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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Direktion der Wirthschaft.
oder was man ihnen sonst für Titel giebt, geschehen müsse. Man wird daher oft
gebeten, einen jungen Menschen von höherer Erziehung in die Wirthschaft aufzu-
nehmen, und manche glauben ihn nützlich gebrauchen zu können. Ein solcher jun-
ger Mensch wird dann erst als Lehrling einem Schreiber beigesellet, und von die-
sem zur Aufsicht über eine Zahl von Arbeitern bei irgend einem Geschäfte, von
dem er den Grund nicht einsieht, hingestellt, um zuzukucken, weshalb ihn dann
die Schreiber mit dem Titel eines Kuckucks zu beehren pflegen. Er vertritt da
höchstens die Stelle einer Vogelscheuche, wodurch natürlicherweise nur Langeweile
und Unlust bei ihm erregt werden kann. Nachdem er eine Zeitlang so gestanden
hat, und er mit der Lokalität etwas bekannt geworden ist, überträgt man ihm
diese und jene Ausführung, die er bisher zwar angesehn, aber aus Unbekannt-
schaft mit den Gründen dennoch kaum beobachtet hat. Nachdem er einige Lehr-
jahre hindurch hierbei immer mehr abgestumpft, und der Sache recht müde gewor-
den, von den übrigen Verwaltern und Schreibern, je nachdem er mehr oder min-
der zuzusetzen hat, tüchtig gehudelt oder in dem burschikosen Ton -- der bei die-
sen Menschen ein Mittelding zwischen Handwerksgesellen- und Studentenweise
ist -- initiirt worden, auch ein gutes deutsches Solo oder L'Hombre spielen ge-
lernt hat, tritt er nun selbst als Verwalter in Kondition, und nennt sich einen
Oekonomen. Er schafft sich einige Bücher an, die ihm der Zufall aus der Ver-
lassenschaft eines Kollegen, oder ein Buchhändler, oder ein Antiquar in der
Stadt aufheftet, und hält dabei in Kompagnie die landwirthschaftliche Zeitung.
Er merkt doch nun, daß es gut sey, etwas zu wissen, und es entsteht ein gewalti-
ger Durst nach Rezepten bei ihm. Das Ganze, meint er, könne nun einmal
nicht besser in der Wirthschaft seyn, wie er es gelernt hat, aber so in einzelnen
Stücken könnten die Gelehrten mit ihren Arcanis wohl etwas ausrichten. Auf die
Weise wird der gewöhnliche Schlag von sogenannten Oekonomen gebildet, die dem
ganzen Stande die Verächtlichkeit und das Mißtrauen zugezogen haben, welche
man für sie heget, und die nur immer größer wird, je mehrere Prätensionen un-
gebildete Leute dieser Art machen, und je mehr sie sich in gewissen äußern For-
men den wohlerzogenen Ständen nähern wollen. Es hält schwer, daß die-
jenigen, welche sich durch eigene Energie daraus emporgehoben haben, sich
von der Makel völlig befreien.


Direktion der Wirthſchaft.
oder was man ihnen ſonſt fuͤr Titel giebt, geſchehen muͤſſe. Man wird daher oft
gebeten, einen jungen Menſchen von hoͤherer Erziehung in die Wirthſchaft aufzu-
nehmen, und manche glauben ihn nuͤtzlich gebrauchen zu koͤnnen. Ein ſolcher jun-
ger Menſch wird dann erſt als Lehrling einem Schreiber beigeſellet, und von die-
ſem zur Aufſicht uͤber eine Zahl von Arbeitern bei irgend einem Geſchaͤfte, von
dem er den Grund nicht einſieht, hingeſtellt, um zuzukucken, weshalb ihn dann
die Schreiber mit dem Titel eines Kuckucks zu beehren pflegen. Er vertritt da
hoͤchſtens die Stelle einer Vogelſcheuche, wodurch natuͤrlicherweiſe nur Langeweile
und Unluſt bei ihm erregt werden kann. Nachdem er eine Zeitlang ſo geſtanden
hat, und er mit der Lokalitaͤt etwas bekannt geworden iſt, uͤbertraͤgt man ihm
dieſe und jene Ausfuͤhrung, die er bisher zwar angeſehn, aber aus Unbekannt-
ſchaft mit den Gruͤnden dennoch kaum beobachtet hat. Nachdem er einige Lehr-
jahre hindurch hierbei immer mehr abgeſtumpft, und der Sache recht muͤde gewor-
den, von den uͤbrigen Verwaltern und Schreibern, je nachdem er mehr oder min-
der zuzuſetzen hat, tuͤchtig gehudelt oder in dem burſchikoſen Ton — der bei die-
ſen Menſchen ein Mittelding zwiſchen Handwerksgeſellen- und Studentenweiſe
iſt — initiirt worden, auch ein gutes deutſches Solo oder L’Hombre ſpielen ge-
lernt hat, tritt er nun ſelbſt als Verwalter in Kondition, und nennt ſich einen
Oekonomen. Er ſchafft ſich einige Buͤcher an, die ihm der Zufall aus der Ver-
laſſenſchaft eines Kollegen, oder ein Buchhaͤndler, oder ein Antiquar in der
Stadt aufheftet, und haͤlt dabei in Kompagnie die landwirthſchaftliche Zeitung.
Er merkt doch nun, daß es gut ſey, etwas zu wiſſen, und es entſteht ein gewalti-
ger Durſt nach Rezepten bei ihm. Das Ganze, meint er, koͤnne nun einmal
nicht beſſer in der Wirthſchaft ſeyn, wie er es gelernt hat, aber ſo in einzelnen
Stuͤcken koͤnnten die Gelehrten mit ihren Arcanis wohl etwas ausrichten. Auf die
Weiſe wird der gewoͤhnliche Schlag von ſogenannten Oekonomen gebildet, die dem
ganzen Stande die Veraͤchtlichkeit und das Mißtrauen zugezogen haben, welche
man fuͤr ſie heget, und die nur immer groͤßer wird, je mehrere Praͤtenſionen un-
gebildete Leute dieſer Art machen, und je mehr ſie ſich in gewiſſen aͤußern For-
men den wohlerzogenen Staͤnden naͤhern wollen. Es haͤlt ſchwer, daß die-
jenigen, welche ſich durch eigene Energie daraus emporgehoben haben, ſich
von der Makel voͤllig befreien.


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[191/0221] Direktion der Wirthſchaft. oder was man ihnen ſonſt fuͤr Titel giebt, geſchehen muͤſſe. Man wird daher oft gebeten, einen jungen Menſchen von hoͤherer Erziehung in die Wirthſchaft aufzu- nehmen, und manche glauben ihn nuͤtzlich gebrauchen zu koͤnnen. Ein ſolcher jun- ger Menſch wird dann erſt als Lehrling einem Schreiber beigeſellet, und von die- ſem zur Aufſicht uͤber eine Zahl von Arbeitern bei irgend einem Geſchaͤfte, von dem er den Grund nicht einſieht, hingeſtellt, um zuzukucken, weshalb ihn dann die Schreiber mit dem Titel eines Kuckucks zu beehren pflegen. Er vertritt da hoͤchſtens die Stelle einer Vogelſcheuche, wodurch natuͤrlicherweiſe nur Langeweile und Unluſt bei ihm erregt werden kann. Nachdem er eine Zeitlang ſo geſtanden hat, und er mit der Lokalitaͤt etwas bekannt geworden iſt, uͤbertraͤgt man ihm dieſe und jene Ausfuͤhrung, die er bisher zwar angeſehn, aber aus Unbekannt- ſchaft mit den Gruͤnden dennoch kaum beobachtet hat. Nachdem er einige Lehr- jahre hindurch hierbei immer mehr abgeſtumpft, und der Sache recht muͤde gewor- den, von den uͤbrigen Verwaltern und Schreibern, je nachdem er mehr oder min- der zuzuſetzen hat, tuͤchtig gehudelt oder in dem burſchikoſen Ton — der bei die- ſen Menſchen ein Mittelding zwiſchen Handwerksgeſellen- und Studentenweiſe iſt — initiirt worden, auch ein gutes deutſches Solo oder L’Hombre ſpielen ge- lernt hat, tritt er nun ſelbſt als Verwalter in Kondition, und nennt ſich einen Oekonomen. Er ſchafft ſich einige Buͤcher an, die ihm der Zufall aus der Ver- laſſenſchaft eines Kollegen, oder ein Buchhaͤndler, oder ein Antiquar in der Stadt aufheftet, und haͤlt dabei in Kompagnie die landwirthſchaftliche Zeitung. Er merkt doch nun, daß es gut ſey, etwas zu wiſſen, und es entſteht ein gewalti- ger Durſt nach Rezepten bei ihm. Das Ganze, meint er, koͤnne nun einmal nicht beſſer in der Wirthſchaft ſeyn, wie er es gelernt hat, aber ſo in einzelnen Stuͤcken koͤnnten die Gelehrten mit ihren Arcanis wohl etwas ausrichten. Auf die Weiſe wird der gewoͤhnliche Schlag von ſogenannten Oekonomen gebildet, die dem ganzen Stande die Veraͤchtlichkeit und das Mißtrauen zugezogen haben, welche man fuͤr ſie heget, und die nur immer groͤßer wird, je mehrere Praͤtenſionen un- gebildete Leute dieſer Art machen, und je mehr ſie ſich in gewiſſen aͤußern For- men den wohlerzogenen Staͤnden naͤhern wollen. Es haͤlt ſchwer, daß die- jenigen, welche ſich durch eigene Energie daraus emporgehoben haben, ſich von der Makel voͤllig befreien.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/221>, abgerufen am 28.03.2024.