelben. In einem ſolchen verhaͤrteten Boden koͤnnen aber die Wurzeln der meiſten unſerer kultivirten Pflanzen nicht eindringen und nicht die Nahrung herausziehen, welche in ſelbigem eingeſchloſſen iſt. Der Boden muß alſo mechaniſch gelockert werden, und dieſes muß, um die hoͤchſte Vegetation zu bewirken und alle Nahrungstheile fuͤr die Pflanzen aufzuſchließen, auf die voll- kommenſte Weiſe geſchehen, ſo daß die ſaͤmmtliche Ackerkrume in Pulver zerfalle, und keine verballte Erdkloͤße darin bleiben. Denn in dieſe dringen die Haarwur- zeln nicht ein, ſondern ziehen ſich nur auf ihrer Oberflaͤche herum, und ſolche Erdkloͤße geben ihnen folglich eben ſo wenig Nahrung, als ob Steine im Boden Pulverung.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/26>, abgerufen am 29.03.2024.