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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
Heterogeneität eines einzigen Wassertröpfchens und ei-
ner Masse Wassers, die aus solchen vereinigten Tröpf-
chen zusammengesetzet ist. Das immaterielle Jch
ist als ein solches nur Ein Ding, und das materielle
Gehirn
ist eine Menge vereinigter Dinge. Und
aus diesem Unterscheidungsmerkmal entspringt die Ent-
gegensetzung ihrer beiderseitigen Beschaffenheiten, Hand-
lungen und Wirkungen. Jenes kann nicht in mehrere
Theile zerlegt werden, da jedes auch ein für sich beste-
hendes Wesen
ist, wie der Körper. Diesen muß
man sich als ein aus substantiellen Einheiten beste-
hendes Ding vorstellen, wofern man nicht zu den alten
aristotelischen Jdeen von der substantiellen Form zu-
rückgehen will, die man sich als etwas, das die Mate-
rie durchdringet, sich in ihr verbreitet, ihr beywohnt,
und mit ihr vereiniget ist, abbildet. Es ist leicht ein-
zusehen, daß diese Begriffe aus dem Schein, den wir
von den Körpern erlangen, abstrahiret sind. Aber eine
nähere Entwickelung dieser verwirrten sinnlichen Jdeen
hat es, man kann sagen, entschieden, daß die Körper
aus Theilen bestehen, die von einander wirklich abge-
sondert sind, und nicht in einander fortlaufen, wenn
gleich oft dicht an einander anliegen (partes discretae);
und daß jene also Einheiten in sich fassen, die nicht von
neuem aus andern trennbaren Einheiten zusammen-
gesetzt sind. Dieß, was ich bisher nur als die Vor-
stellungsart der Jmmaterialisten angeführt habe, ist,
meiner Meinung nach, die richtige, wofern nicht etwa
von neuem die Begriffe von Materie und Körper
zweifelhaft gemacht und der philosophische Lehrsatz, daß
es einfache Wesen oder Monaden gebe, und daß
diese die letzten Bestandtheile des Körpers ausmachen,
verworfen werden soll. Allein, wer hiebey noch an-
stößt, sollte der auch wol genug vorbereitet seyn, um
mit der besondern Untersuchung über die Einfachheit der

Seele
M 4

im Menſchen.
Heterogeneitaͤt eines einzigen Waſſertroͤpfchens und ei-
ner Maſſe Waſſers, die aus ſolchen vereinigten Troͤpf-
chen zuſammengeſetzet iſt. Das immaterielle Jch
iſt als ein ſolches nur Ein Ding, und das materielle
Gehirn
iſt eine Menge vereinigter Dinge. Und
aus dieſem Unterſcheidungsmerkmal entſpringt die Ent-
gegenſetzung ihrer beiderſeitigen Beſchaffenheiten, Hand-
lungen und Wirkungen. Jenes kann nicht in mehrere
Theile zerlegt werden, da jedes auch ein fuͤr ſich beſte-
hendes Weſen
iſt, wie der Koͤrper. Dieſen muß
man ſich als ein aus ſubſtantiellen Einheiten beſte-
hendes Ding vorſtellen, wofern man nicht zu den alten
ariſtoteliſchen Jdeen von der ſubſtantiellen Form zu-
ruͤckgehen will, die man ſich als etwas, das die Mate-
rie durchdringet, ſich in ihr verbreitet, ihr beywohnt,
und mit ihr vereiniget iſt, abbildet. Es iſt leicht ein-
zuſehen, daß dieſe Begriffe aus dem Schein, den wir
von den Koͤrpern erlangen, abſtrahiret ſind. Aber eine
naͤhere Entwickelung dieſer verwirrten ſinnlichen Jdeen
hat es, man kann ſagen, entſchieden, daß die Koͤrper
aus Theilen beſtehen, die von einander wirklich abge-
ſondert ſind, und nicht in einander fortlaufen, wenn
gleich oft dicht an einander anliegen (partes diſcretae);
und daß jene alſo Einheiten in ſich faſſen, die nicht von
neuem aus andern trennbaren Einheiten zuſammen-
geſetzt ſind. Dieß, was ich bisher nur als die Vor-
ſtellungsart der Jmmaterialiſten angefuͤhrt habe, iſt,
meiner Meinung nach, die richtige, wofern nicht etwa
von neuem die Begriffe von Materie und Koͤrper
zweifelhaft gemacht und der philoſophiſche Lehrſatz, daß
es einfache Weſen oder Monaden gebe, und daß
dieſe die letzten Beſtandtheile des Koͤrpers ausmachen,
verworfen werden ſoll. Allein, wer hiebey noch an-
ſtoͤßt, ſollte der auch wol genug vorbereitet ſeyn, um
mit der beſondern Unterſuchung uͤber die Einfachheit der

Seele
M 4
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[183/0213] im Menſchen. Heterogeneitaͤt eines einzigen Waſſertroͤpfchens und ei- ner Maſſe Waſſers, die aus ſolchen vereinigten Troͤpf- chen zuſammengeſetzet iſt. Das immaterielle Jch iſt als ein ſolches nur Ein Ding, und das materielle Gehirn iſt eine Menge vereinigter Dinge. Und aus dieſem Unterſcheidungsmerkmal entſpringt die Ent- gegenſetzung ihrer beiderſeitigen Beſchaffenheiten, Hand- lungen und Wirkungen. Jenes kann nicht in mehrere Theile zerlegt werden, da jedes auch ein fuͤr ſich beſte- hendes Weſen iſt, wie der Koͤrper. Dieſen muß man ſich als ein aus ſubſtantiellen Einheiten beſte- hendes Ding vorſtellen, wofern man nicht zu den alten ariſtoteliſchen Jdeen von der ſubſtantiellen Form zu- ruͤckgehen will, die man ſich als etwas, das die Mate- rie durchdringet, ſich in ihr verbreitet, ihr beywohnt, und mit ihr vereiniget iſt, abbildet. Es iſt leicht ein- zuſehen, daß dieſe Begriffe aus dem Schein, den wir von den Koͤrpern erlangen, abſtrahiret ſind. Aber eine naͤhere Entwickelung dieſer verwirrten ſinnlichen Jdeen hat es, man kann ſagen, entſchieden, daß die Koͤrper aus Theilen beſtehen, die von einander wirklich abge- ſondert ſind, und nicht in einander fortlaufen, wenn gleich oft dicht an einander anliegen (partes diſcretae); und daß jene alſo Einheiten in ſich faſſen, die nicht von neuem aus andern trennbaren Einheiten zuſammen- geſetzt ſind. Dieß, was ich bisher nur als die Vor- ſtellungsart der Jmmaterialiſten angefuͤhrt habe, iſt, meiner Meinung nach, die richtige, wofern nicht etwa von neuem die Begriffe von Materie und Koͤrper zweifelhaft gemacht und der philoſophiſche Lehrſatz, daß es einfache Weſen oder Monaden gebe, und daß dieſe die letzten Beſtandtheile des Koͤrpers ausmachen, verworfen werden ſoll. Allein, wer hiebey noch an- ſtoͤßt, ſollte der auch wol genug vorbereitet ſeyn, um mit der beſondern Unterſuchung uͤber die Einfachheit der Seele M 4

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/213>, abgerufen am 24.11.2024.