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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIII. Versuch. Ueber das Seelenwesen
seyn oder nicht. Aber jedesmal bleibet aus einer solchen
Bewegungsreihe eine Spur zurück, und dadurch wird
es möglich, daß dieselbige Bewegung von neuem wie-
der hervorgebracht werden kann, wenn gleich ihre erste
Ursache fehlet, oder nicht völlig so, wie vorher, in ih-
rer ersten Bestimmtheit vorhanden ist.

Jn dem Gehirn finden sich Eindrücke oder Reize,
woraus gewisse sinnliche Bewegungen organisch hervor-
gebracht werden. Jede materielle Jdee, die ins Ge-
hirn durch eine Jmpression von außen gebracht wird,
erreget daselbst noch andre Bewegungen, und reizet es
zu gewissen Thätigkeiten, oder unterdrückt solche. Diese
Folgen der erstern materiellen Jdeen sind alsdenn mit
den Jdeen verbunden, und kommen wieder mit ihnen
in der Reproduktion hervor, weil sie selbst eben so wie
die sie veranlassenden Jdeen in dem Gehirn eine Dispo-
sition zur leichtern Rückkehr hinterlassen.

5) Die Seele vermag sehr vieles auch über die
bloß organischen Bewegungen, und ihre Phantasie
kann, obgleich auf eine unvollkommene Art, sie hervor-
bringen, wenn die sonstigen Ursachen im Körper nicht
vorhanden sind? Die Seele erhält Vorstellungen von
ihnen, und wirket durch diese Vorstellungen auf den
Körper, und bringet die Bewegungen hervor.

Eben so ist es wahrscheinlich; daß das immate-
rielle Jch
bey allen Arten von Vorstellungen, auch
bey denen, die es am wenigsten in seiner Gewalt hat,
selbst in sich gewisse innere Modifikationen seiner Kraft
empfange, und diese auch oft aus sich selbst wieder er-
wecke, und dadurch eben die zugehörige sinnliche Bewe-
gung im Gehirn hervorbringe.

6) So wie es organische Associationen von
thierischen Bewegungen aller Arten in dem Körper
giebt, und auch solche, die zu den willkürlichsten
Handlungen gehören; welche aber in Hinsicht der Fe-

stig-

XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
ſeyn oder nicht. Aber jedesmal bleibet aus einer ſolchen
Bewegungsreihe eine Spur zuruͤck, und dadurch wird
es moͤglich, daß dieſelbige Bewegung von neuem wie-
der hervorgebracht werden kann, wenn gleich ihre erſte
Urſache fehlet, oder nicht voͤllig ſo, wie vorher, in ih-
rer erſten Beſtimmtheit vorhanden iſt.

Jn dem Gehirn finden ſich Eindruͤcke oder Reize,
woraus gewiſſe ſinnliche Bewegungen organiſch hervor-
gebracht werden. Jede materielle Jdee, die ins Ge-
hirn durch eine Jmpreſſion von außen gebracht wird,
erreget daſelbſt noch andre Bewegungen, und reizet es
zu gewiſſen Thaͤtigkeiten, oder unterdruͤckt ſolche. Dieſe
Folgen der erſtern materiellen Jdeen ſind alsdenn mit
den Jdeen verbunden, und kommen wieder mit ihnen
in der Reproduktion hervor, weil ſie ſelbſt eben ſo wie
die ſie veranlaſſenden Jdeen in dem Gehirn eine Diſpo-
ſition zur leichtern Ruͤckkehr hinterlaſſen.

5) Die Seele vermag ſehr vieles auch uͤber die
bloß organiſchen Bewegungen, und ihre Phantaſie
kann, obgleich auf eine unvollkommene Art, ſie hervor-
bringen, wenn die ſonſtigen Urſachen im Koͤrper nicht
vorhanden ſind? Die Seele erhaͤlt Vorſtellungen von
ihnen, und wirket durch dieſe Vorſtellungen auf den
Koͤrper, und bringet die Bewegungen hervor.

Eben ſo iſt es wahrſcheinlich; daß das immate-
rielle Jch
bey allen Arten von Vorſtellungen, auch
bey denen, die es am wenigſten in ſeiner Gewalt hat,
ſelbſt in ſich gewiſſe innere Modifikationen ſeiner Kraft
empfange, und dieſe auch oft aus ſich ſelbſt wieder er-
wecke, und dadurch eben die zugehoͤrige ſinnliche Bewe-
gung im Gehirn hervorbringe.

6) So wie es organiſche Aſſociationen von
thieriſchen Bewegungen aller Arten in dem Koͤrper
giebt, und auch ſolche, die zu den willkuͤrlichſten
Handlungen gehoͤren; welche aber in Hinſicht der Fe-

ſtig-
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[360/0390] XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen ſeyn oder nicht. Aber jedesmal bleibet aus einer ſolchen Bewegungsreihe eine Spur zuruͤck, und dadurch wird es moͤglich, daß dieſelbige Bewegung von neuem wie- der hervorgebracht werden kann, wenn gleich ihre erſte Urſache fehlet, oder nicht voͤllig ſo, wie vorher, in ih- rer erſten Beſtimmtheit vorhanden iſt. Jn dem Gehirn finden ſich Eindruͤcke oder Reize, woraus gewiſſe ſinnliche Bewegungen organiſch hervor- gebracht werden. Jede materielle Jdee, die ins Ge- hirn durch eine Jmpreſſion von außen gebracht wird, erreget daſelbſt noch andre Bewegungen, und reizet es zu gewiſſen Thaͤtigkeiten, oder unterdruͤckt ſolche. Dieſe Folgen der erſtern materiellen Jdeen ſind alsdenn mit den Jdeen verbunden, und kommen wieder mit ihnen in der Reproduktion hervor, weil ſie ſelbſt eben ſo wie die ſie veranlaſſenden Jdeen in dem Gehirn eine Diſpo- ſition zur leichtern Ruͤckkehr hinterlaſſen. 5) Die Seele vermag ſehr vieles auch uͤber die bloß organiſchen Bewegungen, und ihre Phantaſie kann, obgleich auf eine unvollkommene Art, ſie hervor- bringen, wenn die ſonſtigen Urſachen im Koͤrper nicht vorhanden ſind? Die Seele erhaͤlt Vorſtellungen von ihnen, und wirket durch dieſe Vorſtellungen auf den Koͤrper, und bringet die Bewegungen hervor. Eben ſo iſt es wahrſcheinlich; daß das immate- rielle Jch bey allen Arten von Vorſtellungen, auch bey denen, die es am wenigſten in ſeiner Gewalt hat, ſelbſt in ſich gewiſſe innere Modifikationen ſeiner Kraft empfange, und dieſe auch oft aus ſich ſelbſt wieder er- wecke, und dadurch eben die zugehoͤrige ſinnliche Bewe- gung im Gehirn hervorbringe. 6) So wie es organiſche Aſſociationen von thieriſchen Bewegungen aller Arten in dem Koͤrper giebt, und auch ſolche, die zu den willkuͤrlichſten Handlungen gehoͤren; welche aber in Hinſicht der Fe- ſtig-

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/390>, abgerufen am 22.11.2024.