dener Meinung sie auch sind, wenn sie ihn näher be- stimmen, ist dieser: "Ein organisirtes Wesen entste- "het aus einem Keim. Und ein Keim ist, nach ei- "nem allgemeinen Begriffe, der sich mit der Epigene- "sis so gut wie mit der Evolution verträgt, so ein "Körper, worinn das bildende Princip, das ist, der "Grund der nachsolgenden Bildung, ganz oder doch "vornehmlich enthalten ist, und der zugleich selbst zu "der Substanz des organisirten Wesens gehöret, das "aus ihm entwickelt wird." Es ist nothwendig, auf die Bestandtheile dieses Begriffs zu achten, wenn man selbst Misverständnisse vermeiden und es bey andern sehen will, wie weit solche bey ihren Streitig- keiten Einfluß haben.
Herr Bonnet hat sich darüber mehrmalen er- klärt: "der Keim, sagt man," (dieß sind seine eigenen Worte) "ist der Grundriß und das Modell von dem "organisirten Körper. Ein Begriff, der nicht ge- "nau genug kann bestimmet werden. Entweder muß "man es auf sich nehmen, die Bildung der Organen "mechanisch zu erklären, welches über die Kräfte der "gesunden Philosophie gehet; oder man muß anneh- "men, es enthalte der Keim schon wirklich im Klei- "nen alle wesentlichen Theile der Pflanze oder |des "Thiers in sich, das er vorstellet."*)
Nach dieser Erklärung legte Herr Bonnet keine andern Theile der Pflanze und des Thiers in den Keim, als nur die wesentlichen, das ist, nach sei- nen übrigen Erläuterungen, diejenigen, wovon die Form, die Art der Zusammensetzung und Verbindung in der organisirten Materie abhängt. Er nennt diese Verbindungsarten Formen, Maschen, vergleichet sie mit dem Aufzug eines gewebten Zeuges; die Nahrungstheile, welche hinzukommen, machen die
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*) Ueber die organisirten Körper, I. Theil, Art. 35.
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und Entwickelung des Menſchen.
dener Meinung ſie auch ſind, wenn ſie ihn naͤher be- ſtimmen, iſt dieſer: „Ein organiſirtes Weſen entſte- „het aus einem Keim. Und ein Keim iſt, nach ei- „nem allgemeinen Begriffe, der ſich mit der Epigene- „ſis ſo gut wie mit der Evolution vertraͤgt, ſo ein „Koͤrper, worinn das bildende Princip, das iſt, der „Grund der nachſolgenden Bildung, ganz oder doch „vornehmlich enthalten iſt, und der zugleich ſelbſt zu „der Subſtanz des organiſirten Weſens gehoͤret, das „aus ihm entwickelt wird.‟ Es iſt nothwendig, auf die Beſtandtheile dieſes Begriffs zu achten, wenn man ſelbſt Misverſtaͤndniſſe vermeiden und es bey andern ſehen will, wie weit ſolche bey ihren Streitig- keiten Einfluß haben.
Herr Bonnet hat ſich daruͤber mehrmalen er- klaͤrt: „der Keim, ſagt man,‟ (dieß ſind ſeine eigenen Worte) „iſt der Grundriß und das Modell von dem „organiſirten Koͤrper. Ein Begriff, der nicht ge- „nau genug kann beſtimmet werden. Entweder muß „man es auf ſich nehmen, die Bildung der Organen „mechaniſch zu erklaͤren, welches uͤber die Kraͤfte der „geſunden Philoſophie gehet; oder man muß anneh- „men, es enthalte der Keim ſchon wirklich im Klei- „nen alle weſentlichen Theile der Pflanze oder |des „Thiers in ſich, das er vorſtellet.‟*)
Nach dieſer Erklaͤrung legte Herr Bonnet keine andern Theile der Pflanze und des Thiers in den Keim, als nur die weſentlichen, das iſt, nach ſei- nen uͤbrigen Erlaͤuterungen, diejenigen, wovon die Form, die Art der Zuſammenſetzung und Verbindung in der organiſirten Materie abhaͤngt. Er nennt dieſe Verbindungsarten Formen, Maſchen, vergleichet ſie mit dem Aufzug eines gewebten Zeuges; die Nahrungstheile, welche hinzukommen, machen die
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*) Ueber die organiſirten Koͤrper, I. Theil, Art. 35.
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und Entwickelung des Menſchen.
dener Meinung ſie auch ſind, wenn ſie ihn naͤher be-
ſtimmen, iſt dieſer: „Ein organiſirtes Weſen entſte-
„het aus einem Keim. Und ein Keim iſt, nach ei-
„nem allgemeinen Begriffe, der ſich mit der Epigene-
„ſis ſo gut wie mit der Evolution vertraͤgt, ſo ein
„Koͤrper, worinn das bildende Princip, das iſt, der
„Grund der nachſolgenden Bildung, ganz oder doch
„vornehmlich enthalten iſt, und der zugleich ſelbſt zu
„der Subſtanz des organiſirten Weſens gehoͤret, das
„aus ihm entwickelt wird.‟ Es iſt nothwendig, auf
die Beſtandtheile dieſes Begriffs zu achten, wenn
man ſelbſt Misverſtaͤndniſſe vermeiden und es bey
andern ſehen will, wie weit ſolche bey ihren Streitig-
keiten Einfluß haben.
Herr Bonnet hat ſich daruͤber mehrmalen er-
klaͤrt: „der Keim, ſagt man,‟ (dieß ſind ſeine eigenen
Worte) „iſt der Grundriß und das Modell von dem
„organiſirten Koͤrper. Ein Begriff, der nicht ge-
„nau genug kann beſtimmet werden. Entweder muß
„man es auf ſich nehmen, die Bildung der Organen
„mechaniſch zu erklaͤren, welches uͤber die Kraͤfte der
„geſunden Philoſophie gehet; oder man muß anneh-
„men, es enthalte der Keim ſchon wirklich im Klei-
„nen alle weſentlichen Theile der Pflanze oder |des
„Thiers in ſich, das er vorſtellet.‟ *)
Nach dieſer Erklaͤrung legte Herr Bonnet keine
andern Theile der Pflanze und des Thiers in den
Keim, als nur die weſentlichen, das iſt, nach ſei-
nen uͤbrigen Erlaͤuterungen, diejenigen, wovon die
Form, die Art der Zuſammenſetzung und Verbindung
in der organiſirten Materie abhaͤngt. Er nennt dieſe
Verbindungsarten Formen, Maſchen, vergleichet
ſie mit dem Aufzug eines gewebten Zeuges; die
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*) Ueber die organiſirten Koͤrper, I. Theil, Art. 35.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/485>, abgerufen am 22.11.2024.
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