nur weil die Ursache für sich gehindert werden kann, sondern auch weil sie durch ihre eigene innere Kraft ih- re Handlung unterbrechen kann, und dazu das volle Vermögen hat, ob sie gleich jene |ihren Weg gehen läßt. Hier ist also in den freyen Handlungen eine in- nere Zufälligkeit, die das Daseyn äußerer Ursachen nicht erfodert, und die auch durch keine Gewalt von außen aufgehoben werden kann, wofern nicht auch zu- gleich die Handlung erzwungen werden, und eine freye Handlung zu seyn aufhören soll.
Um also die Wirkung einer frey handelnden Kraft aus ihrer zureichenden Ursache herzuleiten, ist es nicht genug, diese letztere mit allen ihren Erfodernissen anzu- nehmen. Es muß hinzugefüget werden, daß sich von außen kein Hinderniß einmische. Und noch nicht ge- nug; es muß ferner hinzugefüget werden, daß sich von innen nichts einmische, nämlich daß die thätige Kraft sich selbst nicht zurückhalte, oder sich anders bestimme.
Diese Verschiedenheiten aus allgemeinen Begriffen sind doch zum mindesten reelle Verschiedenheiten, wel- ches auch der Jndeterminist nicht abläugnen wird, we- nigstens nicht darf, um sein System zu behaupten. Er läugnet nur, daß diese Zufälligkeit für freye Handlun- gen genüge. Aber dieß mußte von neuem zur Frage ge- setzet werden.
Die hier erklärte Zufälligkeit ist dieselbige, welche wir in unsern Erfahrungen bey der Seele antreffen. So viel, nicht mehr, noch weniger enthält die Empfindung unserer Freyheit, als was in jenem Begriff enthalten ist. Vernunft und Erfahrung sind in Harmonie mit einander. Jch handle, so wie ich handle, nach zurei- chenden Gründen; aber ich kann anders handeln, durch mich selbst und aus mir selbst, wenn ich meiner selbst mächtig bin. Jch höre jetzo noch nicht auf zu schreiben; dazu habe ich keinen Grund, und es gefällt
mir
und Freyheit.
nur weil die Urſache fuͤr ſich gehindert werden kann, ſondern auch weil ſie durch ihre eigene innere Kraft ih- re Handlung unterbrechen kann, und dazu das volle Vermoͤgen hat, ob ſie gleich jene |ihren Weg gehen laͤßt. Hier iſt alſo in den freyen Handlungen eine in- nere Zufaͤlligkeit, die das Daſeyn aͤußerer Urſachen nicht erfodert, und die auch durch keine Gewalt von außen aufgehoben werden kann, wofern nicht auch zu- gleich die Handlung erzwungen werden, und eine freye Handlung zu ſeyn aufhoͤren ſoll.
Um alſo die Wirkung einer frey handelnden Kraft aus ihrer zureichenden Urſache herzuleiten, iſt es nicht genug, dieſe letztere mit allen ihren Erfoderniſſen anzu- nehmen. Es muß hinzugefuͤget werden, daß ſich von außen kein Hinderniß einmiſche. Und noch nicht ge- nug; es muß ferner hinzugefuͤget werden, daß ſich von innen nichts einmiſche, naͤmlich daß die thaͤtige Kraft ſich ſelbſt nicht zuruͤckhalte, oder ſich anders beſtimme.
Dieſe Verſchiedenheiten aus allgemeinen Begriffen ſind doch zum mindeſten reelle Verſchiedenheiten, wel- ches auch der Jndeterminiſt nicht ablaͤugnen wird, we- nigſtens nicht darf, um ſein Syſtem zu behaupten. Er laͤugnet nur, daß dieſe Zufaͤlligkeit fuͤr freye Handlun- gen genuͤge. Aber dieß mußte von neuem zur Frage ge- ſetzet werden.
Die hier erklaͤrte Zufaͤlligkeit iſt dieſelbige, welche wir in unſern Erfahrungen bey der Seele antreffen. So viel, nicht mehr, noch weniger enthaͤlt die Empfindung unſerer Freyheit, als was in jenem Begriff enthalten iſt. Vernunft und Erfahrung ſind in Harmonie mit einander. Jch handle, ſo wie ich handle, nach zurei- chenden Gruͤnden; aber ich kann anders handeln, durch mich ſelbſt und aus mir ſelbſt, wenn ich meiner ſelbſt maͤchtig bin. Jch hoͤre jetzo noch nicht auf zu ſchreiben; dazu habe ich keinen Grund, und es gefaͤllt
mir
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und Freyheit.
nur weil die Urſache fuͤr ſich gehindert werden kann,
ſondern auch weil ſie durch ihre eigene innere Kraft ih-
re Handlung unterbrechen kann, und dazu das volle
Vermoͤgen hat, ob ſie gleich jene |ihren Weg gehen
laͤßt. Hier iſt alſo in den freyen Handlungen eine in-
nere Zufaͤlligkeit, die das Daſeyn aͤußerer Urſachen
nicht erfodert, und die auch durch keine Gewalt von
außen aufgehoben werden kann, wofern nicht auch zu-
gleich die Handlung erzwungen werden, und eine freye
Handlung zu ſeyn aufhoͤren ſoll.
Um alſo die Wirkung einer frey handelnden Kraft
aus ihrer zureichenden Urſache herzuleiten, iſt es nicht
genug, dieſe letztere mit allen ihren Erfoderniſſen anzu-
nehmen. Es muß hinzugefuͤget werden, daß ſich von
außen kein Hinderniß einmiſche. Und noch nicht ge-
nug; es muß ferner hinzugefuͤget werden, daß ſich von
innen nichts einmiſche, naͤmlich daß die thaͤtige Kraft
ſich ſelbſt nicht zuruͤckhalte, oder ſich anders beſtimme.
Dieſe Verſchiedenheiten aus allgemeinen Begriffen
ſind doch zum mindeſten reelle Verſchiedenheiten, wel-
ches auch der Jndeterminiſt nicht ablaͤugnen wird, we-
nigſtens nicht darf, um ſein Syſtem zu behaupten. Er
laͤugnet nur, daß dieſe Zufaͤlligkeit fuͤr freye Handlun-
gen genuͤge. Aber dieß mußte von neuem zur Frage ge-
ſetzet werden.
Die hier erklaͤrte Zufaͤlligkeit iſt dieſelbige, welche
wir in unſern Erfahrungen bey der Seele antreffen. So
viel, nicht mehr, noch weniger enthaͤlt die Empfindung
unſerer Freyheit, als was in jenem Begriff enthalten
iſt. Vernunft und Erfahrung ſind in Harmonie mit
einander. Jch handle, ſo wie ich handle, nach zurei-
chenden Gruͤnden; aber ich kann anders handeln, durch
mich ſelbſt und aus mir ſelbſt, wenn ich meiner
ſelbſt maͤchtig bin. Jch hoͤre jetzo noch nicht auf zu
ſchreiben; dazu habe ich keinen Grund, und es gefaͤllt
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/173>, abgerufen am 26.11.2024.
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