wenn ich beide entgegengesetzte ideelle Objekte betrachtet und erwogen habe: so fehlet nichts mehr, um das Ge- gentheil wirklich zu wollen, als daß es am meisten ge- falle. Daß es aber jetzo mir weniger oder gar nicht ge- fällt, hat seinen Grund in der Natur der vorgestellten Sache, und ihren Beziehungen auf mich, also in der Vorstellung selbst, und in dem Mangel ihrer vorzüg- lich bewegenden Kraft, mit der sie auf mich zurückwir- ken konnte; aber nicht darinn, weil ich sie weniger als die ihr entgegengesetzte bearbeitet hätte, und sie weniger klar und deutlich dermalen in mir gegenwärtig gewesen wäre.
Jn |diesem Fall, wo ich nicht will, weil es mir nicht gefällt, und wo dieß Nichtgefallen allein darinn seinen Grund hat, weil es an bewegender Kraft in der gegenwärtigen Jdee von dem Objekt und von der Hand- lung fehlte, nicht aber darinn, daß sie etwan nicht in der gehörigen Lage gewesen wäre, um auf mich mit ih- rer bewegenden Kraft wirken zu können; in diesem Fall, sage ich, fühlen wirs am deutlichsten, daß wir eben so gut nicht wollen können, als wollen, und das Vermö- gen zu beiden in gleicher Maße besitzen. Wir fühlen es, daß, wenn wir nun mehr wollen als nicht wollen, oder unsere Kraft wirklich auf die erste Art anwenden, und nicht auf die zwote, dieß darum allein sich eräug- ne, weil jenes gefällt, und nicht dieses.
Wenn die Jdee der Sache selbst es nicht ist, die sie uns gefällig macht, sondern eine mit ihr verbundene Nebenidee; und auch, wenn wir es für gut befinden, unserm Kopf zu folgen, gegen die bessern vernünfti- gern Gründe: so ändert dieß nichts in dem Vermögen. Jch überlege, ich vergleiche, kann das Eine und das Andere wollen. Zu beiden Bestimmungen ist innere Wirksamkeit, ein Gegenstand, und eine solche Lage des Gegenstandes vorhanden, daß meine Kraft vielleicht
noch
und Freyheit.
wenn ich beide entgegengeſetzte ideelle Objekte betrachtet und erwogen habe: ſo fehlet nichts mehr, um das Ge- gentheil wirklich zu wollen, als daß es am meiſten ge- falle. Daß es aber jetzo mir weniger oder gar nicht ge- faͤllt, hat ſeinen Grund in der Natur der vorgeſtellten Sache, und ihren Beziehungen auf mich, alſo in der Vorſtellung ſelbſt, und in dem Mangel ihrer vorzuͤg- lich bewegenden Kraft, mit der ſie auf mich zuruͤckwir- ken konnte; aber nicht darinn, weil ich ſie weniger als die ihr entgegengeſetzte bearbeitet haͤtte, und ſie weniger klar und deutlich dermalen in mir gegenwaͤrtig geweſen waͤre.
Jn |dieſem Fall, wo ich nicht will, weil es mir nicht gefaͤllt, und wo dieß Nichtgefallen allein darinn ſeinen Grund hat, weil es an bewegender Kraft in der gegenwaͤrtigen Jdee von dem Objekt und von der Hand- lung fehlte, nicht aber darinn, daß ſie etwan nicht in der gehoͤrigen Lage geweſen waͤre, um auf mich mit ih- rer bewegenden Kraft wirken zu koͤnnen; in dieſem Fall, ſage ich, fuͤhlen wirs am deutlichſten, daß wir eben ſo gut nicht wollen koͤnnen, als wollen, und das Vermoͤ- gen zu beiden in gleicher Maße beſitzen. Wir fuͤhlen es, daß, wenn wir nun mehr wollen als nicht wollen, oder unſere Kraft wirklich auf die erſte Art anwenden, und nicht auf die zwote, dieß darum allein ſich eraͤug- ne, weil jenes gefaͤllt, und nicht dieſes.
Wenn die Jdee der Sache ſelbſt es nicht iſt, die ſie uns gefaͤllig macht, ſondern eine mit ihr verbundene Nebenidee; und auch, wenn wir es fuͤr gut befinden, unſerm Kopf zu folgen, gegen die beſſern vernuͤnfti- gern Gruͤnde: ſo aͤndert dieß nichts in dem Vermoͤgen. Jch uͤberlege, ich vergleiche, kann das Eine und das Andere wollen. Zu beiden Beſtimmungen iſt innere Wirkſamkeit, ein Gegenſtand, und eine ſolche Lage des Gegenſtandes vorhanden, daß meine Kraft vielleicht
noch
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und Freyheit.
wenn ich beide entgegengeſetzte ideelle Objekte betrachtet
und erwogen habe: ſo fehlet nichts mehr, um das Ge-
gentheil wirklich zu wollen, als daß es am meiſten ge-
falle. Daß es aber jetzo mir weniger oder gar nicht ge-
faͤllt, hat ſeinen Grund in der Natur der vorgeſtellten
Sache, und ihren Beziehungen auf mich, alſo in der
Vorſtellung ſelbſt, und in dem Mangel ihrer vorzuͤg-
lich bewegenden Kraft, mit der ſie auf mich zuruͤckwir-
ken konnte; aber nicht darinn, weil ich ſie weniger als
die ihr entgegengeſetzte bearbeitet haͤtte, und ſie weniger
klar und deutlich dermalen in mir gegenwaͤrtig geweſen
waͤre.
Jn |dieſem Fall, wo ich nicht will, weil es mir
nicht gefaͤllt, und wo dieß Nichtgefallen allein darinn
ſeinen Grund hat, weil es an bewegender Kraft in der
gegenwaͤrtigen Jdee von dem Objekt und von der Hand-
lung fehlte, nicht aber darinn, daß ſie etwan nicht in
der gehoͤrigen Lage geweſen waͤre, um auf mich mit ih-
rer bewegenden Kraft wirken zu koͤnnen; in dieſem Fall,
ſage ich, fuͤhlen wirs am deutlichſten, daß wir eben ſo
gut nicht wollen koͤnnen, als wollen, und das Vermoͤ-
gen zu beiden in gleicher Maße beſitzen. Wir fuͤhlen
es, daß, wenn wir nun mehr wollen als nicht wollen,
oder unſere Kraft wirklich auf die erſte Art anwenden,
und nicht auf die zwote, dieß darum allein ſich eraͤug-
ne, weil jenes gefaͤllt, und nicht dieſes.
Wenn die Jdee der Sache ſelbſt es nicht iſt, die
ſie uns gefaͤllig macht, ſondern eine mit ihr verbundene
Nebenidee; und auch, wenn wir es fuͤr gut befinden,
unſerm Kopf zu folgen, gegen die beſſern vernuͤnfti-
gern Gruͤnde: ſo aͤndert dieß nichts in dem Vermoͤgen.
Jch uͤberlege, ich vergleiche, kann das Eine und das
Andere wollen. Zu beiden Beſtimmungen iſt innere
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/139>, abgerufen am 27.11.2024.
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