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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
nöthiget ist, zu diesem Aeußersten seine Zuflucht zu neh-
men, daß die Erzeugung neuer Formen unerklärlich
und unmöglich sey. Hr. Bonnet hat sich dieses Grun-
des öfters bedienet; die Entstehung eines organisirten
Körpers auf eine andere Art, als durch die Evolution,
sey unbegreiflich und ungereimt. Es verhält sich bey-
nahe hiemit, wie mit der leibnitzischen Harmonie,
und dem berkeleyischen Jdealismus, die ihre großen
Erfinder mit dem stärksten Argument zu befestigen such-
ten, wenn sie demonstrirten, Leibnitz, daß die Ein-
wirkung, Berkeley, daß die Existenz der Materie un-
möglich sey. Beide Systeme halten sich nicht, wenn
diese Demonstration wegfällt. Jch zweifele ob die bon-
netische
sich halten könne, wenn sein Grundsatz weg-
fällt, daß keine andere Hypothese außer der seinigen
möglich ist.

5.

Wenn einmal die Erzeugung neuer Formen als
möglich angenommen wird: so giebt es auch mehrere
verschiedene Arten dieser Erzeugung. Daraus entstehen
die nähern Bestimmungen, die man den Hypothesen
von der Generation hinzusetzen kann. Selbst |die orga-
nische Konkretion ist alsdenn nicht ganz ausgeschlossen.
Aber zugleich würde es bey jener Voraussetzung unwahr-
scheinlich seyn, daß die Natur sich nur einer von diesen
verschiedenen Arten, neue Formen zu bilden, allein bedie-
nen sollte. Einige von ihnen will ich noch berühren, die
nämlich, welche man vorzüglich zur Erklärung der Ge-
neration gebraucht hat; doch nur solche, |welche als-
denn noch vorkommen, wenn schon ein organisirter
Keim vorhanden ist, der sich entwickelt. Von den Ent-
stehungsarten neuer Keime ist oben genug angeführet.

Die nährende, vergrößernde, entwickelnde Mate-
rie geht in das Jnnere des Keims hinein (per intussus-

ceptio-

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
noͤthiget iſt, zu dieſem Aeußerſten ſeine Zuflucht zu neh-
men, daß die Erzeugung neuer Formen unerklaͤrlich
und unmoͤglich ſey. Hr. Bonnet hat ſich dieſes Grun-
des oͤfters bedienet; die Entſtehung eines organiſirten
Koͤrpers auf eine andere Art, als durch die Evolution,
ſey unbegreiflich und ungereimt. Es verhaͤlt ſich bey-
nahe hiemit, wie mit der leibnitziſchen Harmonie,
und dem berkeleyiſchen Jdealismus, die ihre großen
Erfinder mit dem ſtaͤrkſten Argument zu befeſtigen ſuch-
ten, wenn ſie demonſtrirten, Leibnitz, daß die Ein-
wirkung, Berkeley, daß die Exiſtenz der Materie un-
moͤglich ſey. Beide Syſteme halten ſich nicht, wenn
dieſe Demonſtration wegfaͤllt. Jch zweifele ob die bon-
netiſche
ſich halten koͤnne, wenn ſein Grundſatz weg-
faͤllt, daß keine andere Hypotheſe außer der ſeinigen
moͤglich iſt.

5.

Wenn einmal die Erzeugung neuer Formen als
moͤglich angenommen wird: ſo giebt es auch mehrere
verſchiedene Arten dieſer Erzeugung. Daraus entſtehen
die naͤhern Beſtimmungen, die man den Hypotheſen
von der Generation hinzuſetzen kann. Selbſt |die orga-
niſche Konkretion iſt alsdenn nicht ganz ausgeſchloſſen.
Aber zugleich wuͤrde es bey jener Vorausſetzung unwahr-
ſcheinlich ſeyn, daß die Natur ſich nur einer von dieſen
verſchiedenen Arten, neue Formen zu bilden, allein bedie-
nen ſollte. Einige von ihnen will ich noch beruͤhren, die
naͤmlich, welche man vorzuͤglich zur Erklaͤrung der Ge-
neration gebraucht hat; doch nur ſolche, |welche als-
denn noch vorkommen, wenn ſchon ein organiſirter
Keim vorhanden iſt, der ſich entwickelt. Von den Ent-
ſtehungsarten neuer Keime iſt oben genug angefuͤhret.

Die naͤhrende, vergroͤßernde, entwickelnde Mate-
rie geht in das Jnnere des Keims hinein (per intusſuſ-

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[494/0524] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt noͤthiget iſt, zu dieſem Aeußerſten ſeine Zuflucht zu neh- men, daß die Erzeugung neuer Formen unerklaͤrlich und unmoͤglich ſey. Hr. Bonnet hat ſich dieſes Grun- des oͤfters bedienet; die Entſtehung eines organiſirten Koͤrpers auf eine andere Art, als durch die Evolution, ſey unbegreiflich und ungereimt. Es verhaͤlt ſich bey- nahe hiemit, wie mit der leibnitziſchen Harmonie, und dem berkeleyiſchen Jdealismus, die ihre großen Erfinder mit dem ſtaͤrkſten Argument zu befeſtigen ſuch- ten, wenn ſie demonſtrirten, Leibnitz, daß die Ein- wirkung, Berkeley, daß die Exiſtenz der Materie un- moͤglich ſey. Beide Syſteme halten ſich nicht, wenn dieſe Demonſtration wegfaͤllt. Jch zweifele ob die bon- netiſche ſich halten koͤnne, wenn ſein Grundſatz weg- faͤllt, daß keine andere Hypotheſe außer der ſeinigen moͤglich iſt. 5. Wenn einmal die Erzeugung neuer Formen als moͤglich angenommen wird: ſo giebt es auch mehrere verſchiedene Arten dieſer Erzeugung. Daraus entſtehen die naͤhern Beſtimmungen, die man den Hypotheſen von der Generation hinzuſetzen kann. Selbſt |die orga- niſche Konkretion iſt alsdenn nicht ganz ausgeſchloſſen. Aber zugleich wuͤrde es bey jener Vorausſetzung unwahr- ſcheinlich ſeyn, daß die Natur ſich nur einer von dieſen verſchiedenen Arten, neue Formen zu bilden, allein bedie- nen ſollte. Einige von ihnen will ich noch beruͤhren, die naͤmlich, welche man vorzuͤglich zur Erklaͤrung der Ge- neration gebraucht hat; doch nur ſolche, |welche als- denn noch vorkommen, wenn ſchon ein organiſirter Keim vorhanden iſt, der ſich entwickelt. Von den Ent- ſtehungsarten neuer Keime iſt oben genug angefuͤhret. Die naͤhrende, vergroͤßernde, entwickelnde Mate- rie geht in das Jnnere des Keims hinein (per intusſuſ- ceptio-

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/524>, abgerufen am 23.11.2024.