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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Das Wort Oekonomie ist in sehr mannigfaltigem und, zuletzt von den Deut-Bedeutung
des Worts.

schen, in sehr unrichtigem Sinne gebraucht worden. Seiner Etymologie und ur-
sprünglichen Bedeutung nach verstanden die Griechen die Einrichtung und Leitung des
Haus- und Familienwesens darunter, also freilich dasselbe, was wir Haushal-
tung
nennen. Xenophon in seinem Buche über die Oekonomie handelt darin von
den häuslichen Verhältnissen, den Pflichten der Hausgenossen gegen einander, sagt
aber nur beiläufig etwas vom Feldbaue, in sofern er auf den Hausstand Bezug hat.
Er und andere Griechen gebrauchten dieses Wort sonst nie vom Ackerbau, sondern
bedienten sich der Wörter Georgia oder Geoponia von demselben. Die Rö-
mer nahmen jenes Wort in einer weitläuftigern und sehr verschiedenen Bedeutung.
Sie verstanden nämlich darunter die Wahrnehmung der richtigsten Verhältnisse zur
Erreichung des Zwecks einer jeden Sache, die Disposition, den Plan, die Einthei-
lung eines jeden Werkes. Cicero sagt: oeconomia causae, oeconomia oratio-
nis,
und versteht darunter die Leitung einer Rechtssache, die Disposition einer Rede,
in welchem Verstande es denn auch wieder einige neue deutsche Schriftsteller genom-
men haben, die von der Oekonomie eines Schauspiels, eines Gedichtes reden. In
jenem Sinne der Römer ist das Wort auch von den Schriftstellern aller andern Natio-
nen genommen worden, und sie verstehen darunter bloß das Verhältniß der einzelnen
Theile unter sich und zum Ganzen, dasselbe, was wir auch Organisation zu nennen
pflegen, und das Wort erhält nur durch seinen Bezug auf einen andern Gegenstand
einen realen Sinn. So spricht man von der Oekonomie der Natur, des thierischen
Körpers, des Staats, und allerdings auch eines Gewerbes; wo aber dieses genannt
werden muß, wenn es sich nicht aus dem Zusammenhange von selbst versteht. Wenn
die landwirthschaftliche Einrichtung darunter verstanden werden soll, so sagt der Fran-

Erster Theil. N

Das Wort Oekonomie iſt in ſehr mannigfaltigem und, zuletzt von den Deut-Bedeutung
des Worts.

ſchen, in ſehr unrichtigem Sinne gebraucht worden. Seiner Etymologie und ur-
ſpruͤnglichen Bedeutung nach verſtanden die Griechen die Einrichtung und Leitung des
Haus- und Familienweſens darunter, alſo freilich daſſelbe, was wir Haushal-
tung
nennen. Xenophon in ſeinem Buche uͤber die Oekonomie handelt darin von
den haͤuslichen Verhaͤltniſſen, den Pflichten der Hausgenoſſen gegen einander, ſagt
aber nur beilaͤufig etwas vom Feldbaue, in ſofern er auf den Hausſtand Bezug hat.
Er und andere Griechen gebrauchten dieſes Wort ſonſt nie vom Ackerbau, ſondern
bedienten ſich der Woͤrter Georgia oder Geoponia von demſelben. Die Roͤ-
mer nahmen jenes Wort in einer weitlaͤuftigern und ſehr verſchiedenen Bedeutung.
Sie verſtanden naͤmlich darunter die Wahrnehmung der richtigſten Verhaͤltniſſe zur
Erreichung des Zwecks einer jeden Sache, die Dispoſition, den Plan, die Einthei-
lung eines jeden Werkes. Cicero ſagt: oeconomia causae, oeconomia oratio-
nis,
und verſteht darunter die Leitung einer Rechtsſache, die Dispoſition einer Rede,
in welchem Verſtande es denn auch wieder einige neue deutſche Schriftſteller genom-
men haben, die von der Oekonomie eines Schauſpiels, eines Gedichtes reden. In
jenem Sinne der Roͤmer iſt das Wort auch von den Schriftſtellern aller andern Natio-
nen genommen worden, und ſie verſtehen darunter bloß das Verhaͤltniß der einzelnen
Theile unter ſich und zum Ganzen, daſſelbe, was wir auch Organiſation zu nennen
pflegen, und das Wort erhaͤlt nur durch ſeinen Bezug auf einen andern Gegenſtand
einen realen Sinn. So ſpricht man von der Oekonomie der Natur, des thieriſchen
Koͤrpers, des Staats, und allerdings auch eines Gewerbes; wo aber dieſes genannt
werden muß, wenn es ſich nicht aus dem Zuſammenhange von ſelbſt verſteht. Wenn
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[[97]/0127] Das Wort Oekonomie iſt in ſehr mannigfaltigem und, zuletzt von den Deut- ſchen, in ſehr unrichtigem Sinne gebraucht worden. Seiner Etymologie und ur- ſpruͤnglichen Bedeutung nach verſtanden die Griechen die Einrichtung und Leitung des Haus- und Familienweſens darunter, alſo freilich daſſelbe, was wir Haushal- tung nennen. Xenophon in ſeinem Buche uͤber die Oekonomie handelt darin von den haͤuslichen Verhaͤltniſſen, den Pflichten der Hausgenoſſen gegen einander, ſagt aber nur beilaͤufig etwas vom Feldbaue, in ſofern er auf den Hausſtand Bezug hat. Er und andere Griechen gebrauchten dieſes Wort ſonſt nie vom Ackerbau, ſondern bedienten ſich der Woͤrter Georgia oder Geoponia von demſelben. Die Roͤ- mer nahmen jenes Wort in einer weitlaͤuftigern und ſehr verſchiedenen Bedeutung. Sie verſtanden naͤmlich darunter die Wahrnehmung der richtigſten Verhaͤltniſſe zur Erreichung des Zwecks einer jeden Sache, die Dispoſition, den Plan, die Einthei- lung eines jeden Werkes. Cicero ſagt: oeconomia causae, oeconomia oratio- nis, und verſteht darunter die Leitung einer Rechtsſache, die Dispoſition einer Rede, in welchem Verſtande es denn auch wieder einige neue deutſche Schriftſteller genom- men haben, die von der Oekonomie eines Schauſpiels, eines Gedichtes reden. In jenem Sinne der Roͤmer iſt das Wort auch von den Schriftſtellern aller andern Natio- nen genommen worden, und ſie verſtehen darunter bloß das Verhaͤltniß der einzelnen Theile unter ſich und zum Ganzen, daſſelbe, was wir auch Organiſation zu nennen pflegen, und das Wort erhaͤlt nur durch ſeinen Bezug auf einen andern Gegenſtand einen realen Sinn. So ſpricht man von der Oekonomie der Natur, des thieriſchen Koͤrpers, des Staats, und allerdings auch eines Gewerbes; wo aber dieſes genannt werden muß, wenn es ſich nicht aus dem Zuſammenhange von ſelbſt verſteht. Wenn die landwirthſchaftliche Einrichtung darunter verſtanden werden ſoll, ſo ſagt der Fran- Bedeutung des Worts. Erſter Theil. N

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. [97]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/127>, abgerufen am 20.04.2024.