eine andere für das Braunrothe? u. s. f. Da die näm- lichen einfachen Bewegungen in mehrern zusammenge- setzten Jmpressionen vorkommen, nur in einer andern Ordnung und in einem andern Verhältniß: so kann dennoch jedes unterscheidbare Ganze seinen eigenen Fi- berbüschel haben; und dieß macht die Menge solcher be- sondern Büschel so groß, als die Anzahl der einzelnen individuellen Jmpressionen ist.
Aber es kann auch vielleicht genügen, daß die Man- nichfaltigkeit der Fibern so groß sey, als die Mannich- faltigkeit der einfachen Jmpressionen. So hat jede Saite in dem Jnstrument ihren eigenen Ton; aber nicht jedes Stück, was gespielet wird, hat sein eigenes Jnstrument, sondern die nämlichen Saiten werden in einer andern Folge und in andern Verbindungen ge- rühret.
Wenn man das letztere annimmt, so darf die Zahl der unterschiedenen Fibern nicht größer seyn, als es Mannichfaltigkeit in den einfachen Empfindungen giebt; und wenn nun dieß wiederum auf die einfach- sten Elemente der Empfindungen eingeschränkt wird; wer kann denn sagen, wie gering ihre Anzahl wohl nicht am Ende nur seyn könnte? Denn auf diese Art würden nicht mehr einfache Fibern nöthig seyn, als es ein- fache Grundfarben giebt, aus deren Vermischung die übrigen entstehen; und vielleicht würde die Zahl von drey Grundfarben, die man annimmt, noch zu groß seyn, wenn man sie noch weiter aufzulösen im Stande wäre, als man es jetzo ist.
Diese letztere Vorstellung scheinet auf der Einen Seite die Hypothese ungemein einfach zu machen; aber auf der andern wird sie dadurch doch nicht minder zusam- mengesetzt. Denn wenn nur so wenige Fibern erfodert werden, um die einfachen Töne in der Seele anzugeben: so muß eine jede auf eine vielfache Art mit jedweder
andern
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
eine andere fuͤr das Braunrothe? u. ſ. f. Da die naͤm- lichen einfachen Bewegungen in mehrern zuſammenge- ſetzten Jmpreſſionen vorkommen, nur in einer andern Ordnung und in einem andern Verhaͤltniß: ſo kann dennoch jedes unterſcheidbare Ganze ſeinen eigenen Fi- berbuͤſchel haben; und dieß macht die Menge ſolcher be- ſondern Buͤſchel ſo groß, als die Anzahl der einzelnen individuellen Jmpreſſionen iſt.
Aber es kann auch vielleicht genuͤgen, daß die Man- nichfaltigkeit der Fibern ſo groß ſey, als die Mannich- faltigkeit der einfachen Jmpreſſionen. So hat jede Saite in dem Jnſtrument ihren eigenen Ton; aber nicht jedes Stuͤck, was geſpielet wird, hat ſein eigenes Jnſtrument, ſondern die naͤmlichen Saiten werden in einer andern Folge und in andern Verbindungen ge- ruͤhret.
Wenn man das letztere annimmt, ſo darf die Zahl der unterſchiedenen Fibern nicht groͤßer ſeyn, als es Mannichfaltigkeit in den einfachen Empfindungen giebt; und wenn nun dieß wiederum auf die einfach- ſten Elemente der Empfindungen eingeſchraͤnkt wird; wer kann denn ſagen, wie gering ihre Anzahl wohl nicht am Ende nur ſeyn koͤnnte? Denn auf dieſe Art wuͤrden nicht mehr einfache Fibern noͤthig ſeyn, als es ein- fache Grundfarben giebt, aus deren Vermiſchung die uͤbrigen entſtehen; und vielleicht wuͤrde die Zahl von drey Grundfarben, die man annimmt, noch zu groß ſeyn, wenn man ſie noch weiter aufzuloͤſen im Stande waͤre, als man es jetzo iſt.
Dieſe letztere Vorſtellung ſcheinet auf der Einen Seite die Hypotheſe ungemein einfach zu machen; aber auf der andern wird ſie dadurch doch nicht minder zuſam- mengeſetzt. Denn wenn nur ſo wenige Fibern erfodert werden, um die einfachen Toͤne in der Seele anzugeben: ſo muß eine jede auf eine vielfache Art mit jedweder
andern
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XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen
eine andere fuͤr das Braunrothe? u. ſ. f. Da die naͤm-
lichen einfachen Bewegungen in mehrern zuſammenge-
ſetzten Jmpreſſionen vorkommen, nur in einer andern
Ordnung und in einem andern Verhaͤltniß: ſo kann
dennoch jedes unterſcheidbare Ganze ſeinen eigenen Fi-
berbuͤſchel haben; und dieß macht die Menge ſolcher be-
ſondern Buͤſchel ſo groß, als die Anzahl der einzelnen
individuellen Jmpreſſionen iſt.
Aber es kann auch vielleicht genuͤgen, daß die Man-
nichfaltigkeit der Fibern ſo groß ſey, als die Mannich-
faltigkeit der einfachen Jmpreſſionen. So hat jede
Saite in dem Jnſtrument ihren eigenen Ton; aber
nicht jedes Stuͤck, was geſpielet wird, hat ſein eigenes
Jnſtrument, ſondern die naͤmlichen Saiten werden in
einer andern Folge und in andern Verbindungen ge-
ruͤhret.
Wenn man das letztere annimmt, ſo darf die Zahl
der unterſchiedenen Fibern nicht groͤßer ſeyn, als es
Mannichfaltigkeit in den einfachen Empfindungen
giebt; und wenn nun dieß wiederum auf die einfach-
ſten Elemente der Empfindungen eingeſchraͤnkt wird;
wer kann denn ſagen, wie gering ihre Anzahl wohl
nicht am Ende nur ſeyn koͤnnte? Denn auf dieſe Art
wuͤrden nicht mehr einfache Fibern noͤthig ſeyn, als es ein-
fache Grundfarben giebt, aus deren Vermiſchung die
uͤbrigen entſtehen; und vielleicht wuͤrde die Zahl von
drey Grundfarben, die man annimmt, noch zu groß
ſeyn, wenn man ſie noch weiter aufzuloͤſen im Stande
waͤre, als man es jetzo iſt.
Dieſe letztere Vorſtellung ſcheinet auf der Einen
Seite die Hypotheſe ungemein einfach zu machen; aber
auf der andern wird ſie dadurch doch nicht minder zuſam-
mengeſetzt. Denn wenn nur ſo wenige Fibern erfodert
werden, um die einfachen Toͤne in der Seele anzugeben:
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/286>, abgerufen am 24.11.2024.
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