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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Das Kapital.
senschaft mehr verbreitet, indem dadurch eine richtigere Schätzung der wahren
Talente bewirkt, und durch festere Bestimmung der bisherigen schwankenden Meinun-
gen den Mißverständnissen vorgebeugt wird, die sich jetzt so häufig zwischen dem
Eigenthümer und dem Vorsteher der Wirthschaft ereignen.

Das Landgut und dessen Besitznehmung.
§. 58.

Wer mit den erforderlichen Neigungen, Talenten und Kenntnissen und mit dem
nöthigen Kapitale zum Betriebe des landwirthschaftlichen Gewerbes ausgestattet ist,
der muß sich nun drittens in den Besitz eines Landguts setzen durch Kauf, Pacht
oder Erbpacht, wenn er nicht etwa auf irgend eine andere Weise bereits Eigenthü-
mer eines solchen ist.

Wir sehen keinesweges, wie manche andere, den Besitz eines Landguts als das
erste und nothwendigste Erforderniß zur Ergreifung des landwirthschaftlichen Ge-
werbes an; indem man, vermöge der beiden erstern Bedingungen, immer im
Stande seyn wird, ein Landgut zu erwerben, und zwar in den meisten Fällen ein
zweckmäßigeres und den Fähigkeiten des Subjekts sowohl und dessen Vermögen an-
gemeßneres, als ein schon besessenes zu seyn pflegt. Auch halten wir keinesweges,
mit andern, den Besitz eines ererbten Landguts für einen vollgültigen Beruf oder
Motiv, sich der Landwirthschaft zu widmen, oder möchten es den Erben eines Land-
guts zur Pflicht machen, dieses zu thun. Wir glauben vielmehr, daß derjenige,
welcher keinen innern Beruf zur Landwirthschaft fühlt, für sich selbst und für das
allgemeine Beste räthlicher handele, wenn er sich aus seinem Landgute auf irgend
eine Weise eine gehörige Rente zu sichern sucht, solches aber einem andern zu be-
wirthschaften überläßt. Jene Meinung über die Pflicht des Gutsbesitzers, sein Gut
selbst zu bewirthschaften, konnte sich nur auf einen gewissen strengern Begriff vom
Lehnssysteme gründen, der gegenwärtig fast in keinem Staate Europa's mehr Statt
findet, und vom merkantilischen Geiste der Zeit verdrängt ist.

Vereinigt Jemand mit den übrigen Qualitäten den Besitz eines ererbten Land-
guts, und ist dieses seinen Verhältnissen angemessen und nicht zu heterogen mit der
Idee, die er sich vom Betriebe der Landwirthschaft gemacht hat; so kann dieses
allerdings ein starkes mitwirkendes Motiv seyn, die Sache sehr erleichtern, und ihr
durch die Liebe zum väterlichen Grund und Boden und durch manche Nebenumstände

Das Kapital.
ſenſchaft mehr verbreitet, indem dadurch eine richtigere Schaͤtzung der wahren
Talente bewirkt, und durch feſtere Beſtimmung der bisherigen ſchwankenden Meinun-
gen den Mißverſtaͤndniſſen vorgebeugt wird, die ſich jetzt ſo haͤufig zwiſchen dem
Eigenthuͤmer und dem Vorſteher der Wirthſchaft ereignen.

Das Landgut und deſſen Beſitznehmung.
§. 58.

Wer mit den erforderlichen Neigungen, Talenten und Kenntniſſen und mit dem
noͤthigen Kapitale zum Betriebe des landwirthſchaftlichen Gewerbes ausgeſtattet iſt,
der muß ſich nun drittens in den Beſitz eines Landguts ſetzen durch Kauf, Pacht
oder Erbpacht, wenn er nicht etwa auf irgend eine andere Weiſe bereits Eigenthuͤ-
mer eines ſolchen iſt.

Wir ſehen keinesweges, wie manche andere, den Beſitz eines Landguts als das
erſte und nothwendigſte Erforderniß zur Ergreifung des landwirthſchaftlichen Ge-
werbes an; indem man, vermoͤge der beiden erſtern Bedingungen, immer im
Stande ſeyn wird, ein Landgut zu erwerben, und zwar in den meiſten Faͤllen ein
zweckmaͤßigeres und den Faͤhigkeiten des Subjekts ſowohl und deſſen Vermoͤgen an-
gemeßneres, als ein ſchon beſeſſenes zu ſeyn pflegt. Auch halten wir keinesweges,
mit andern, den Beſitz eines ererbten Landguts fuͤr einen vollguͤltigen Beruf oder
Motiv, ſich der Landwirthſchaft zu widmen, oder moͤchten es den Erben eines Land-
guts zur Pflicht machen, dieſes zu thun. Wir glauben vielmehr, daß derjenige,
welcher keinen innern Beruf zur Landwirthſchaft fuͤhlt, fuͤr ſich ſelbſt und fuͤr das
allgemeine Beſte raͤthlicher handele, wenn er ſich aus ſeinem Landgute auf irgend
eine Weiſe eine gehoͤrige Rente zu ſichern ſucht, ſolches aber einem andern zu be-
wirthſchaften uͤberlaͤßt. Jene Meinung uͤber die Pflicht des Gutsbeſitzers, ſein Gut
ſelbſt zu bewirthſchaften, konnte ſich nur auf einen gewiſſen ſtrengern Begriff vom
Lehnsſyſteme gruͤnden, der gegenwaͤrtig faſt in keinem Staate Europa’s mehr Statt
findet, und vom merkantiliſchen Geiſte der Zeit verdraͤngt iſt.

Vereinigt Jemand mit den uͤbrigen Qualitaͤten den Beſitz eines ererbten Land-
guts, und iſt dieſes ſeinen Verhaͤltniſſen angemeſſen und nicht zu heterogen mit der
Idee, die er ſich vom Betriebe der Landwirthſchaft gemacht hat; ſo kann dieſes
allerdings ein ſtarkes mitwirkendes Motiv ſeyn, die Sache ſehr erleichtern, und ihr
durch die Liebe zum vaͤterlichen Grund und Boden und durch manche Nebenumſtaͤnde

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[31/0061] Das Kapital. ſenſchaft mehr verbreitet, indem dadurch eine richtigere Schaͤtzung der wahren Talente bewirkt, und durch feſtere Beſtimmung der bisherigen ſchwankenden Meinun- gen den Mißverſtaͤndniſſen vorgebeugt wird, die ſich jetzt ſo haͤufig zwiſchen dem Eigenthuͤmer und dem Vorſteher der Wirthſchaft ereignen. Das Landgut und deſſen Beſitznehmung. §. 58. Wer mit den erforderlichen Neigungen, Talenten und Kenntniſſen und mit dem noͤthigen Kapitale zum Betriebe des landwirthſchaftlichen Gewerbes ausgeſtattet iſt, der muß ſich nun drittens in den Beſitz eines Landguts ſetzen durch Kauf, Pacht oder Erbpacht, wenn er nicht etwa auf irgend eine andere Weiſe bereits Eigenthuͤ- mer eines ſolchen iſt. Wir ſehen keinesweges, wie manche andere, den Beſitz eines Landguts als das erſte und nothwendigſte Erforderniß zur Ergreifung des landwirthſchaftlichen Ge- werbes an; indem man, vermoͤge der beiden erſtern Bedingungen, immer im Stande ſeyn wird, ein Landgut zu erwerben, und zwar in den meiſten Faͤllen ein zweckmaͤßigeres und den Faͤhigkeiten des Subjekts ſowohl und deſſen Vermoͤgen an- gemeßneres, als ein ſchon beſeſſenes zu ſeyn pflegt. Auch halten wir keinesweges, mit andern, den Beſitz eines ererbten Landguts fuͤr einen vollguͤltigen Beruf oder Motiv, ſich der Landwirthſchaft zu widmen, oder moͤchten es den Erben eines Land- guts zur Pflicht machen, dieſes zu thun. Wir glauben vielmehr, daß derjenige, welcher keinen innern Beruf zur Landwirthſchaft fuͤhlt, fuͤr ſich ſelbſt und fuͤr das allgemeine Beſte raͤthlicher handele, wenn er ſich aus ſeinem Landgute auf irgend eine Weiſe eine gehoͤrige Rente zu ſichern ſucht, ſolches aber einem andern zu be- wirthſchaften uͤberlaͤßt. Jene Meinung uͤber die Pflicht des Gutsbeſitzers, ſein Gut ſelbſt zu bewirthſchaften, konnte ſich nur auf einen gewiſſen ſtrengern Begriff vom Lehnsſyſteme gruͤnden, der gegenwaͤrtig faſt in keinem Staate Europa’s mehr Statt findet, und vom merkantiliſchen Geiſte der Zeit verdraͤngt iſt. Vereinigt Jemand mit den uͤbrigen Qualitaͤten den Beſitz eines ererbten Land- guts, und iſt dieſes ſeinen Verhaͤltniſſen angemeſſen und nicht zu heterogen mit der Idee, die er ſich vom Betriebe der Landwirthſchaft gemacht hat; ſo kann dieſes allerdings ein ſtarkes mitwirkendes Motiv ſeyn, die Sache ſehr erleichtern, und ihr durch die Liebe zum vaͤterlichen Grund und Boden und durch manche Nebenumſtaͤnde

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/61>, abgerufen am 28.03.2024.