mögen müssen thätig seyn, wenn man sie empfinden soll. Sie werden nur empfunden, oder wenigstens mit Bewußtseyn nur empfunden, aus den Folgen und Wirkungen, die von ihnen in den Organen und von die- sen zurück in der Seele entstehen Die ruhenden Ver- mögen, die wir in uns fühlen, ohne daß wir sie noch als thätig empfinden, fühlen wir dennoch in den ersten An- wandlungen zur Thätigkeit, oder in ihren Elementarak- tionen. Jede Fortdauer eines Zustandes, insofern sol- che ein Objekt unsers Gefühls seyn soll, enthält eine Reihe von Thätigkeiten und Wirkungen, die vor un- serm Gefühl wie ein Strom hinfließen, deren einzelne Theile auf einander folgen, entstehen und vergehen. *) Aus diesen Erfahrungssätzen geht von selbst die Folge heraus, "daß angenehme Gefühle Gefühle von Ver- "änderungen sind." Auf diesen Begriff lassen sich alle Objekte des Gefühls bringen, wenn man gleich es oft bequemer finden kann, die bleibenden Beschaf- fenheiten und die wirklichen Abänderungen als verschiedene Gegenstände desselben aufzuzählen.
2) Es hat ein feiner und scharfsinniger Philosoph **) bemerket, daß so wohl das stoische Princip, nach wel- chem alles Vergnügen in Gefühlen unserer geistigen Vollkommenheiten bestehen oder doch aus solchen ent- springen soll, als auch das entgegengesetzte epikuräische, welches alle angenehme Gefühle für Gefühle von dem Wohlseyn der Organisation erklärt, oder daraus ablei- tet, die wahre Quelle derselben nur von einer Seite an- gebe. Er nennet diese Grundsätze stoische und epiku- räische, nicht in dem Sinne, als wenn sie in dieser Bestimmtheit Lehrsätze der Stoiker und Epikuräer ge- *)
wesen
*) Zweeter Versuch II. 4. 5. Zwölfter Versuch II. 2. 3. XII. 3.
*) Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und Künste; dreyzehnter Band, Erstes Stück.
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und Entwickelung des Menſchen.
moͤgen muͤſſen thaͤtig ſeyn, wenn man ſie empfinden ſoll. Sie werden nur empfunden, oder wenigſtens mit Bewußtſeyn nur empfunden, aus den Folgen und Wirkungen, die von ihnen in den Organen und von die- ſen zuruͤck in der Seele entſtehen Die ruhenden Ver- moͤgen, die wir in uns fuͤhlen, ohne daß wir ſie noch als thaͤtig empfinden, fuͤhlen wir dennoch in den erſten An- wandlungen zur Thaͤtigkeit, oder in ihren Elementarak- tionen. Jede Fortdauer eines Zuſtandes, inſofern ſol- che ein Objekt unſers Gefuͤhls ſeyn ſoll, enthaͤlt eine Reihe von Thaͤtigkeiten und Wirkungen, die vor un- ſerm Gefuͤhl wie ein Strom hinfließen, deren einzelne Theile auf einander folgen, entſtehen und vergehen. *) Aus dieſen Erfahrungsſaͤtzen geht von ſelbſt die Folge heraus, „daß angenehme Gefuͤhle Gefuͤhle von Ver- „aͤnderungen ſind.“ Auf dieſen Begriff laſſen ſich alle Objekte des Gefuͤhls bringen, wenn man gleich es oft bequemer finden kann, die bleibenden Beſchaf- fenheiten und die wirklichen Abaͤnderungen als verſchiedene Gegenſtaͤnde deſſelben aufzuzaͤhlen.
2) Es hat ein feiner und ſcharfſinniger Philoſoph **) bemerket, daß ſo wohl das ſtoiſche Princip, nach wel- chem alles Vergnuͤgen in Gefuͤhlen unſerer geiſtigen Vollkommenheiten beſtehen oder doch aus ſolchen ent- ſpringen ſoll, als auch das entgegengeſetzte epikuraͤiſche, welches alle angenehme Gefuͤhle fuͤr Gefuͤhle von dem Wohlſeyn der Organiſation erklaͤrt, oder daraus ablei- tet, die wahre Quelle derſelben nur von einer Seite an- gebe. Er nennet dieſe Grundſaͤtze ſtoiſche und epiku- raͤiſche, nicht in dem Sinne, als wenn ſie in dieſer Beſtimmtheit Lehrſaͤtze der Stoiker und Epikuraͤer ge- *)
weſen
*) Zweeter Verſuch II. 4. 5. Zwoͤlfter Verſuch II. 2. 3. XII. 3.
*) Neue Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften und Kuͤnſte; dreyzehnter Band, Erſtes Stuͤck.
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und Entwickelung des Menſchen.
moͤgen muͤſſen thaͤtig ſeyn, wenn man ſie empfinden
ſoll. Sie werden nur empfunden, oder wenigſtens
mit Bewußtſeyn nur empfunden, aus den Folgen und
Wirkungen, die von ihnen in den Organen und von die-
ſen zuruͤck in der Seele entſtehen Die ruhenden Ver-
moͤgen, die wir in uns fuͤhlen, ohne daß wir ſie noch als
thaͤtig empfinden, fuͤhlen wir dennoch in den erſten An-
wandlungen zur Thaͤtigkeit, oder in ihren Elementarak-
tionen. Jede Fortdauer eines Zuſtandes, inſofern ſol-
che ein Objekt unſers Gefuͤhls ſeyn ſoll, enthaͤlt eine
Reihe von Thaͤtigkeiten und Wirkungen, die vor un-
ſerm Gefuͤhl wie ein Strom hinfließen, deren einzelne
Theile auf einander folgen, entſtehen und vergehen. *)
Aus dieſen Erfahrungsſaͤtzen geht von ſelbſt die Folge
heraus, „daß angenehme Gefuͤhle Gefuͤhle von Ver-
„aͤnderungen ſind.“ Auf dieſen Begriff laſſen ſich
alle Objekte des Gefuͤhls bringen, wenn man gleich
es oft bequemer finden kann, die bleibenden Beſchaf-
fenheiten und die wirklichen Abaͤnderungen als
verſchiedene Gegenſtaͤnde deſſelben aufzuzaͤhlen.
2) Es hat ein feiner und ſcharfſinniger Philoſoph **)
bemerket, daß ſo wohl das ſtoiſche Princip, nach wel-
chem alles Vergnuͤgen in Gefuͤhlen unſerer geiſtigen
Vollkommenheiten beſtehen oder doch aus ſolchen ent-
ſpringen ſoll, als auch das entgegengeſetzte epikuraͤiſche,
welches alle angenehme Gefuͤhle fuͤr Gefuͤhle von dem
Wohlſeyn der Organiſation erklaͤrt, oder daraus ablei-
tet, die wahre Quelle derſelben nur von einer Seite an-
gebe. Er nennet dieſe Grundſaͤtze ſtoiſche und epiku-
raͤiſche, nicht in dem Sinne, als wenn ſie in dieſer
Beſtimmtheit Lehrſaͤtze der Stoiker und Epikuraͤer ge-
weſen
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*) Zweeter Verſuch II. 4. 5. Zwoͤlfter Verſuch II. 2. 3.
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*) Neue Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften und Kuͤnſte;
dreyzehnter Band, Erſtes Stuͤck.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 807. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/837>, abgerufen am 24.11.2024.
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