gel eine nothwendige Folge von seinen drey Seiten sind. Dieß läugnet derjenige, der etwas dem Zufall über- läßt; und dieß läugnet auch der Jntederminist. Er meint, er sey dazu gezwungen, vermöge dessen, was ihn die Erfahrung von freyen wirkenden Ursachen leh- ret. Jch meine es nicht, und wenn sie dies als das Schiboleth ihrer Gegner, der Deterministen, anse- hen, so nehme ich es an, zu diesen letztern gezählt zu werden.
Allein, wenn die Bedingung, daß kein Hinderniß da sey, noch nicht angenommen werden kann; wenn sie noch dahin stehet, und wenn man nur allein die Vor- aussetzung vor sich hat, "daß die völlig bestimmen- "de Ursache vorhanden sey," worunter ich hier, so wohl die eigentliche wirkende Ursache mit ihrer thä- tigen Kraft, als auch die übrigen positiven Er- fodernisse und Umstände, die etwas zur Bestim- mung der Wirkung beytragen, zusammen nehme: so finden zween sehr verschiedene Fälle Statt, auf deren wichtige Unterscheidung alles ankommt.
2.
Die Ursache mit allen übrigen Erfodernissen ist vorhanden; aber es kann, ehe die Wirkung erfolgt, noch etwas Positives dazwischen kommen. Eine Ku- gel fahre z. B. in gerader Richtung auf ein Glas zu, so wird sie das Glas zerbrechen, wenn nichts dazwischen tritt. Aber nun wird sie aufgegriffen, oder das Glas wird ihr entzogen, und die Wirkung erfolget nicht. Al- les war gleichwohl dazu vorbereitet, nichts fehlte mehr daran, es hätte nur nichts neues, nur keine neue Ursache, keine Wirkung einer andern fremden Kraft, nichts, das ein Hinderniß ausmachte, hinzukommen sollen.
Hier war also ein Beyspiel, wo die Regel: posita causa ponitur effectus, nur unter der Bedingung Statt
fand,
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
gel eine nothwendige Folge von ſeinen drey Seiten ſind. Dieß laͤugnet derjenige, der etwas dem Zufall uͤber- laͤßt; und dieß laͤugnet auch der Jntederminiſt. Er meint, er ſey dazu gezwungen, vermoͤge deſſen, was ihn die Erfahrung von freyen wirkenden Urſachen leh- ret. Jch meine es nicht, und wenn ſie dies als das Schiboleth ihrer Gegner, der Determiniſten, anſe- hen, ſo nehme ich es an, zu dieſen letztern gezaͤhlt zu werden.
Allein, wenn die Bedingung, daß kein Hinderniß da ſey, noch nicht angenommen werden kann; wenn ſie noch dahin ſtehet, und wenn man nur allein die Vor- ausſetzung vor ſich hat, „daß die voͤllig beſtimmen- „de Urſache vorhanden ſey,‟ worunter ich hier, ſo wohl die eigentliche wirkende Urſache mit ihrer thaͤ- tigen Kraft, als auch die uͤbrigen poſitiven Er- foderniſſe und Umſtaͤnde, die etwas zur Beſtim- mung der Wirkung beytragen, zuſammen nehme: ſo finden zween ſehr verſchiedene Faͤlle Statt, auf deren wichtige Unterſcheidung alles ankommt.
2.
Die Urſache mit allen uͤbrigen Erfoderniſſen iſt vorhanden; aber es kann, ehe die Wirkung erfolgt, noch etwas Poſitives dazwiſchen kommen. Eine Ku- gel fahre z. B. in gerader Richtung auf ein Glas zu, ſo wird ſie das Glas zerbrechen, wenn nichts dazwiſchen tritt. Aber nun wird ſie aufgegriffen, oder das Glas wird ihr entzogen, und die Wirkung erfolget nicht. Al- les war gleichwohl dazu vorbereitet, nichts fehlte mehr daran, es haͤtte nur nichts neues, nur keine neue Urſache, keine Wirkung einer andern fremden Kraft, nichts, das ein Hinderniß ausmachte, hinzukommen ſollen.
Hier war alſo ein Beyſpiel, wo die Regel: poſita cauſa ponitur effectus, nur unter der Bedingung Statt
fand,
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
gel eine nothwendige Folge von ſeinen drey Seiten ſind.
Dieß laͤugnet derjenige, der etwas dem Zufall uͤber-
laͤßt; und dieß laͤugnet auch der Jntederminiſt. Er
meint, er ſey dazu gezwungen, vermoͤge deſſen, was
ihn die Erfahrung von freyen wirkenden Urſachen leh-
ret. Jch meine es nicht, und wenn ſie dies als das
Schiboleth ihrer Gegner, der Determiniſten, anſe-
hen, ſo nehme ich es an, zu dieſen letztern gezaͤhlt zu
werden.
Allein, wenn die Bedingung, daß kein Hinderniß
da ſey, noch nicht angenommen werden kann; wenn ſie
noch dahin ſtehet, und wenn man nur allein die Vor-
ausſetzung vor ſich hat, „daß die voͤllig beſtimmen-
„de Urſache vorhanden ſey,‟ worunter ich hier, ſo
wohl die eigentliche wirkende Urſache mit ihrer thaͤ-
tigen Kraft, als auch die uͤbrigen poſitiven Er-
foderniſſe und Umſtaͤnde, die etwas zur Beſtim-
mung der Wirkung beytragen, zuſammen nehme: ſo
finden zween ſehr verſchiedene Faͤlle Statt, auf deren
wichtige Unterſcheidung alles ankommt.
2.
Die Urſache mit allen uͤbrigen Erfoderniſſen iſt
vorhanden; aber es kann, ehe die Wirkung erfolgt,
noch etwas Poſitives dazwiſchen kommen. Eine Ku-
gel fahre z. B. in gerader Richtung auf ein Glas zu, ſo
wird ſie das Glas zerbrechen, wenn nichts dazwiſchen
tritt. Aber nun wird ſie aufgegriffen, oder das Glas
wird ihr entzogen, und die Wirkung erfolget nicht. Al-
les war gleichwohl dazu vorbereitet, nichts fehlte mehr
daran, es haͤtte nur nichts neues, nur keine neue Urſache,
keine Wirkung einer andern fremden Kraft, nichts, das
ein Hinderniß ausmachte, hinzukommen ſollen.
Hier war alſo ein Beyſpiel, wo die Regel: poſita
cauſa ponitur effectus, nur unter der Bedingung Statt
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/164>, abgerufen am 27.11.2024.
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