Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.und Entwickelung des Menschen. zogenen in der Stadt, und dann jene und diese unter sich,in Vergleichung setzet. Aber da der natürliche Unter- schied der Köpfe hierinn einen großen Einfluß hat, so ist es nöthig eine Menge von einzelnen Fällen zusammen- zunehmen, um die Vergleichung nach einem mittlern Durchschnitt machen zu können. Es giebt so gut unter den aufs beste angeführten, als unter den gar nicht erzo- genen, verschlagene, verständige und witzlose und einfäl- tige. Die unerzogenen Köpfe auf dem Lande sind mehr in Unthätigkeit und Einförmigkeit aufgewachsen, und dahero auch gemeiniglich mehr noch an Kräften des Gei- stes überhaupt, als an besondern Geschicklichkeiten, zu- rück. Die schlechterzogenen Gassenjungen in den Städ- ten dagegen sind verschlagen und witzig genug, weil die Gegenstände von außen und das Treiben der Aeltern sie gezwungen haben thätig zu werden. Eben so sehlet den guten angeführten Knaben vom Lande die Lebhaftig- keit und schnelle Fassungskraft, und die Geschmeidig- keit der Seele wie des Körpers, die bey denen in der Stadt eine Wirkung von der Mannichfaltigkeit der sinn- lichen Eindrücke ist. Dagegen sie an gesetztem Wesen und fester Ueberlegungskraft, und überhaupt an aus- dauernder Stärke der Vermögen etwas voraus haben. Hiebey zeiget sichs, was die Kunst durch die Verman- nichfaltigung der wirkenden Gegenstände thun kann. Hält man die unerzogenen Stadtbewohner gegen die gut erzogenen, so zeiget sich die Wirkung von der geflissentli- chen Leitung der Kräfte mehr abgesondert, und man fin- det auch, daß die Vorzüge der erzogenen größtentheils in der Form und in den künstlichen Geschicklichkeiten be- stehen. Jch wiederhole es, daß ich durch diese Bemer- kung nichts mehr wolle, als nur der übergroßen Künste- ley bey der Erziehung vorbeugen, die vielleicht im Gan- zen, wenigstens so bald, nicht zu besorgen ist, weil es zur Zeit an nützlicher Sorgfalt und Kunst nur allzu sehr noch II Theil. Q q
und Entwickelung des Menſchen. zogenen in der Stadt, und dann jene und dieſe unter ſich,in Vergleichung ſetzet. Aber da der natuͤrliche Unter- ſchied der Koͤpfe hierinn einen großen Einfluß hat, ſo iſt es noͤthig eine Menge von einzelnen Faͤllen zuſammen- zunehmen, um die Vergleichung nach einem mittlern Durchſchnitt machen zu koͤnnen. Es giebt ſo gut unter den aufs beſte angefuͤhrten, als unter den gar nicht erzo- genen, verſchlagene, verſtaͤndige und witzloſe und einfaͤl- tige. Die unerzogenen Koͤpfe auf dem Lande ſind mehr in Unthaͤtigkeit und Einfoͤrmigkeit aufgewachſen, und dahero auch gemeiniglich mehr noch an Kraͤften des Gei- ſtes uͤberhaupt, als an beſondern Geſchicklichkeiten, zu- ruͤck. Die ſchlechterzogenen Gaſſenjungen in den Staͤd- ten dagegen ſind verſchlagen und witzig genug, weil die Gegenſtaͤnde von außen und das Treiben der Aeltern ſie gezwungen haben thaͤtig zu werden. Eben ſo ſehlet den guten angefuͤhrten Knaben vom Lande die Lebhaftig- keit und ſchnelle Faſſungskraft, und die Geſchmeidig- keit der Seele wie des Koͤrpers, die bey denen in der Stadt eine Wirkung von der Mannichfaltigkeit der ſinn- lichen Eindruͤcke iſt. Dagegen ſie an geſetztem Weſen und feſter Ueberlegungskraft, und uͤberhaupt an aus- dauernder Staͤrke der Vermoͤgen etwas voraus haben. Hiebey zeiget ſichs, was die Kunſt durch die Verman- nichfaltigung der wirkenden Gegenſtaͤnde thun kann. Haͤlt man die unerzogenen Stadtbewohner gegen die gut erzogenen, ſo zeiget ſich die Wirkung von der gefliſſentli- chen Leitung der Kraͤfte mehr abgeſondert, und man fin- det auch, daß die Vorzuͤge der erzogenen groͤßtentheils in der Form und in den kuͤnſtlichen Geſchicklichkeiten be- ſtehen. Jch wiederhole es, daß ich durch dieſe Bemer- kung nichts mehr wolle, als nur der uͤbergroßen Kuͤnſte- ley bey der Erziehung vorbeugen, die vielleicht im Gan- zen, wenigſtens ſo bald, nicht zu beſorgen iſt, weil es zur Zeit an nuͤtzlicher Sorgfalt und Kunſt nur allzu ſehr noch II Theil. Q q
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und Entwickelung des Menſchen.
zogenen in der Stadt, und dann jene und dieſe unter ſich,
in Vergleichung ſetzet. Aber da der natuͤrliche Unter-
ſchied der Koͤpfe hierinn einen großen Einfluß hat, ſo
iſt es noͤthig eine Menge von einzelnen Faͤllen zuſammen-
zunehmen, um die Vergleichung nach einem mittlern
Durchſchnitt machen zu koͤnnen. Es giebt ſo gut unter
den aufs beſte angefuͤhrten, als unter den gar nicht erzo-
genen, verſchlagene, verſtaͤndige und witzloſe und einfaͤl-
tige. Die unerzogenen Koͤpfe auf dem Lande ſind mehr
in Unthaͤtigkeit und Einfoͤrmigkeit aufgewachſen, und
dahero auch gemeiniglich mehr noch an Kraͤften des Gei-
ſtes uͤberhaupt, als an beſondern Geſchicklichkeiten, zu-
ruͤck. Die ſchlechterzogenen Gaſſenjungen in den Staͤd-
ten dagegen ſind verſchlagen und witzig genug, weil die
Gegenſtaͤnde von außen und das Treiben der Aeltern ſie
gezwungen haben thaͤtig zu werden. Eben ſo ſehlet
den guten angefuͤhrten Knaben vom Lande die Lebhaftig-
keit und ſchnelle Faſſungskraft, und die Geſchmeidig-
keit der Seele wie des Koͤrpers, die bey denen in der
Stadt eine Wirkung von der Mannichfaltigkeit der ſinn-
lichen Eindruͤcke iſt. Dagegen ſie an geſetztem Weſen
und feſter Ueberlegungskraft, und uͤberhaupt an aus-
dauernder Staͤrke der Vermoͤgen etwas voraus haben.
Hiebey zeiget ſichs, was die Kunſt durch die Verman-
nichfaltigung der wirkenden Gegenſtaͤnde thun kann.
Haͤlt man die unerzogenen Stadtbewohner gegen die gut
erzogenen, ſo zeiget ſich die Wirkung von der gefliſſentli-
chen Leitung der Kraͤfte mehr abgeſondert, und man fin-
det auch, daß die Vorzuͤge der erzogenen groͤßtentheils
in der Form und in den kuͤnſtlichen Geſchicklichkeiten be-
ſtehen. Jch wiederhole es, daß ich durch dieſe Bemer-
kung nichts mehr wolle, als nur der uͤbergroßen Kuͤnſte-
ley bey der Erziehung vorbeugen, die vielleicht im Gan-
zen, wenigſtens ſo bald, nicht zu beſorgen iſt, weil es
zur Zeit an nuͤtzlicher Sorgfalt und Kunſt nur allzu ſehr
noch
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