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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Oekonomie. Bedeutung des Worts.
zose: economie rurale, der Engländer: rural economy, jedoch verstehen diese
nie die wirkliche Ausführung, den eigentlichen Akt des Ackerbaues, sondern nur die
Eintheilung und die Verhältnisse der Landwirthschaft darunter. Nur in denen Zeiten,
wo man in Deutschland die Würde jeder Lehre durch ein lateinisches oder griechisches
Wort zu heben glaubte, und sich deren besonders zu dem Ende auf Büchertiteln be-
diente, haben einige Schriftsteller nicht nur die Lehre vom Ackerbau, sondern auch
den Ackerbau selbst Oekonomie zu nennen angefangen, und das Wort ist von
manchen ausschließlich in diesem Sinne gebraucht worden. So hat Benekendorf
sein weitschweifiges Werk, oeconomia forensis betitelt, nach welchem Titel man
ein Werk über die Einrichtung der Rechtspflege und Gerichtshöfe erwarten sollte.
Darnach haben sich dann auch die, welche den Ackerbau etwas ausgedehnter und
kunstmäßiger zu betreiben vermeinen, Oekonomen genannt, und endlich nennt sich
jeder, der die Pflugtreiber zu treiben angestellt ist, also, obwohl er von den richtigen
Verhältnissen der Wirthschaft auch nicht den mindesten Begriff hat.

Allein das Wort ist noch in einem andern, ihm eben so fremden Sinne genom-
men worden. Weil es nämlich das Wesentliche einer guten Oekonomie ist, den
Zweck einer jeden Sache mit dem möglichst mindesten Aufwande zu erreichen; so hat
man die Sparsamkeit erst im Allgemeinen, dann die mit Gelde darunter verstanden,
und nennt sogar wohl den Geiz, wenn er auch seines Zweckes ganz verfehlt, Oekono-
mie, und deshalb denjenigen zuweilen einen guten Oekonomen, der nichts an seine
Wirthschaft wendet, sondern solche erschöpft.

Auch nannte man die Besorgung der Einnahmen und Ausgaben Oekonomie,
und den, dem dieses besonders von geistlichen Korporationen aufgetragen war, den
Oekonomen.

Wir gehen zu der lateinischen Bedeutung des Worts zurück, und verstehen un-
ter Oekonomie, in Bezug auf die Lehre von der Landwirthschaft, die Lehre von
den zweckmäßigsten Verhältnissen und von der Leitung und Anwendung derer Kräfte,
durch welche die Produktion hauptsächlich hervorgebracht wird, und daher handelt
dieses Hauptstück von der Anstellung, Erhaltung und Leitung der arbeitenden Kräfte;
von den Verhältnissen des Viehstandes, oder vielmehr der Futterung und der Dün-
gung zum Ackerbau; von denen darauf gegründeten Feldeintheilungen oder Wirth-
schaftsystemen in Rücksicht auf die nach jeder Lokalität möglich vollkommenste Errei-

Oekonomie. Bedeutung des Worts.
zoſe: économie rurale, der Englaͤnder: rural economy, jedoch verſtehen dieſe
nie die wirkliche Ausfuͤhrung, den eigentlichen Akt des Ackerbaues, ſondern nur die
Eintheilung und die Verhaͤltniſſe der Landwirthſchaft darunter. Nur in denen Zeiten,
wo man in Deutſchland die Wuͤrde jeder Lehre durch ein lateiniſches oder griechiſches
Wort zu heben glaubte, und ſich deren beſonders zu dem Ende auf Buͤchertiteln be-
diente, haben einige Schriftſteller nicht nur die Lehre vom Ackerbau, ſondern auch
den Ackerbau ſelbſt Oekonomie zu nennen angefangen, und das Wort iſt von
manchen ausſchließlich in dieſem Sinne gebraucht worden. So hat Benekendorf
ſein weitſchweifiges Werk, oeconomia forensis betitelt, nach welchem Titel man
ein Werk uͤber die Einrichtung der Rechtspflege und Gerichtshoͤfe erwarten ſollte.
Darnach haben ſich dann auch die, welche den Ackerbau etwas ausgedehnter und
kunſtmaͤßiger zu betreiben vermeinen, Oekonomen genannt, und endlich nennt ſich
jeder, der die Pflugtreiber zu treiben angeſtellt iſt, alſo, obwohl er von den richtigen
Verhaͤltniſſen der Wirthſchaft auch nicht den mindeſten Begriff hat.

Allein das Wort iſt noch in einem andern, ihm eben ſo fremden Sinne genom-
men worden. Weil es naͤmlich das Weſentliche einer guten Oekonomie iſt, den
Zweck einer jeden Sache mit dem moͤglichſt mindeſten Aufwande zu erreichen; ſo hat
man die Sparſamkeit erſt im Allgemeinen, dann die mit Gelde darunter verſtanden,
und nennt ſogar wohl den Geiz, wenn er auch ſeines Zweckes ganz verfehlt, Oekono-
mie, und deshalb denjenigen zuweilen einen guten Oekonomen, der nichts an ſeine
Wirthſchaft wendet, ſondern ſolche erſchoͤpft.

Auch nannte man die Beſorgung der Einnahmen und Ausgaben Oekonomie,
und den, dem dieſes beſonders von geiſtlichen Korporationen aufgetragen war, den
Oekonomen.

Wir gehen zu der lateiniſchen Bedeutung des Worts zuruͤck, und verſtehen un-
ter Oekonomie, in Bezug auf die Lehre von der Landwirthſchaft, die Lehre von
den zweckmaͤßigſten Verhaͤltniſſen und von der Leitung und Anwendung derer Kraͤfte,
durch welche die Produktion hauptſaͤchlich hervorgebracht wird, und daher handelt
dieſes Hauptſtuͤck von der Anſtellung, Erhaltung und Leitung der arbeitenden Kraͤfte;
von den Verhaͤltniſſen des Viehſtandes, oder vielmehr der Futterung und der Duͤn-
gung zum Ackerbau; von denen darauf gegruͤndeten Feldeintheilungen oder Wirth-
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[98/0128] Oekonomie. Bedeutung des Worts. zoſe: économie rurale, der Englaͤnder: rural economy, jedoch verſtehen dieſe nie die wirkliche Ausfuͤhrung, den eigentlichen Akt des Ackerbaues, ſondern nur die Eintheilung und die Verhaͤltniſſe der Landwirthſchaft darunter. Nur in denen Zeiten, wo man in Deutſchland die Wuͤrde jeder Lehre durch ein lateiniſches oder griechiſches Wort zu heben glaubte, und ſich deren beſonders zu dem Ende auf Buͤchertiteln be- diente, haben einige Schriftſteller nicht nur die Lehre vom Ackerbau, ſondern auch den Ackerbau ſelbſt Oekonomie zu nennen angefangen, und das Wort iſt von manchen ausſchließlich in dieſem Sinne gebraucht worden. So hat Benekendorf ſein weitſchweifiges Werk, oeconomia forensis betitelt, nach welchem Titel man ein Werk uͤber die Einrichtung der Rechtspflege und Gerichtshoͤfe erwarten ſollte. Darnach haben ſich dann auch die, welche den Ackerbau etwas ausgedehnter und kunſtmaͤßiger zu betreiben vermeinen, Oekonomen genannt, und endlich nennt ſich jeder, der die Pflugtreiber zu treiben angeſtellt iſt, alſo, obwohl er von den richtigen Verhaͤltniſſen der Wirthſchaft auch nicht den mindeſten Begriff hat. Allein das Wort iſt noch in einem andern, ihm eben ſo fremden Sinne genom- men worden. Weil es naͤmlich das Weſentliche einer guten Oekonomie iſt, den Zweck einer jeden Sache mit dem moͤglichſt mindeſten Aufwande zu erreichen; ſo hat man die Sparſamkeit erſt im Allgemeinen, dann die mit Gelde darunter verſtanden, und nennt ſogar wohl den Geiz, wenn er auch ſeines Zweckes ganz verfehlt, Oekono- mie, und deshalb denjenigen zuweilen einen guten Oekonomen, der nichts an ſeine Wirthſchaft wendet, ſondern ſolche erſchoͤpft. Auch nannte man die Beſorgung der Einnahmen und Ausgaben Oekonomie, und den, dem dieſes beſonders von geiſtlichen Korporationen aufgetragen war, den Oekonomen. Wir gehen zu der lateiniſchen Bedeutung des Worts zuruͤck, und verſtehen un- ter Oekonomie, in Bezug auf die Lehre von der Landwirthſchaft, die Lehre von den zweckmaͤßigſten Verhaͤltniſſen und von der Leitung und Anwendung derer Kraͤfte, durch welche die Produktion hauptſaͤchlich hervorgebracht wird, und daher handelt dieſes Hauptſtuͤck von der Anſtellung, Erhaltung und Leitung der arbeitenden Kraͤfte; von den Verhaͤltniſſen des Viehſtandes, oder vielmehr der Futterung und der Duͤn- gung zum Ackerbau; von denen darauf gegruͤndeten Feldeintheilungen oder Wirth- ſchaftſyſtemen in Ruͤckſicht auf die nach jeder Lokalitaͤt moͤglich vollkommenſte Errei-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/128>, abgerufen am 25.04.2024.