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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
derum auf eine Modifikation der Kräfte in den einzel-
nen Elementen zurück. Denn wenn sich die Lage der
Theile ändert, so ändern sich ja die relativen Vermögen
der Elemente auf einander zu wirken; und wenn nun
gleich die Grundkräfte immerfort von der nämlichen
Größe bleiben, so ändern sich doch die abgeleiteten
und relativen Kräfte, da die Grundkräfte sich nicht
auf die nämliche Art gegen dieselbigen Elemente thätig
beweisen können, wie vorher. Sollte wohl dieß alles
so leicht faßlich in der Fiber seyn, und so unbegreiflich,
wenn man etwas analogisches der Seele zuschreibet?
Ob eine Jdee aus dem Gedächtniß verloren ist, oder
nicht, das darf die Seelenthätigkeit im Ganzen noch
nicht mindern, und kann zuweilen nur allein daran lie-
gen, daß ihre innern Vorstellungen in eine andere Be-
ziehung gebracht worden sind, so daß die reproducirende
Kraft einer gewissen, in ihr vorhandenen Jdee nur nicht
gehörig beykommen kann. Auf manche Dinge besin-
nen wir uns nur darum nicht, weil wir so viel andere
im Kopfe haben, die sich uns darstellen, und jene un-
terdrücken, die sonsten, wenn sie nicht wären von andern
verdecket worden, uns leicht und deutlich genug sich ge-
zeiget hätten. Sollte auch eine Spur einer Vorstel-
lung gänzlich ausgelöschet worden seyn, so denke ich nicht,
daß diese Auslöschung in der Seele eben schwerer zu be-
greifen sey, als es ist, wenn ein Körper, und jede Par-
tikel desselben, aus der schnellesten Bewegung zur Ruhe
gebracht ist? Diese letztere Veränderung in den Ele-
menten mag bestehen worinn sie wolle, so ist sie eine
solche, bey der eine gewisse Beschaffenheit weggehet, die
vorher da war.

Nun wird doch auch die Seele als Gehirnskraft
verändert, da sie nach des Hrn. Bonnets Vorstellung
bald stärker, bald schwächer, auf das Gehirn wirket.
Was würde denn für eine besondere Schwierigkeit dabey

seyn,
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im Menſchen.
derum auf eine Modifikation der Kraͤfte in den einzel-
nen Elementen zuruͤck. Denn wenn ſich die Lage der
Theile aͤndert, ſo aͤndern ſich ja die relativen Vermoͤgen
der Elemente auf einander zu wirken; und wenn nun
gleich die Grundkraͤfte immerfort von der naͤmlichen
Groͤße bleiben, ſo aͤndern ſich doch die abgeleiteten
und relativen Kraͤfte, da die Grundkraͤfte ſich nicht
auf die naͤmliche Art gegen dieſelbigen Elemente thaͤtig
beweiſen koͤnnen, wie vorher. Sollte wohl dieß alles
ſo leicht faßlich in der Fiber ſeyn, und ſo unbegreiflich,
wenn man etwas analogiſches der Seele zuſchreibet?
Ob eine Jdee aus dem Gedaͤchtniß verloren iſt, oder
nicht, das darf die Seelenthaͤtigkeit im Ganzen noch
nicht mindern, und kann zuweilen nur allein daran lie-
gen, daß ihre innern Vorſtellungen in eine andere Be-
ziehung gebracht worden ſind, ſo daß die reproducirende
Kraft einer gewiſſen, in ihr vorhandenen Jdee nur nicht
gehoͤrig beykommen kann. Auf manche Dinge beſin-
nen wir uns nur darum nicht, weil wir ſo viel andere
im Kopfe haben, die ſich uns darſtellen, und jene un-
terdruͤcken, die ſonſten, wenn ſie nicht waͤren von andern
verdecket worden, uns leicht und deutlich genug ſich ge-
zeiget haͤtten. Sollte auch eine Spur einer Vorſtel-
lung gaͤnzlich ausgeloͤſchet worden ſeyn, ſo denke ich nicht,
daß dieſe Ausloͤſchung in der Seele eben ſchwerer zu be-
greifen ſey, als es iſt, wenn ein Koͤrper, und jede Par-
tikel deſſelben, aus der ſchnelleſten Bewegung zur Ruhe
gebracht iſt? Dieſe letztere Veraͤnderung in den Ele-
menten mag beſtehen worinn ſie wolle, ſo iſt ſie eine
ſolche, bey der eine gewiſſe Beſchaffenheit weggehet, die
vorher da war.

Nun wird doch auch die Seele als Gehirnskraft
veraͤndert, da ſie nach des Hrn. Bonnets Vorſtellung
bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤcher, auf das Gehirn wirket.
Was wuͤrde denn fuͤr eine beſondere Schwierigkeit dabey

ſeyn,
R 5
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[265/0295] im Menſchen. derum auf eine Modifikation der Kraͤfte in den einzel- nen Elementen zuruͤck. Denn wenn ſich die Lage der Theile aͤndert, ſo aͤndern ſich ja die relativen Vermoͤgen der Elemente auf einander zu wirken; und wenn nun gleich die Grundkraͤfte immerfort von der naͤmlichen Groͤße bleiben, ſo aͤndern ſich doch die abgeleiteten und relativen Kraͤfte, da die Grundkraͤfte ſich nicht auf die naͤmliche Art gegen dieſelbigen Elemente thaͤtig beweiſen koͤnnen, wie vorher. Sollte wohl dieß alles ſo leicht faßlich in der Fiber ſeyn, und ſo unbegreiflich, wenn man etwas analogiſches der Seele zuſchreibet? Ob eine Jdee aus dem Gedaͤchtniß verloren iſt, oder nicht, das darf die Seelenthaͤtigkeit im Ganzen noch nicht mindern, und kann zuweilen nur allein daran lie- gen, daß ihre innern Vorſtellungen in eine andere Be- ziehung gebracht worden ſind, ſo daß die reproducirende Kraft einer gewiſſen, in ihr vorhandenen Jdee nur nicht gehoͤrig beykommen kann. Auf manche Dinge beſin- nen wir uns nur darum nicht, weil wir ſo viel andere im Kopfe haben, die ſich uns darſtellen, und jene un- terdruͤcken, die ſonſten, wenn ſie nicht waͤren von andern verdecket worden, uns leicht und deutlich genug ſich ge- zeiget haͤtten. Sollte auch eine Spur einer Vorſtel- lung gaͤnzlich ausgeloͤſchet worden ſeyn, ſo denke ich nicht, daß dieſe Ausloͤſchung in der Seele eben ſchwerer zu be- greifen ſey, als es iſt, wenn ein Koͤrper, und jede Par- tikel deſſelben, aus der ſchnelleſten Bewegung zur Ruhe gebracht iſt? Dieſe letztere Veraͤnderung in den Ele- menten mag beſtehen worinn ſie wolle, ſo iſt ſie eine ſolche, bey der eine gewiſſe Beſchaffenheit weggehet, die vorher da war. Nun wird doch auch die Seele als Gehirnskraft veraͤndert, da ſie nach des Hrn. Bonnets Vorſtellung bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤcher, auf das Gehirn wirket. Was wuͤrde denn fuͤr eine beſondere Schwierigkeit dabey ſeyn, R 5

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/295>, abgerufen am 23.11.2024.