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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
dahin, daß diese Elemente sich vergrößern, wie ein
Tropfen Wasser, der sich mit einem andern vereiniget,
und dadurch zu einem größern Tropfen wird.

Dennoch muß doch die Form eines Gefäßes, einer
Fiber, einer Masche, einer Raute; -- man kann diese
Bilder gebrauchen, um den bestimmten Begriff von der
Form fest zu halten! -- in die Art, wie die fremden
hinzukommenden Partikeln sich anlegen, einen Einfluß
haben. Die Gestalt der Röhren bestimmet die Gestalt
des Flüßigen, das in sie hineintritt, und die Figur der
Zwischenräume in dem Schwamme die Figur des
Wassers, das in diesen Räumen hänget, wenn der
Schwamm damit erfüllet ist. Laß das Wasser in die-
sen Räumen erstarren, und dann wieder herausgebracht
werden: so haben wir eine geformte Masse, welche
durch die Form der Räume gemacht ist, wie die gegos-
sene erkaltete Statue aus Metall durch die Patrone,
worinn sie gegossen ist. Die Erzeugung neuer Formen
in organischen Körpern, führet also zu gewissen Voraus-
setzungen, die, wenn sie als Bedingungen angenommen
werden, die Folge nach sich ziehen, daß nothwendig
neue
organische Formen entstehen müssen. Man neh-
me an, daß die nährenden Partikeln von eben der Art
sind, wie die in dem Körper schon geformten Elemente,
das ist, daß sie dieselbigen Kräfte besitzen, sich auf die-
selbige Art vereinigen können unter einander, wie dieje-
nigen, woraus die vorhandenen organischen Theile be-
stehen; und dieß ist nichts mehr, als was auch in der
Hypothese von der Evolution eingeräumet wird: folget
nun nicht nothwendig, daß diese neuen Partikeln durch
die Form eines Gefäßes in eine ähnliche Lage gegen ein-
ander kommen, wie die vorhergeformten Partikeln in
dem Gefäße es selbst sind, oder doch in eine solche Lage,
in der sie vereiniget ein anderes Gefäs von einer ähnli-
chen innern Zusammensetzung ausmachen? Jst dieß

nur

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
dahin, daß dieſe Elemente ſich vergroͤßern, wie ein
Tropfen Waſſer, der ſich mit einem andern vereiniget,
und dadurch zu einem groͤßern Tropfen wird.

Dennoch muß doch die Form eines Gefaͤßes, einer
Fiber, einer Maſche, einer Raute; — man kann dieſe
Bilder gebrauchen, um den beſtimmten Begriff von der
Form feſt zu halten! — in die Art, wie die fremden
hinzukommenden Partikeln ſich anlegen, einen Einfluß
haben. Die Geſtalt der Roͤhren beſtimmet die Geſtalt
des Fluͤßigen, das in ſie hineintritt, und die Figur der
Zwiſchenraͤume in dem Schwamme die Figur des
Waſſers, das in dieſen Raͤumen haͤnget, wenn der
Schwamm damit erfuͤllet iſt. Laß das Waſſer in die-
ſen Raͤumen erſtarren, und dann wieder herausgebracht
werden: ſo haben wir eine geformte Maſſe, welche
durch die Form der Raͤume gemacht iſt, wie die gegoſ-
ſene erkaltete Statue aus Metall durch die Patrone,
worinn ſie gegoſſen iſt. Die Erzeugung neuer Formen
in organiſchen Koͤrpern, fuͤhret alſo zu gewiſſen Voraus-
ſetzungen, die, wenn ſie als Bedingungen angenommen
werden, die Folge nach ſich ziehen, daß nothwendig
neue
organiſche Formen entſtehen muͤſſen. Man neh-
me an, daß die naͤhrenden Partikeln von eben der Art
ſind, wie die in dem Koͤrper ſchon geformten Elemente,
das iſt, daß ſie dieſelbigen Kraͤfte beſitzen, ſich auf die-
ſelbige Art vereinigen koͤnnen unter einander, wie dieje-
nigen, woraus die vorhandenen organiſchen Theile be-
ſtehen; und dieß iſt nichts mehr, als was auch in der
Hypotheſe von der Evolution eingeraͤumet wird: folget
nun nicht nothwendig, daß dieſe neuen Partikeln durch
die Form eines Gefaͤßes in eine aͤhnliche Lage gegen ein-
ander kommen, wie die vorhergeformten Partikeln in
dem Gefaͤße es ſelbſt ſind, oder doch in eine ſolche Lage,
in der ſie vereiniget ein anderes Gefaͤs von einer aͤhnli-
chen innern Zuſammenſetzung ausmachen? Jſt dieß

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[492/0522] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt dahin, daß dieſe Elemente ſich vergroͤßern, wie ein Tropfen Waſſer, der ſich mit einem andern vereiniget, und dadurch zu einem groͤßern Tropfen wird. Dennoch muß doch die Form eines Gefaͤßes, einer Fiber, einer Maſche, einer Raute; — man kann dieſe Bilder gebrauchen, um den beſtimmten Begriff von der Form feſt zu halten! — in die Art, wie die fremden hinzukommenden Partikeln ſich anlegen, einen Einfluß haben. Die Geſtalt der Roͤhren beſtimmet die Geſtalt des Fluͤßigen, das in ſie hineintritt, und die Figur der Zwiſchenraͤume in dem Schwamme die Figur des Waſſers, das in dieſen Raͤumen haͤnget, wenn der Schwamm damit erfuͤllet iſt. Laß das Waſſer in die- ſen Raͤumen erſtarren, und dann wieder herausgebracht werden: ſo haben wir eine geformte Maſſe, welche durch die Form der Raͤume gemacht iſt, wie die gegoſ- ſene erkaltete Statue aus Metall durch die Patrone, worinn ſie gegoſſen iſt. Die Erzeugung neuer Formen in organiſchen Koͤrpern, fuͤhret alſo zu gewiſſen Voraus- ſetzungen, die, wenn ſie als Bedingungen angenommen werden, die Folge nach ſich ziehen, daß nothwendig neue organiſche Formen entſtehen muͤſſen. Man neh- me an, daß die naͤhrenden Partikeln von eben der Art ſind, wie die in dem Koͤrper ſchon geformten Elemente, das iſt, daß ſie dieſelbigen Kraͤfte beſitzen, ſich auf die- ſelbige Art vereinigen koͤnnen unter einander, wie dieje- nigen, woraus die vorhandenen organiſchen Theile be- ſtehen; und dieß iſt nichts mehr, als was auch in der Hypotheſe von der Evolution eingeraͤumet wird: folget nun nicht nothwendig, daß dieſe neuen Partikeln durch die Form eines Gefaͤßes in eine aͤhnliche Lage gegen ein- ander kommen, wie die vorhergeformten Partikeln in dem Gefaͤße es ſelbſt ſind, oder doch in eine ſolche Lage, in der ſie vereiniget ein anderes Gefaͤs von einer aͤhnli- chen innern Zuſammenſetzung ausmachen? Jſt dieß nur

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/522>, abgerufen am 23.11.2024.