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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Direktion der Wirthschaft.
ist eine große Festigkeit des Charakters von beiden Seiten, zugleich mit einer
sehr humanen Nachsicht nöthig, wenn die Sache bestehen, in Ordnung bleiben,
und nicht in lauter Stückwerk zerfallen soll. Der Wirthschaftseigenthümer muß
sich verständiger Weise sagen, daß sein Wirthschaftsdirektor die Sache nicht
allein besser verstehe, sondern auch nach seinem besten Wissen ausführen wolle;
weil es sonst thöricht von ihm gewesen wäre, ihn gewählt zu haben, oder, wenn
er sich damals geirrt hätte, ihn beizubehalten. Aber er wird es doch oft nicht
lassen können, seine Vorstellungen, daß dieses oder jenes besser gemacht werden
könne, laut werden zu lassen. Dies ist eine Inkonsequenz, die man der mensch-
lichen Schwäche verzeihen muß. Man findet sie allenthalben, z. B. bei dem
Verhältnisse des Patienten zum Arzte. Jeder Patient weiß, daß sein Arzt seine
Krankheit und die Behandlung derselben besser verstehen müsse, wie er selbst,
weil er sonst der ärgste Thor wäre, ihn zum Arzt zu wählen und zu behalten;
aber dennoch können es die Menschen selten lassen, bei ihrer oder nahe verwand-
ter Personen Krankheit ihrem Arzte Vorschläge zu thun, wovon sie einen bessern
Erfolg hoffen, als von den genommenen Maaßregeln des Arztes. Es gehört hier
so viel Humanität als Festigkeit von Seiten des Arztes, wie des Wirthschafts-
direktors dazu, solche Vorschläge anzuhören, so viel nöthig und nützlich zu be-
antworten, aber sich nicht irre machen zu lassen in dem, was man nach eigener
Ueberzeugung für das Beste hält. Hat man es nun aber mit Menschen zu thun,
die von so größerm Eigendünkel besessen sind, als sie weniger Kenntnisse und
Ueberlegung haben, so wird man auf jeden Fall nur Undank einernten, und sie
werden sich und andern immer sagen, daß die Sache weit besser gegangen wäre,
wenn man ihre Vorschläge oder -- wie sie es in dem Verhältnisse eines Eigen-
thümers zum Wirthschaftsdirektor denn wohl nennen -- ihre Befehle befolgt
hätte. Ein rechtlicher, seiner Sache gewisser und auf sich selbst bauender Mann
wird solche Aeußerungen, wenn sie ihm selbst vorgetragen werden, kaltblütig
und bescheiden, jedoch mit Würde beantworten, und darum nicht minder thätig
und konsequent in seinem Geschäfte seyn. Werden sie ihm aber durch einen drit-
ten zugebracht, so wird er Gerede Gerede seyn lassen, und sich nicht darum be-
kümmern. Geht es aber bei diesem Verhältnisse so weit, daß der Eigenthümer
in die Führung der Geschäfte wirklich eingreift, ungeachtet er dem Administrator

das

Direktion der Wirthſchaft.
iſt eine große Feſtigkeit des Charakters von beiden Seiten, zugleich mit einer
ſehr humanen Nachſicht noͤthig, wenn die Sache beſtehen, in Ordnung bleiben,
und nicht in lauter Stuͤckwerk zerfallen ſoll. Der Wirthſchaftseigenthuͤmer muß
ſich verſtaͤndiger Weiſe ſagen, daß ſein Wirthſchaftsdirektor die Sache nicht
allein beſſer verſtehe, ſondern auch nach ſeinem beſten Wiſſen ausfuͤhren wolle;
weil es ſonſt thoͤricht von ihm geweſen waͤre, ihn gewaͤhlt zu haben, oder, wenn
er ſich damals geirrt haͤtte, ihn beizubehalten. Aber er wird es doch oft nicht
laſſen koͤnnen, ſeine Vorſtellungen, daß dieſes oder jenes beſſer gemacht werden
koͤnne, laut werden zu laſſen. Dies iſt eine Inkonſequenz, die man der menſch-
lichen Schwaͤche verzeihen muß. Man findet ſie allenthalben, z. B. bei dem
Verhaͤltniſſe des Patienten zum Arzte. Jeder Patient weiß, daß ſein Arzt ſeine
Krankheit und die Behandlung derſelben beſſer verſtehen muͤſſe, wie er ſelbſt,
weil er ſonſt der aͤrgſte Thor waͤre, ihn zum Arzt zu waͤhlen und zu behalten;
aber dennoch koͤnnen es die Menſchen ſelten laſſen, bei ihrer oder nahe verwand-
ter Perſonen Krankheit ihrem Arzte Vorſchlaͤge zu thun, wovon ſie einen beſſern
Erfolg hoffen, als von den genommenen Maaßregeln des Arztes. Es gehoͤrt hier
ſo viel Humanitaͤt als Feſtigkeit von Seiten des Arztes, wie des Wirthſchafts-
direktors dazu, ſolche Vorſchlaͤge anzuhoͤren, ſo viel noͤthig und nuͤtzlich zu be-
antworten, aber ſich nicht irre machen zu laſſen in dem, was man nach eigener
Ueberzeugung fuͤr das Beſte haͤlt. Hat man es nun aber mit Menſchen zu thun,
die von ſo groͤßerm Eigenduͤnkel beſeſſen ſind, als ſie weniger Kenntniſſe und
Ueberlegung haben, ſo wird man auf jeden Fall nur Undank einernten, und ſie
werden ſich und andern immer ſagen, daß die Sache weit beſſer gegangen waͤre,
wenn man ihre Vorſchlaͤge oder — wie ſie es in dem Verhaͤltniſſe eines Eigen-
thuͤmers zum Wirthſchaftsdirektor denn wohl nennen — ihre Befehle befolgt
haͤtte. Ein rechtlicher, ſeiner Sache gewiſſer und auf ſich ſelbſt bauender Mann
wird ſolche Aeußerungen, wenn ſie ihm ſelbſt vorgetragen werden, kaltbluͤtig
und beſcheiden, jedoch mit Wuͤrde beantworten, und darum nicht minder thaͤtig
und konſequent in ſeinem Geſchaͤfte ſeyn. Werden ſie ihm aber durch einen drit-
ten zugebracht, ſo wird er Gerede Gerede ſeyn laſſen, und ſich nicht darum be-
kuͤmmern. Geht es aber bei dieſem Verhaͤltniſſe ſo weit, daß der Eigenthuͤmer
in die Fuͤhrung der Geſchaͤfte wirklich eingreift, ungeachtet er dem Adminiſtrator

das
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[184/0214] Direktion der Wirthſchaft. iſt eine große Feſtigkeit des Charakters von beiden Seiten, zugleich mit einer ſehr humanen Nachſicht noͤthig, wenn die Sache beſtehen, in Ordnung bleiben, und nicht in lauter Stuͤckwerk zerfallen ſoll. Der Wirthſchaftseigenthuͤmer muß ſich verſtaͤndiger Weiſe ſagen, daß ſein Wirthſchaftsdirektor die Sache nicht allein beſſer verſtehe, ſondern auch nach ſeinem beſten Wiſſen ausfuͤhren wolle; weil es ſonſt thoͤricht von ihm geweſen waͤre, ihn gewaͤhlt zu haben, oder, wenn er ſich damals geirrt haͤtte, ihn beizubehalten. Aber er wird es doch oft nicht laſſen koͤnnen, ſeine Vorſtellungen, daß dieſes oder jenes beſſer gemacht werden koͤnne, laut werden zu laſſen. Dies iſt eine Inkonſequenz, die man der menſch- lichen Schwaͤche verzeihen muß. Man findet ſie allenthalben, z. B. bei dem Verhaͤltniſſe des Patienten zum Arzte. Jeder Patient weiß, daß ſein Arzt ſeine Krankheit und die Behandlung derſelben beſſer verſtehen muͤſſe, wie er ſelbſt, weil er ſonſt der aͤrgſte Thor waͤre, ihn zum Arzt zu waͤhlen und zu behalten; aber dennoch koͤnnen es die Menſchen ſelten laſſen, bei ihrer oder nahe verwand- ter Perſonen Krankheit ihrem Arzte Vorſchlaͤge zu thun, wovon ſie einen beſſern Erfolg hoffen, als von den genommenen Maaßregeln des Arztes. Es gehoͤrt hier ſo viel Humanitaͤt als Feſtigkeit von Seiten des Arztes, wie des Wirthſchafts- direktors dazu, ſolche Vorſchlaͤge anzuhoͤren, ſo viel noͤthig und nuͤtzlich zu be- antworten, aber ſich nicht irre machen zu laſſen in dem, was man nach eigener Ueberzeugung fuͤr das Beſte haͤlt. Hat man es nun aber mit Menſchen zu thun, die von ſo groͤßerm Eigenduͤnkel beſeſſen ſind, als ſie weniger Kenntniſſe und Ueberlegung haben, ſo wird man auf jeden Fall nur Undank einernten, und ſie werden ſich und andern immer ſagen, daß die Sache weit beſſer gegangen waͤre, wenn man ihre Vorſchlaͤge oder — wie ſie es in dem Verhaͤltniſſe eines Eigen- thuͤmers zum Wirthſchaftsdirektor denn wohl nennen — ihre Befehle befolgt haͤtte. Ein rechtlicher, ſeiner Sache gewiſſer und auf ſich ſelbſt bauender Mann wird ſolche Aeußerungen, wenn ſie ihm ſelbſt vorgetragen werden, kaltbluͤtig und beſcheiden, jedoch mit Wuͤrde beantworten, und darum nicht minder thaͤtig und konſequent in ſeinem Geſchaͤfte ſeyn. Werden ſie ihm aber durch einen drit- ten zugebracht, ſo wird er Gerede Gerede ſeyn laſſen, und ſich nicht darum be- kuͤmmern. Geht es aber bei dieſem Verhaͤltniſſe ſo weit, daß der Eigenthuͤmer in die Fuͤhrung der Geſchaͤfte wirklich eingreift, ungeachtet er dem Adminiſtrator das

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/214>, abgerufen am 16.04.2024.