Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
löst alles in Körperveränderungen auf, die eine
Folge der innern Organisation sind; die mecha-
nischen
Psychologen unterscheiden zwar die un-
körperliche Seele, das Jch, von dem körperlichen
Organ, und lassen auch jener ihren eigenen An-
theil an den Seelenäußerungen, der von dem An-
theil, den das Organ daran hat, verschieden ist;
aber es geht doch bey ihren Analysen eben sowohl,
als bey den Erklärungen der erstern alles dahin,
zu zeigen, wie weit Fühlen, Vorstellen, Bewußt-
seyn, Denken, Lust, Unlust, Wollen, Thun,
nicht nur von der Organisation des Gehirns ab-
hängen, sondern selbst in Veränderungen und Be-
schaffenheiten desselben bestehen. Und was nun
in dem körperlichen Organ seinen Sitz nicht haben
kann, das hat ihn denn in der immateriellen See-
le bey denen, die eine solche annehmen. Das
Denkorgan ist eine Maschine, wozu die Seele die
bewegende Kraft ist. Was der Seele im ge-
wöhnlichen Verstande oder dem Seelenwesen
zugeschrieben wird, ist etwas in diesem beseelten
Organ, als in seinem Subjekt. Es kömmt also
bey diesen analytischen Erklärungen der Seelen-
veränderungen darauf an, genauer die Art zu be-
stimmen, wie sie es sind. Diese Auflösungen soll-
ten billig die metaphysischen heißen. Sie lie-
gen ganz außer den Gränzen der Beobachtung,
und bestehen am Ende in einer Reduktion dessen,
was man bey der Seele beobachtet, auf Modifi-
kationen des Gehirns, woran aber ein immate-
rielles Jch, als wirkende und bewegende Kraft

Antheil
a 3

Vorrede.
loͤſt alles in Koͤrperveraͤnderungen auf, die eine
Folge der innern Organiſation ſind; die mecha-
niſchen
Pſychologen unterſcheiden zwar die un-
koͤrperliche Seele, das Jch, von dem koͤrperlichen
Organ, und laſſen auch jener ihren eigenen An-
theil an den Seelenaͤußerungen, der von dem An-
theil, den das Organ daran hat, verſchieden iſt;
aber es geht doch bey ihren Analyſen eben ſowohl,
als bey den Erklaͤrungen der erſtern alles dahin,
zu zeigen, wie weit Fuͤhlen, Vorſtellen, Bewußt-
ſeyn, Denken, Luſt, Unluſt, Wollen, Thun,
nicht nur von der Organiſation des Gehirns ab-
haͤngen, ſondern ſelbſt in Veraͤnderungen und Be-
ſchaffenheiten deſſelben beſtehen. Und was nun
in dem koͤrperlichen Organ ſeinen Sitz nicht haben
kann, das hat ihn denn in der immateriellen See-
le bey denen, die eine ſolche annehmen. Das
Denkorgan iſt eine Maſchine, wozu die Seele die
bewegende Kraft iſt. Was der Seele im ge-
woͤhnlichen Verſtande oder dem Seelenweſen
zugeſchrieben wird, iſt etwas in dieſem beſeelten
Organ, als in ſeinem Subjekt. Es koͤmmt alſo
bey dieſen analytiſchen Erklaͤrungen der Seelen-
veraͤnderungen darauf an, genauer die Art zu be-
ſtimmen, wie ſie es ſind. Dieſe Aufloͤſungen ſoll-
ten billig die metaphyſiſchen heißen. Sie lie-
gen ganz außer den Graͤnzen der Beobachtung,
und beſtehen am Ende in einer Reduktion deſſen,
was man bey der Seele beobachtet, auf Modifi-
kationen des Gehirns, woran aber ein immate-
rielles Jch, als wirkende und bewegende Kraft

Antheil
a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009" n="V"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></fw><lb/>
lo&#x0364;&#x017F;t alles in Ko&#x0364;rpervera&#x0364;nderungen auf, die eine<lb/>
Folge der innern Organi&#x017F;ation &#x017F;ind; die <hi rendition="#fr">mecha-<lb/>
ni&#x017F;chen</hi> P&#x017F;ychologen unter&#x017F;cheiden zwar die un-<lb/>
ko&#x0364;rperliche Seele, das <hi rendition="#fr">Jch,</hi> von dem ko&#x0364;rperlichen<lb/>
Organ, und la&#x017F;&#x017F;en auch jener ihren eigenen An-<lb/>
theil an den Seelena&#x0364;ußerungen, der von dem An-<lb/>
theil, den das Organ daran hat, ver&#x017F;chieden i&#x017F;t;<lb/>
aber es geht doch bey ihren Analy&#x017F;en eben &#x017F;owohl,<lb/>
als bey den Erkla&#x0364;rungen der er&#x017F;tern alles dahin,<lb/>
zu zeigen, wie weit Fu&#x0364;hlen, Vor&#x017F;tellen, Bewußt-<lb/>
&#x017F;eyn, Denken, Lu&#x017F;t, Unlu&#x017F;t, Wollen, Thun,<lb/>
nicht nur von der Organi&#x017F;ation des Gehirns ab-<lb/>
ha&#x0364;ngen, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t in Vera&#x0364;nderungen und Be-<lb/>
&#x017F;chaffenheiten de&#x017F;&#x017F;elben be&#x017F;tehen. Und was nun<lb/>
in dem ko&#x0364;rperlichen Organ &#x017F;einen Sitz nicht haben<lb/>
kann, das hat ihn denn in der immateriellen See-<lb/>
le bey denen, die eine &#x017F;olche annehmen. Das<lb/>
Denkorgan i&#x017F;t eine Ma&#x017F;chine, wozu die Seele die<lb/>
bewegende Kraft i&#x017F;t. Was der Seele im ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlichen Ver&#x017F;tande oder dem <hi rendition="#fr">Seelenwe&#x017F;en</hi><lb/>
zuge&#x017F;chrieben wird, i&#x017F;t etwas in die&#x017F;em be&#x017F;eelten<lb/>
Organ, als in &#x017F;einem Subjekt. Es ko&#x0364;mmt al&#x017F;o<lb/>
bey die&#x017F;en analyti&#x017F;chen Erkla&#x0364;rungen der Seelen-<lb/>
vera&#x0364;nderungen darauf an, genauer die Art zu be-<lb/>
&#x017F;timmen, wie &#x017F;ie es &#x017F;ind. Die&#x017F;e Auflo&#x0364;&#x017F;ungen &#x017F;oll-<lb/>
ten billig die <hi rendition="#fr">metaphy&#x017F;i&#x017F;chen</hi> heißen. Sie lie-<lb/>
gen ganz außer den Gra&#x0364;nzen der Beobachtung,<lb/>
und be&#x017F;tehen am Ende in einer Reduktion de&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
was man bey der Seele beobachtet, auf Modifi-<lb/>
kationen des Gehirns, woran aber ein immate-<lb/>
rielles Jch, als wirkende und bewegende Kraft<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">a 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Antheil</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[V/0009] Vorrede. loͤſt alles in Koͤrperveraͤnderungen auf, die eine Folge der innern Organiſation ſind; die mecha- niſchen Pſychologen unterſcheiden zwar die un- koͤrperliche Seele, das Jch, von dem koͤrperlichen Organ, und laſſen auch jener ihren eigenen An- theil an den Seelenaͤußerungen, der von dem An- theil, den das Organ daran hat, verſchieden iſt; aber es geht doch bey ihren Analyſen eben ſowohl, als bey den Erklaͤrungen der erſtern alles dahin, zu zeigen, wie weit Fuͤhlen, Vorſtellen, Bewußt- ſeyn, Denken, Luſt, Unluſt, Wollen, Thun, nicht nur von der Organiſation des Gehirns ab- haͤngen, ſondern ſelbſt in Veraͤnderungen und Be- ſchaffenheiten deſſelben beſtehen. Und was nun in dem koͤrperlichen Organ ſeinen Sitz nicht haben kann, das hat ihn denn in der immateriellen See- le bey denen, die eine ſolche annehmen. Das Denkorgan iſt eine Maſchine, wozu die Seele die bewegende Kraft iſt. Was der Seele im ge- woͤhnlichen Verſtande oder dem Seelenweſen zugeſchrieben wird, iſt etwas in dieſem beſeelten Organ, als in ſeinem Subjekt. Es koͤmmt alſo bey dieſen analytiſchen Erklaͤrungen der Seelen- veraͤnderungen darauf an, genauer die Art zu be- ſtimmen, wie ſie es ſind. Dieſe Aufloͤſungen ſoll- ten billig die metaphyſiſchen heißen. Sie lie- gen ganz außer den Graͤnzen der Beobachtung, und beſtehen am Ende in einer Reduktion deſſen, was man bey der Seele beobachtet, auf Modifi- kationen des Gehirns, woran aber ein immate- rielles Jch, als wirkende und bewegende Kraft Antheil a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/9
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/9>, abgerufen am 18.12.2024.