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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XII. Versuch. Ueber die Selbstthätigkeit
den letztern allein nehmen, so lehren die obigen Beyspie-
le schon, daß die Wirkung ausbleiben könne, wenn
gleich der völlig bestimmende Grund vorhanden ist, und
daß jene also nur zufällig mit diesem verbunden sey.
Allein es könne auch andre Fälle geben, wo die Ver-
knüpfung nothwendig ist. Dieß ist sie nämlich als-
denn, wenn die Bedingung, daß kein Hinderniß vor-
handen sey, schon in dem übrigen wahren zureichenden
Grunde begriffen ist, und zugleich dadurch mit gesetzet
wird, so daß dieser positive Grund nicht so seyn oder so
bleiben würde, wie er ist, wenn ein Hinderniß erfolget.

Wir stellen uns die Ursache, ihre Aktion, und
das Wirklichwerden des Effekts in einer gewissen
Zeitfolge vor, so nahe und unmittelbar ihre einzelne
Momente auch an einander liegen. Nach dieser Jdee
kann man mit der Voraussetzung des positiven Grundes
auch so gar die Bedingung verbinden, daß in dem er-
sten
Moment kein Hinderniß vorhanden sey; und es blei-
ben doch noch zween sehr unterschiedene Fälle übrig, die
beide möglich sind. Jn dem Einen kann noch derglei-
chen Hinderniß in den folgenden Momenten hinzukom-
men, in dem andern aber nicht.

Die Verknüpfung zwischen der Ursache und ihrer
Wirkung ist also zufällig alsdenn, wenn der ganze po-
sitive Grund mit allen übrigen positiven Erfodernissen so
seyn und bleiben kann, wie er ist und bleibet, wenn die
Wirkung verursachet wird, und dennoch ein neues Hin-
derniß dazwischen kommen kann, was seine Ausrichtung
oder Verursachung auf hält. Dieß ist eine Zufällig-
keit, die in dem eigentlichsten Verstande in der Depen-
denz der Wirkung von der vorhandenen und auch
fortdauernden Ursache Statt findet.

Gesetzt aber, daß die wirkliche Verhinderung nicht
anders möglich sey, als daß auch zugleich alsdenn et-
was in jenem positiven zureichenden Grunde, es sey

nun

XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
den letztern allein nehmen, ſo lehren die obigen Beyſpie-
le ſchon, daß die Wirkung ausbleiben koͤnne, wenn
gleich der voͤllig beſtimmende Grund vorhanden iſt, und
daß jene alſo nur zufaͤllig mit dieſem verbunden ſey.
Allein es koͤnne auch andre Faͤlle geben, wo die Ver-
knuͤpfung nothwendig iſt. Dieß iſt ſie naͤmlich als-
denn, wenn die Bedingung, daß kein Hinderniß vor-
handen ſey, ſchon in dem uͤbrigen wahren zureichenden
Grunde begriffen iſt, und zugleich dadurch mit geſetzet
wird, ſo daß dieſer poſitive Grund nicht ſo ſeyn oder ſo
bleiben wuͤrde, wie er iſt, wenn ein Hinderniß erfolget.

Wir ſtellen uns die Urſache, ihre Aktion, und
das Wirklichwerden des Effekts in einer gewiſſen
Zeitfolge vor, ſo nahe und unmittelbar ihre einzelne
Momente auch an einander liegen. Nach dieſer Jdee
kann man mit der Vorausſetzung des poſitiven Grundes
auch ſo gar die Bedingung verbinden, daß in dem er-
ſten
Moment kein Hinderniß vorhanden ſey; und es blei-
ben doch noch zween ſehr unterſchiedene Faͤlle uͤbrig, die
beide moͤglich ſind. Jn dem Einen kann noch derglei-
chen Hinderniß in den folgenden Momenten hinzukom-
men, in dem andern aber nicht.

Die Verknuͤpfung zwiſchen der Urſache und ihrer
Wirkung iſt alſo zufaͤllig alsdenn, wenn der ganze po-
ſitive Grund mit allen uͤbrigen poſitiven Erfoderniſſen ſo
ſeyn und bleiben kann, wie er iſt und bleibet, wenn die
Wirkung verurſachet wird, und dennoch ein neues Hin-
derniß dazwiſchen kommen kann, was ſeine Ausrichtung
oder Verurſachung auf haͤlt. Dieß iſt eine Zufaͤllig-
keit, die in dem eigentlichſten Verſtande in der Depen-
denz der Wirkung von der vorhandenen und auch
fortdauernden Urſache Statt findet.

Geſetzt aber, daß die wirkliche Verhinderung nicht
anders moͤglich ſey, als daß auch zugleich alsdenn et-
was in jenem poſitiven zureichenden Grunde, es ſey

nun
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[138/0168] XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit den letztern allein nehmen, ſo lehren die obigen Beyſpie- le ſchon, daß die Wirkung ausbleiben koͤnne, wenn gleich der voͤllig beſtimmende Grund vorhanden iſt, und daß jene alſo nur zufaͤllig mit dieſem verbunden ſey. Allein es koͤnne auch andre Faͤlle geben, wo die Ver- knuͤpfung nothwendig iſt. Dieß iſt ſie naͤmlich als- denn, wenn die Bedingung, daß kein Hinderniß vor- handen ſey, ſchon in dem uͤbrigen wahren zureichenden Grunde begriffen iſt, und zugleich dadurch mit geſetzet wird, ſo daß dieſer poſitive Grund nicht ſo ſeyn oder ſo bleiben wuͤrde, wie er iſt, wenn ein Hinderniß erfolget. Wir ſtellen uns die Urſache, ihre Aktion, und das Wirklichwerden des Effekts in einer gewiſſen Zeitfolge vor, ſo nahe und unmittelbar ihre einzelne Momente auch an einander liegen. Nach dieſer Jdee kann man mit der Vorausſetzung des poſitiven Grundes auch ſo gar die Bedingung verbinden, daß in dem er- ſten Moment kein Hinderniß vorhanden ſey; und es blei- ben doch noch zween ſehr unterſchiedene Faͤlle uͤbrig, die beide moͤglich ſind. Jn dem Einen kann noch derglei- chen Hinderniß in den folgenden Momenten hinzukom- men, in dem andern aber nicht. Die Verknuͤpfung zwiſchen der Urſache und ihrer Wirkung iſt alſo zufaͤllig alsdenn, wenn der ganze po- ſitive Grund mit allen uͤbrigen poſitiven Erfoderniſſen ſo ſeyn und bleiben kann, wie er iſt und bleibet, wenn die Wirkung verurſachet wird, und dennoch ein neues Hin- derniß dazwiſchen kommen kann, was ſeine Ausrichtung oder Verurſachung auf haͤlt. Dieß iſt eine Zufaͤllig- keit, die in dem eigentlichſten Verſtande in der Depen- denz der Wirkung von der vorhandenen und auch fortdauernden Urſache Statt findet. Geſetzt aber, daß die wirkliche Verhinderung nicht anders moͤglich ſey, als daß auch zugleich alsdenn et- was in jenem poſitiven zureichenden Grunde, es ſey nun

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/168>, abgerufen am 02.05.2024.