die Verbindung dieser Jdeen wird aus dem bloßen Jn- stinkt zur Thätigkeit eine Neigung und Begierde zu den Objekten. Die von den Jdeen auf die Objekte ge- leiteten Triebe sind Neigungen. Es entstehen allgemeine Neigungen, die Neigung zum Vergnügen überhaupt, die Neigung zu dem, was uns erhält, was uns stärket und vollkommener macht. Die letztern erfodern eine Verknüpfung von Jdeen. Was solche Wirkungen auf uns hat, ist angenehm für sich oder in seinen Folgen. Dieß macht es zum Objekt unsers von Jdeen geleiteten Triebes. Dennoch ist Neigung und Trieb unterschie- den, und oft leitet die Jdee zu einem Gegenstande hin, wovon das ungeleitete, bloß durch dunkle Gefühle be- stimmte, Bestreben sich abwendet.
Dieß Gesetz, welches die Richtung des Natur- triebes bestimmt, berechtiget uns ihn einen Trieb zur Glückseligkeit zu nennen. Aber wenn durch diese Be- nennung eine noch nähere Beziehung der Objekte auf die Natur des Menschen, als daß sie angenehme Ge- fühle in ihr verursachen, ausgedruckt werden soll, so ist es leicht mehr hineinzulegen, als nach der Erfahrung geschehen kann. Macht das, worauf der Trieb geht, weil es angenehm ist, wirklich glücklich? Das doch nicht. Der Tod ist oft in den Töpfen, aus denen wir begierig essen. Erweitert es auch nur unmittelbar in sei- nen Folgen den Umfang unserer angenehmen Gefühle? Auch dieß oft nicht. Wir wollen zuweilen aller klaren Gefühle uns entledigen, wenn wir müde sind; und auch dieser Erfolg ist angenehm. Wir verlangen ihn, ob wir gleich vorher wissen, daß wir im Schlafe nichts empfin- den, und aller sinnlichen Exgötzungen beraubet seyn wer- den. Wir lieben den Schlaf, und suchen ihn aus einem Naturtriebe. Angenehm ist freylich die Veränderung, die wir zu bewirken uns bestreben, in jedem Fall. Aber sie ist es zuweilen nur dermalen, nur von Einer Seite,
nur
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und Entwickelung des Menſchen.
die Verbindung dieſer Jdeen wird aus dem bloßen Jn- ſtinkt zur Thaͤtigkeit eine Neigung und Begierde zu den Objekten. Die von den Jdeen auf die Objekte ge- leiteten Triebe ſind Neigungen. Es entſtehen allgemeine Neigungen, die Neigung zum Vergnuͤgen uͤberhaupt, die Neigung zu dem, was uns erhaͤlt, was uns ſtaͤrket und vollkommener macht. Die letztern erfodern eine Verknuͤpfung von Jdeen. Was ſolche Wirkungen auf uns hat, iſt angenehm fuͤr ſich oder in ſeinen Folgen. Dieß macht es zum Objekt unſers von Jdeen geleiteten Triebes. Dennoch iſt Neigung und Trieb unterſchie- den, und oft leitet die Jdee zu einem Gegenſtande hin, wovon das ungeleitete, bloß durch dunkle Gefuͤhle be- ſtimmte, Beſtreben ſich abwendet.
Dieß Geſetz, welches die Richtung des Natur- triebes beſtimmt, berechtiget uns ihn einen Trieb zur Gluͤckſeligkeit zu nennen. Aber wenn durch dieſe Be- nennung eine noch naͤhere Beziehung der Objekte auf die Natur des Menſchen, als daß ſie angenehme Ge- fuͤhle in ihr verurſachen, ausgedruckt werden ſoll, ſo iſt es leicht mehr hineinzulegen, als nach der Erfahrung geſchehen kann. Macht das, worauf der Trieb geht, weil es angenehm iſt, wirklich gluͤcklich? Das doch nicht. Der Tod iſt oft in den Toͤpfen, aus denen wir begierig eſſen. Erweitert es auch nur unmittelbar in ſei- nen Folgen den Umfang unſerer angenehmen Gefuͤhle? Auch dieß oft nicht. Wir wollen zuweilen aller klaren Gefuͤhle uns entledigen, wenn wir muͤde ſind; und auch dieſer Erfolg iſt angenehm. Wir verlangen ihn, ob wir gleich vorher wiſſen, daß wir im Schlafe nichts empfin- den, und aller ſinnlichen Exgoͤtzungen beraubet ſeyn wer- den. Wir lieben den Schlaf, und ſuchen ihn aus einem Naturtriebe. Angenehm iſt freylich die Veraͤnderung, die wir zu bewirken uns beſtreben, in jedem Fall. Aber ſie iſt es zuweilen nur dermalen, nur von Einer Seite,
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und Entwickelung des Menſchen.
die Verbindung dieſer Jdeen wird aus dem bloßen Jn-
ſtinkt zur Thaͤtigkeit eine Neigung und Begierde zu
den Objekten. Die von den Jdeen auf die Objekte ge-
leiteten Triebe ſind Neigungen. Es entſtehen allgemeine
Neigungen, die Neigung zum Vergnuͤgen uͤberhaupt,
die Neigung zu dem, was uns erhaͤlt, was uns ſtaͤrket
und vollkommener macht. Die letztern erfodern eine
Verknuͤpfung von Jdeen. Was ſolche Wirkungen auf
uns hat, iſt angenehm fuͤr ſich oder in ſeinen Folgen.
Dieß macht es zum Objekt unſers von Jdeen geleiteten
Triebes. Dennoch iſt Neigung und Trieb unterſchie-
den, und oft leitet die Jdee zu einem Gegenſtande hin,
wovon das ungeleitete, bloß durch dunkle Gefuͤhle be-
ſtimmte, Beſtreben ſich abwendet.
Dieß Geſetz, welches die Richtung des Natur-
triebes beſtimmt, berechtiget uns ihn einen Trieb zur
Gluͤckſeligkeit zu nennen. Aber wenn durch dieſe Be-
nennung eine noch naͤhere Beziehung der Objekte auf
die Natur des Menſchen, als daß ſie angenehme Ge-
fuͤhle in ihr verurſachen, ausgedruckt werden ſoll, ſo iſt
es leicht mehr hineinzulegen, als nach der Erfahrung
geſchehen kann. Macht das, worauf der Trieb geht,
weil es angenehm iſt, wirklich gluͤcklich? Das doch
nicht. Der Tod iſt oft in den Toͤpfen, aus denen wir
begierig eſſen. Erweitert es auch nur unmittelbar in ſei-
nen Folgen den Umfang unſerer angenehmen Gefuͤhle?
Auch dieß oft nicht. Wir wollen zuweilen aller klaren
Gefuͤhle uns entledigen, wenn wir muͤde ſind; und auch
dieſer Erfolg iſt angenehm. Wir verlangen ihn, ob wir
gleich vorher wiſſen, daß wir im Schlafe nichts empfin-
den, und aller ſinnlichen Exgoͤtzungen beraubet ſeyn wer-
den. Wir lieben den Schlaf, und ſuchen ihn aus einem
Naturtriebe. Angenehm iſt freylich die Veraͤnderung,
die wir zu bewirken uns beſtreben, in jedem Fall. Aber
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 823. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/853>, abgerufen am 24.11.2024.
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