Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

im Menschen.
sichts, auf welche der Eindruck von dem Gegenstande
fiel, der vorher die Begierde und den Trieb zur Bewe-
gung der Hände hervorbrachte, etwan ähnliche
Schwingungen reproducirt werden? Die Phantasie
reproduciret doch in der Seele die Jdee von einer Ur-
sache bey der Jdee von ihrer Wirkung.

Daß es überhaupt eine Association organischer
Bewegungen
im Körper gebe, ist, wie schon erin-
nert, außer Zweifel. Um nur einiges zum Beweis an-
zuführen, so kann man sich auf die ganze Menge zufäl-
liger körperlicher Gewohnheiten
berufen, die jeder
Mensch in seinen Minen und Geberden, in der Stel-
lung des Körpers, in dem Gange und in seiner Art
sich zu bewegen und zu handeln annimmt. Man trist
in ihnen allen gewisse angereihete körperliche Bewegun-
gen an, die ihrer Natur nach einander nicht hervorbrin-
gen, noch so auf einander folgen. Bacon hat es schon
angemerket, daß, wenn einmal das Geblüt durch eine
zufällige Ursache, durch eine Empfindung oder Vorstel-
lung, in eine besondere Wallung gebracht ist und sich
erhitzet hat, man nachhero bey einem ähnlichen Zustan-
de des Körpers eine Anwandlung von neuem erhitzet
zu werden finde, wenn gleich die ehemalige Vorstellung
in der Seele nicht da ist, die das erstemal das Austre-
ten der Kräfte veranlaßte. Gewisse Personen, die an
einem Tage nach der Mahlzeit eine Veranlassung ge-
habt hatten sich heftig zu erzürnen, wurden den fol-
genden Tag nach der Mahlzeit wiederum von übler Lau-
ne befallen, bey der sie ihre Anwandlung zum Zorn mit
Mühe zurückhielten, ob sie gleich alsdenn an das Ge-
schehene des vorigen Tages nicht gedachten, oder doch
nur nebenher sichs einfallen ließen. Noch mehr wird
man sich hiervon überzeugen, wenn man auf die Schwie-
rigkeiten Acht hat, die ein jeder antrift, der sich von
gewissen schon eingewurzelten körperlichen Gewohnheiten

losma-

im Menſchen.
ſichts, auf welche der Eindruck von dem Gegenſtande
fiel, der vorher die Begierde und den Trieb zur Bewe-
gung der Haͤnde hervorbrachte, etwan aͤhnliche
Schwingungen reproducirt werden? Die Phantaſie
reproduciret doch in der Seele die Jdee von einer Ur-
ſache bey der Jdee von ihrer Wirkung.

Daß es uͤberhaupt eine Aſſociation organiſcher
Bewegungen
im Koͤrper gebe, iſt, wie ſchon erin-
nert, außer Zweifel. Um nur einiges zum Beweis an-
zufuͤhren, ſo kann man ſich auf die ganze Menge zufaͤl-
liger koͤrperlicher Gewohnheiten
berufen, die jeder
Menſch in ſeinen Minen und Geberden, in der Stel-
lung des Koͤrpers, in dem Gange und in ſeiner Art
ſich zu bewegen und zu handeln annimmt. Man triſt
in ihnen allen gewiſſe angereihete koͤrperliche Bewegun-
gen an, die ihrer Natur nach einander nicht hervorbrin-
gen, noch ſo auf einander folgen. Bacon hat es ſchon
angemerket, daß, wenn einmal das Gebluͤt durch eine
zufaͤllige Urſache, durch eine Empfindung oder Vorſtel-
lung, in eine beſondere Wallung gebracht iſt und ſich
erhitzet hat, man nachhero bey einem aͤhnlichen Zuſtan-
de des Koͤrpers eine Anwandlung von neuem erhitzet
zu werden finde, wenn gleich die ehemalige Vorſtellung
in der Seele nicht da iſt, die das erſtemal das Austre-
ten der Kraͤfte veranlaßte. Gewiſſe Perſonen, die an
einem Tage nach der Mahlzeit eine Veranlaſſung ge-
habt hatten ſich heftig zu erzuͤrnen, wurden den fol-
genden Tag nach der Mahlzeit wiederum von uͤbler Lau-
ne befallen, bey der ſie ihre Anwandlung zum Zorn mit
Muͤhe zuruͤckhielten, ob ſie gleich alsdenn an das Ge-
ſchehene des vorigen Tages nicht gedachten, oder doch
nur nebenher ſichs einfallen ließen. Noch mehr wird
man ſich hiervon uͤberzeugen, wenn man auf die Schwie-
rigkeiten Acht hat, die ein jeder antrift, der ſich von
gewiſſen ſchon eingewurzelten koͤrperlichen Gewohnheiten

losma-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0349" n="319"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">im Men&#x017F;chen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ichts, auf welche der Eindruck von dem Gegen&#x017F;tande<lb/>
fiel, der vorher die Begierde und den Trieb zur Bewe-<lb/>
gung der Ha&#x0364;nde hervorbrachte, etwan a&#x0364;hnliche<lb/>
Schwingungen reproducirt werden? Die Phanta&#x017F;ie<lb/>
reproduciret doch in der Seele die Jdee von einer Ur-<lb/>
&#x017F;ache bey der Jdee von ihrer Wirkung.</p><lb/>
              <p>Daß es u&#x0364;berhaupt eine <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;ociation organi&#x017F;cher<lb/>
Bewegungen</hi> im Ko&#x0364;rper gebe, i&#x017F;t, wie &#x017F;chon erin-<lb/>
nert, außer Zweifel. Um nur einiges zum Beweis an-<lb/>
zufu&#x0364;hren, &#x017F;o kann man &#x017F;ich auf die ganze Menge <hi rendition="#fr">zufa&#x0364;l-<lb/>
liger ko&#x0364;rperlicher Gewohnheiten</hi> berufen, die jeder<lb/>
Men&#x017F;ch in &#x017F;einen Minen und Geberden, in der Stel-<lb/>
lung des Ko&#x0364;rpers, in dem Gange und in &#x017F;einer Art<lb/>
&#x017F;ich zu bewegen und zu handeln annimmt. Man tri&#x017F;t<lb/>
in ihnen allen gewi&#x017F;&#x017F;e angereihete ko&#x0364;rperliche Bewegun-<lb/>
gen an, die ihrer Natur nach einander nicht hervorbrin-<lb/>
gen, noch &#x017F;o auf einander folgen. <hi rendition="#fr">Bacon</hi> hat es &#x017F;chon<lb/>
angemerket, daß, wenn einmal das Geblu&#x0364;t durch eine<lb/>
zufa&#x0364;llige Ur&#x017F;ache, durch eine Empfindung oder Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung, in eine be&#x017F;ondere Wallung gebracht i&#x017F;t und &#x017F;ich<lb/>
erhitzet hat, man nachhero bey einem a&#x0364;hnlichen Zu&#x017F;tan-<lb/>
de des Ko&#x0364;rpers eine Anwandlung von neuem erhitzet<lb/>
zu werden finde, wenn gleich die ehemalige Vor&#x017F;tellung<lb/>
in der Seele nicht da i&#x017F;t, die das er&#x017F;temal das Austre-<lb/>
ten der Kra&#x0364;fte veranlaßte. Gewi&#x017F;&#x017F;e Per&#x017F;onen, die an<lb/>
einem Tage nach der Mahlzeit eine Veranla&#x017F;&#x017F;ung ge-<lb/>
habt hatten &#x017F;ich heftig zu erzu&#x0364;rnen, wurden den fol-<lb/>
genden Tag nach der Mahlzeit wiederum von u&#x0364;bler Lau-<lb/>
ne befallen, bey der &#x017F;ie ihre Anwandlung zum Zorn mit<lb/>
Mu&#x0364;he zuru&#x0364;ckhielten, ob &#x017F;ie gleich alsdenn an das Ge-<lb/>
&#x017F;chehene des vorigen Tages nicht gedachten, oder doch<lb/>
nur nebenher &#x017F;ichs einfallen ließen. Noch mehr wird<lb/>
man &#x017F;ich hiervon u&#x0364;berzeugen, wenn man auf die Schwie-<lb/>
rigkeiten Acht hat, die ein jeder antrift, der &#x017F;ich von<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon eingewurzelten ko&#x0364;rperlichen Gewohnheiten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">losma-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0349] im Menſchen. ſichts, auf welche der Eindruck von dem Gegenſtande fiel, der vorher die Begierde und den Trieb zur Bewe- gung der Haͤnde hervorbrachte, etwan aͤhnliche Schwingungen reproducirt werden? Die Phantaſie reproduciret doch in der Seele die Jdee von einer Ur- ſache bey der Jdee von ihrer Wirkung. Daß es uͤberhaupt eine Aſſociation organiſcher Bewegungen im Koͤrper gebe, iſt, wie ſchon erin- nert, außer Zweifel. Um nur einiges zum Beweis an- zufuͤhren, ſo kann man ſich auf die ganze Menge zufaͤl- liger koͤrperlicher Gewohnheiten berufen, die jeder Menſch in ſeinen Minen und Geberden, in der Stel- lung des Koͤrpers, in dem Gange und in ſeiner Art ſich zu bewegen und zu handeln annimmt. Man triſt in ihnen allen gewiſſe angereihete koͤrperliche Bewegun- gen an, die ihrer Natur nach einander nicht hervorbrin- gen, noch ſo auf einander folgen. Bacon hat es ſchon angemerket, daß, wenn einmal das Gebluͤt durch eine zufaͤllige Urſache, durch eine Empfindung oder Vorſtel- lung, in eine beſondere Wallung gebracht iſt und ſich erhitzet hat, man nachhero bey einem aͤhnlichen Zuſtan- de des Koͤrpers eine Anwandlung von neuem erhitzet zu werden finde, wenn gleich die ehemalige Vorſtellung in der Seele nicht da iſt, die das erſtemal das Austre- ten der Kraͤfte veranlaßte. Gewiſſe Perſonen, die an einem Tage nach der Mahlzeit eine Veranlaſſung ge- habt hatten ſich heftig zu erzuͤrnen, wurden den fol- genden Tag nach der Mahlzeit wiederum von uͤbler Lau- ne befallen, bey der ſie ihre Anwandlung zum Zorn mit Muͤhe zuruͤckhielten, ob ſie gleich alsdenn an das Ge- ſchehene des vorigen Tages nicht gedachten, oder doch nur nebenher ſichs einfallen ließen. Noch mehr wird man ſich hiervon uͤberzeugen, wenn man auf die Schwie- rigkeiten Acht hat, die ein jeder antrift, der ſich von gewiſſen ſchon eingewurzelten koͤrperlichen Gewohnheiten losma-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/349
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/349>, abgerufen am 18.05.2024.