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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Direktion der Wirthschaft.
Probe ausgehalten und sich fortdauernd gut betragen haben, wird man diejenige
Treue und Anhänglichkeit an die Herrschaft, die bei solchen Verwalterstellen so
nöthig und unter dem gewöhnlichen Schlage dieser Menschen so selten ist, am
sichersten antreffen. Diese Leute müssen soviel als möglich in ihren bäuerlichen
Sitten, Lebensart und Kleidung erhalten werden; und man muß ihnen daher die
Gelegenheit, mit andern aus der gewöhnlichen Unterverwalter- oder Schreiber-
Klasse umzugehen, abschneiden, und sie durch leicht begreifliche Gründe vor der
Thorheit und Lächerlichkeit, den höhern und gebildetern Ständen nachäffen zu
wollen, verwahren, ihnen selbst einen gewissen Stolz auf ihren Stand als Land-
mann einflößen, und die mehrere Achtung, deren sie im Bauernrocke genießen,
und die sie durch modische Kleidung nur verringern würden, vorstellen. Sie
müssen nicht auf den Gedanken verfallen, sich mit den höheren Ständen zu ver-
gleichen, sondern nur mit Personen ihres Standes. Sobald sie Aufseher abge-
sonderter Wirthschaften sind, ist es am besten, daß sie heirathen, und daß man
sie dabei zu einer vernünftigen Wahl vermöge, aber vor einer Verbindung mit
einer Kammerjungfer oder einer geputzten Stadtmamsell warne. Solche Leute
müssen dann so gesetzt werden, daß sie mit Behaglichkeit leben, und ihre Kinder,
deren Erziehung man sich selbst annehmen muß, gut aufbringen können.

Diese Weise, sich treue und in ihrem Wirkungskreise hinlänglich geschickte
Leute zu verschaffen, ist in der That so schwierig nicht, wie man glaubt. Wo
das Gesinde nicht, wie in einigen Gegenden, durchaus verdorben ist (wozu mei-
ner Bemerkung nach fast allgemein der Zwangdienst die Hauptveranlassung giebt),
wird man häufig solche Knechte antreffen, die sich in einem Jahre, fast in den Ne-
benstunden, zu Spezialverwaltern bilden lassen.

Aber auch Leute aus dem Bauerstande, die als Soldaten gedienet haben und
zum Unterofficier gelanget dann verabschiedet sind, passen sich oft vorzüglich zu
Verwaltern dieser Art.

Man darf aber nie zugeben, daß Leute dieser Art über die ihnen bezeichneten
Grenzen mit ihrer Willkühr hinausgehn, weil sie doch selten fähig sind, den ganzen
Zusammenhang und insbesondere den Einfluß auf die entferntere Zukunft zu über-
sehen und zu berechnen. Sie sind selten im Stande, in die Ferne voraus zu sehen,
denken immer nur auf den Gewinn oder die Ersparung im laufenden Wirthschafts-

Direktion der Wirthſchaft.
Probe ausgehalten und ſich fortdauernd gut betragen haben, wird man diejenige
Treue und Anhaͤnglichkeit an die Herrſchaft, die bei ſolchen Verwalterſtellen ſo
noͤthig und unter dem gewoͤhnlichen Schlage dieſer Menſchen ſo ſelten iſt, am
ſicherſten antreffen. Dieſe Leute muͤſſen ſoviel als moͤglich in ihren baͤuerlichen
Sitten, Lebensart und Kleidung erhalten werden; und man muß ihnen daher die
Gelegenheit, mit andern aus der gewoͤhnlichen Unterverwalter- oder Schreiber-
Klaſſe umzugehen, abſchneiden, und ſie durch leicht begreifliche Gruͤnde vor der
Thorheit und Laͤcherlichkeit, den hoͤhern und gebildetern Staͤnden nachaͤffen zu
wollen, verwahren, ihnen ſelbſt einen gewiſſen Stolz auf ihren Stand als Land-
mann einfloͤßen, und die mehrere Achtung, deren ſie im Bauernrocke genießen,
und die ſie durch modiſche Kleidung nur verringern wuͤrden, vorſtellen. Sie
muͤſſen nicht auf den Gedanken verfallen, ſich mit den hoͤheren Staͤnden zu ver-
gleichen, ſondern nur mit Perſonen ihres Standes. Sobald ſie Aufſeher abge-
ſonderter Wirthſchaften ſind, iſt es am beſten, daß ſie heirathen, und daß man
ſie dabei zu einer vernuͤnftigen Wahl vermoͤge, aber vor einer Verbindung mit
einer Kammerjungfer oder einer geputzten Stadtmamſell warne. Solche Leute
muͤſſen dann ſo geſetzt werden, daß ſie mit Behaglichkeit leben, und ihre Kinder,
deren Erziehung man ſich ſelbſt annehmen muß, gut aufbringen koͤnnen.

Dieſe Weiſe, ſich treue und in ihrem Wirkungskreiſe hinlaͤnglich geſchickte
Leute zu verſchaffen, iſt in der That ſo ſchwierig nicht, wie man glaubt. Wo
das Geſinde nicht, wie in einigen Gegenden, durchaus verdorben iſt (wozu mei-
ner Bemerkung nach faſt allgemein der Zwangdienſt die Hauptveranlaſſung giebt),
wird man haͤufig ſolche Knechte antreffen, die ſich in einem Jahre, faſt in den Ne-
benſtunden, zu Spezialverwaltern bilden laſſen.

Aber auch Leute aus dem Bauerſtande, die als Soldaten gedienet haben und
zum Unterofficier gelanget dann verabſchiedet ſind, paſſen ſich oft vorzuͤglich zu
Verwaltern dieſer Art.

Man darf aber nie zugeben, daß Leute dieſer Art uͤber die ihnen bezeichneten
Grenzen mit ihrer Willkuͤhr hinausgehn, weil ſie doch ſelten faͤhig ſind, den ganzen
Zuſammenhang und insbeſondere den Einfluß auf die entferntere Zukunft zu uͤber-
ſehen und zu berechnen. Sie ſind ſelten im Stande, in die Ferne voraus zu ſehen,
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[189/0219] Direktion der Wirthſchaft. Probe ausgehalten und ſich fortdauernd gut betragen haben, wird man diejenige Treue und Anhaͤnglichkeit an die Herrſchaft, die bei ſolchen Verwalterſtellen ſo noͤthig und unter dem gewoͤhnlichen Schlage dieſer Menſchen ſo ſelten iſt, am ſicherſten antreffen. Dieſe Leute muͤſſen ſoviel als moͤglich in ihren baͤuerlichen Sitten, Lebensart und Kleidung erhalten werden; und man muß ihnen daher die Gelegenheit, mit andern aus der gewoͤhnlichen Unterverwalter- oder Schreiber- Klaſſe umzugehen, abſchneiden, und ſie durch leicht begreifliche Gruͤnde vor der Thorheit und Laͤcherlichkeit, den hoͤhern und gebildetern Staͤnden nachaͤffen zu wollen, verwahren, ihnen ſelbſt einen gewiſſen Stolz auf ihren Stand als Land- mann einfloͤßen, und die mehrere Achtung, deren ſie im Bauernrocke genießen, und die ſie durch modiſche Kleidung nur verringern wuͤrden, vorſtellen. Sie muͤſſen nicht auf den Gedanken verfallen, ſich mit den hoͤheren Staͤnden zu ver- gleichen, ſondern nur mit Perſonen ihres Standes. Sobald ſie Aufſeher abge- ſonderter Wirthſchaften ſind, iſt es am beſten, daß ſie heirathen, und daß man ſie dabei zu einer vernuͤnftigen Wahl vermoͤge, aber vor einer Verbindung mit einer Kammerjungfer oder einer geputzten Stadtmamſell warne. Solche Leute muͤſſen dann ſo geſetzt werden, daß ſie mit Behaglichkeit leben, und ihre Kinder, deren Erziehung man ſich ſelbſt annehmen muß, gut aufbringen koͤnnen. Dieſe Weiſe, ſich treue und in ihrem Wirkungskreiſe hinlaͤnglich geſchickte Leute zu verſchaffen, iſt in der That ſo ſchwierig nicht, wie man glaubt. Wo das Geſinde nicht, wie in einigen Gegenden, durchaus verdorben iſt (wozu mei- ner Bemerkung nach faſt allgemein der Zwangdienſt die Hauptveranlaſſung giebt), wird man haͤufig ſolche Knechte antreffen, die ſich in einem Jahre, faſt in den Ne- benſtunden, zu Spezialverwaltern bilden laſſen. Aber auch Leute aus dem Bauerſtande, die als Soldaten gedienet haben und zum Unterofficier gelanget dann verabſchiedet ſind, paſſen ſich oft vorzuͤglich zu Verwaltern dieſer Art. Man darf aber nie zugeben, daß Leute dieſer Art uͤber die ihnen bezeichneten Grenzen mit ihrer Willkuͤhr hinausgehn, weil ſie doch ſelten faͤhig ſind, den ganzen Zuſammenhang und insbeſondere den Einfluß auf die entferntere Zukunft zu uͤber- ſehen und zu berechnen. Sie ſind ſelten im Stande, in die Ferne voraus zu ſehen, denken immer nur auf den Gewinn oder die Erſparung im laufenden Wirthſchafts-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/219>, abgerufen am 29.03.2024.