dem Druck des Wassers vor, das alsdenn, wenn es sich nach einer Seite hin wirklich beweget, desto weniger nach der gegenüberstehenden hin mit seiner Pression wirket. Jn der Seele aber ist es nicht also. Wenn diese sich während der ganzen Aktion in ihrer Gewalt behält, so bestehet ihre Vorstellung von dem Entgegen- gesetzten, und ihr Druck auf diese Jdee eben so, wie sol- cher im Anfange vorhanden war. Dieß ist es eben, was die fortdaurende Gegenwart des Geistes, womit eine freye Handlung ganz durch verrichtet wird, aus- machet.
XIII. Deutlichere Vorstellung von der Freyheit, oder der Selbstmacht über sich.
Nun meyne ich, sind wir bis auf die eigentliche Stelle hin, wo ich habe hinwollen. Laßt uns nur noch einmal auf das Vorhergehende einen allgemeinen Blick werfen. Wenn wir frey handeln oder mit Selbstmacht über uns, so soll in uns ein Vermögen, uns selbst zu dem Gegentheil zu bestimmen, vorhanden seyn, und zu- gleich in demselbigen Moment vorhanden seyn, in dem wir uns bestimmen. Und dieß letztere Vermögen soll unter allen Umständen der Handlung ein solches Ver- mögen bleiben, so weit nämlich die Handlung frey ist. Denn darum hat der Mensch sich im Affekt noch nicht in seiner Gewalt, weil er etwan im ersten Anfang des- selben sich hatte begreifen können? Die Gegenwart des Geistes, die thätige Wirkung der Seele auf den Um- fang ihrer dermaligen Gefühle und Vorstellungen (com- positio mentis) muß fortdauern, so lange die Hand- lung als eine freye Handlung fortgehet.
Das Vermögen, anders zu handeln, muß ferner ein hinreichendes Vermögen seyn, das ist, von solcher
Stärke,
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und Freyheit.
dem Druck des Waſſers vor, das alsdenn, wenn es ſich nach einer Seite hin wirklich beweget, deſto weniger nach der gegenuͤberſtehenden hin mit ſeiner Preſſion wirket. Jn der Seele aber iſt es nicht alſo. Wenn dieſe ſich waͤhrend der ganzen Aktion in ihrer Gewalt behaͤlt, ſo beſtehet ihre Vorſtellung von dem Entgegen- geſetzten, und ihr Druck auf dieſe Jdee eben ſo, wie ſol- cher im Anfange vorhanden war. Dieß iſt es eben, was die fortdaurende Gegenwart des Geiſtes, womit eine freye Handlung ganz durch verrichtet wird, aus- machet.
XIII. Deutlichere Vorſtellung von der Freyheit, oder der Selbſtmacht uͤber ſich.
Nun meyne ich, ſind wir bis auf die eigentliche Stelle hin, wo ich habe hinwollen. Laßt uns nur noch einmal auf das Vorhergehende einen allgemeinen Blick werfen. Wenn wir frey handeln oder mit Selbſtmacht uͤber uns, ſo ſoll in uns ein Vermoͤgen, uns ſelbſt zu dem Gegentheil zu beſtimmen, vorhanden ſeyn, und zu- gleich in demſelbigen Moment vorhanden ſeyn, in dem wir uns beſtimmen. Und dieß letztere Vermoͤgen ſoll unter allen Umſtaͤnden der Handlung ein ſolches Ver- moͤgen bleiben, ſo weit naͤmlich die Handlung frey iſt. Denn darum hat der Menſch ſich im Affekt noch nicht in ſeiner Gewalt, weil er etwan im erſten Anfang deſ- ſelben ſich hatte begreifen koͤnnen? Die Gegenwart des Geiſtes, die thaͤtige Wirkung der Seele auf den Um- fang ihrer dermaligen Gefuͤhle und Vorſtellungen (com- poſitio mentis) muß fortdauern, ſo lange die Hand- lung als eine freye Handlung fortgehet.
Das Vermoͤgen, anders zu handeln, muß ferner ein hinreichendes Vermoͤgen ſeyn, das iſt, von ſolcher
Staͤrke,
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und Freyheit.
dem Druck des Waſſers vor, das alsdenn, wenn es ſich
nach einer Seite hin wirklich beweget, deſto weniger
nach der gegenuͤberſtehenden hin mit ſeiner Preſſion
wirket. Jn der Seele aber iſt es nicht alſo. Wenn
dieſe ſich waͤhrend der ganzen Aktion in ihrer Gewalt
behaͤlt, ſo beſtehet ihre Vorſtellung von dem Entgegen-
geſetzten, und ihr Druck auf dieſe Jdee eben ſo, wie ſol-
cher im Anfange vorhanden war. Dieß iſt es eben,
was die fortdaurende Gegenwart des Geiſtes, womit
eine freye Handlung ganz durch verrichtet wird, aus-
machet.
XIII.
Deutlichere Vorſtellung von der Freyheit, oder
der Selbſtmacht uͤber ſich.
Nun meyne ich, ſind wir bis auf die eigentliche Stelle
hin, wo ich habe hinwollen. Laßt uns nur noch
einmal auf das Vorhergehende einen allgemeinen Blick
werfen. Wenn wir frey handeln oder mit Selbſtmacht
uͤber uns, ſo ſoll in uns ein Vermoͤgen, uns ſelbſt zu
dem Gegentheil zu beſtimmen, vorhanden ſeyn, und zu-
gleich in demſelbigen Moment vorhanden ſeyn, in dem
wir uns beſtimmen. Und dieß letztere Vermoͤgen ſoll
unter allen Umſtaͤnden der Handlung ein ſolches Ver-
moͤgen bleiben, ſo weit naͤmlich die Handlung frey iſt.
Denn darum hat der Menſch ſich im Affekt noch nicht
in ſeiner Gewalt, weil er etwan im erſten Anfang deſ-
ſelben ſich hatte begreifen koͤnnen? Die Gegenwart des
Geiſtes, die thaͤtige Wirkung der Seele auf den Um-
fang ihrer dermaligen Gefuͤhle und Vorſtellungen (com-
poſitio mentis) muß fortdauern, ſo lange die Hand-
lung als eine freye Handlung fortgehet.
Das Vermoͤgen, anders zu handeln, muß ferner
ein hinreichendes Vermoͤgen ſeyn, das iſt, von ſolcher
Staͤrke,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/151>, abgerufen am 23.11.2024.
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