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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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führt zu dem Schluß, daß unter den Völkern ausgedehnte Wande-
rungen in vorkolumbischer Zeit stattgefunden haben.

Eine ausgedehnte und ziemlich einheitliche Kulturgemeinschaft
bilden die Präriestämme Nordamerikas, zu denen die Sioux gehören.
Sie stellen den Hauptanteil dieser Kulturgemeinschaft, sind über-
haupt der Zahl nach einer der wichtigsten Indianerstämme. Sie
heißen auch Dakota und zerfallen wieder in mehrere einzelne
Stämme. (Die sieben Ratsfeuer.) Der Name Sioux stammt von
französischen Kaufleuten des 17. Jahrhunderts her und ist eine
Abkürzung des Namens Nadowessier oder Nadowessioux. Die Haupt-
masse der Sioux bewohnte in historischer Zeit die Prärien im Westen
des Mississippi
von seinem Unterlaufe bis nach Manitoba. Aber ihr
früheres Gebiet besitzen sie schon lange nicht mehr; das Vordringen
der Europäer, die von ihnen selbst betriebene schonungslose Aus-
rottung des Büffels, blutige Aufstände und die Einschleppung an-
steckender Krankheiten, namentlich der Pocken, haben ihre Zahl
stark vermindert und sie zur Abtretung des größten Teils ihres
Landes gezwungen, so daß sie heute auf eine kleine Anzahl Gebiete
ihrer ursprünglichen Heimat beschränkt sind.

Die wirtschaftliche Grundlage der Sioux war die Jagd, in
erster Linie auf den Büffel, weiter nordwärts auf Biber, Hirsch
und Bär. Den Büffel zu züchten verstanden sie nicht und lernten
sie auch nicht, und so waren sie genötigt, seinen Herden zu folgen.
Infolgedessen kam bei ihnen der eigentliche Jägernomadismus zur
Entwicklung und der allen Jägernomaden eigene Hang zur Räuberei,
der sich in fortwährenden Einfällen in die kultivierten Grenzgebiete
äußerte. Das Auftreten der Europäer, das überall bei den Ein-
geborenen Amerikas umgestaltend wirkte und auch auf die Lebens-
weise der Sioux nicht ohne Einfluß blieb, war hier, wie erklärlich,
nicht von so einschneidender Wirkung wie bei vielen anderen
Völkerschaften. Während manche bisher seßhaften Stämme mit
der Einführung des Pferdes erst zum Jägernomadismus übergingen,
blieben die Sioux bei ihrer bisherigen Lebensweise, nur daß sie
mit dem Pferde eine größere Beweglichkeit erlangten und die
Büffeljagd nun beritten ausübten und zwar, wie schon erwähnt, in
schonungsloser Weise. Sonst hatten sie sich wohl in Verkleidung
an das Wild herangeschlichen und ein einzelnes Tier erlegt, jetzt
ritten sie in die Herde hinein, töteten im blinden Eifer der Jagd,
soviel sie erlangen konnten, und überließen das Fleisch, das sie

führt zu dem Schluß, daß unter den Völkern ausgedehnte Wande-
rungen in vorkolumbischer Zeit stattgefunden haben.

Eine ausgedehnte und ziemlich einheitliche Kulturgemeinschaft
bilden die Präriestämme Nordamerikas, zu denen die Sioux gehören.
Sie stellen den Hauptanteil dieser Kulturgemeinschaft, sind über-
haupt der Zahl nach einer der wichtigsten Indianerstämme. Sie
heißen auch Dakota und zerfallen wieder in mehrere einzelne
Stämme. (Die sieben Ratsfeuer.) Der Name Sioux stammt von
französischen Kaufleuten des 17. Jahrhunderts her und ist eine
Abkürzung des Namens Nadowessier oder Nadowessioux. Die Haupt-
masse der Sioux bewohnte in historischer Zeit die Prärien im Westen
des Mississippi
von seinem Unterlaufe bis nach Manitoba. Aber ihr
früheres Gebiet besitzen sie schon lange nicht mehr; das Vordringen
der Europäer, die von ihnen selbst betriebene schonungslose Aus-
rottung des Büffels, blutige Aufstände und die Einschleppung an-
steckender Krankheiten, namentlich der Pocken, haben ihre Zahl
stark vermindert und sie zur Abtretung des größten Teils ihres
Landes gezwungen, so daß sie heute auf eine kleine Anzahl Gebiete
ihrer ursprünglichen Heimat beschränkt sind.

Die wirtschaftliche Grundlage der Sioux war die Jagd, in
erster Linie auf den Büffel, weiter nordwärts auf Biber, Hirsch
und Bär. Den Büffel zu züchten verstanden sie nicht und lernten
sie auch nicht, und so waren sie genötigt, seinen Herden zu folgen.
Infolgedessen kam bei ihnen der eigentliche Jägernomadismus zur
Entwicklung und der allen Jägernomaden eigene Hang zur Räuberei,
der sich in fortwährenden Einfällen in die kultivierten Grenzgebiete
äußerte. Das Auftreten der Europäer, das überall bei den Ein-
geborenen Amerikas umgestaltend wirkte und auch auf die Lebens-
weise der Sioux nicht ohne Einfluß blieb, war hier, wie erklärlich,
nicht von so einschneidender Wirkung wie bei vielen anderen
Völkerschaften. Während manche bisher seßhaften Stämme mit
der Einführung des Pferdes erst zum Jägernomadismus übergingen,
blieben die Sioux bei ihrer bisherigen Lebensweise, nur daß sie
mit dem Pferde eine größere Beweglichkeit erlangten und die
Büffeljagd nun beritten ausübten und zwar, wie schon erwähnt, in
schonungsloser Weise. Sonst hatten sie sich wohl in Verkleidung
an das Wild herangeschlichen und ein einzelnes Tier erlegt, jetzt
ritten sie in die Herde hinein, töteten im blinden Eifer der Jagd,
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[— 49 —/0053] führt zu dem Schluß, daß unter den Völkern ausgedehnte Wande- rungen in vorkolumbischer Zeit stattgefunden haben. Eine ausgedehnte und ziemlich einheitliche Kulturgemeinschaft bilden die Präriestämme Nordamerikas, zu denen die Sioux gehören. Sie stellen den Hauptanteil dieser Kulturgemeinschaft, sind über- haupt der Zahl nach einer der wichtigsten Indianerstämme. Sie heißen auch Dakota und zerfallen wieder in mehrere einzelne Stämme. (Die sieben Ratsfeuer.) Der Name Sioux stammt von französischen Kaufleuten des 17. Jahrhunderts her und ist eine Abkürzung des Namens Nadowessier oder Nadowessioux. Die Haupt- masse der Sioux bewohnte in historischer Zeit die Prärien im Westen des Mississippi von seinem Unterlaufe bis nach Manitoba. Aber ihr früheres Gebiet besitzen sie schon lange nicht mehr; das Vordringen der Europäer, die von ihnen selbst betriebene schonungslose Aus- rottung des Büffels, blutige Aufstände und die Einschleppung an- steckender Krankheiten, namentlich der Pocken, haben ihre Zahl stark vermindert und sie zur Abtretung des größten Teils ihres Landes gezwungen, so daß sie heute auf eine kleine Anzahl Gebiete ihrer ursprünglichen Heimat beschränkt sind. Die wirtschaftliche Grundlage der Sioux war die Jagd, in erster Linie auf den Büffel, weiter nordwärts auf Biber, Hirsch und Bär. Den Büffel zu züchten verstanden sie nicht und lernten sie auch nicht, und so waren sie genötigt, seinen Herden zu folgen. Infolgedessen kam bei ihnen der eigentliche Jägernomadismus zur Entwicklung und der allen Jägernomaden eigene Hang zur Räuberei, der sich in fortwährenden Einfällen in die kultivierten Grenzgebiete äußerte. Das Auftreten der Europäer, das überall bei den Ein- geborenen Amerikas umgestaltend wirkte und auch auf die Lebens- weise der Sioux nicht ohne Einfluß blieb, war hier, wie erklärlich, nicht von so einschneidender Wirkung wie bei vielen anderen Völkerschaften. Während manche bisher seßhaften Stämme mit der Einführung des Pferdes erst zum Jägernomadismus übergingen, blieben die Sioux bei ihrer bisherigen Lebensweise, nur daß sie mit dem Pferde eine größere Beweglichkeit erlangten und die Büffeljagd nun beritten ausübten und zwar, wie schon erwähnt, in schonungsloser Weise. Sonst hatten sie sich wohl in Verkleidung an das Wild herangeschlichen und ein einzelnes Tier erlegt, jetzt ritten sie in die Herde hinein, töteten im blinden Eifer der Jagd, soviel sie erlangen konnten, und überließen das Fleisch, das sie

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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 49 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/53>, abgerufen am 01.05.2024.