Beschaffenheit der vorstellenden angesehen werden, indem die Seele nur handelt dadurch, daß sie etwas vorstellet, und die Vorstellung mit der gehörigen Jntension aus- arbeitet. Dieß ist aber nach meiner Meinung das Un- angemessene, was darinnen lieget. Jndessen gehöret ganz gewiß der erwähnte Leibnitzische Gedanke zu den tiefsten Blicken, mit der je ein philosophisches Auge in die Natur des Willens gedrungen ist; und verdienet es recht sehr, daß sorgfältig nachgesehen werde, wie vie- les davon wahre und reine Beobachtung sey?
Der Mittelpunkt dieses Systems ist folgender: die Seele empfindet, das ist, fühlet ihren gegenwärtigen Zustand, woher solcher auch gekommen seyn mag, und hat Vorstellungen, und bearbeitet diese. Bis dahin wirkt sie als ein vorstellendes Wesen, welches man- nigfaltige Modifikationen anzunehmen fähig ist. Die Vorstellungen und Empfindungen ziehen alsdenn Ge- müthszustände nach sich, werden angenehm oder unan- genehm. Es entstehen Empfindnisse, neue Gefühle, ohne weitere Kraftäußerungen, denn die Empfindnisse sind die von selbst in uns entstehende Folgen aus vor- hergegangenen Empfindungen und Vorstellungen, und fodern also keine andere Thätigkeiten, als solche, die sich im Fühlen und Vorstellen schon geäußert haben. Durch diese Empfindnisse wird die Seelenkraft gereizet, auf eine unterschiedene Art gereizet, thätig sich zu äußern, je nachdem sie an ihrem gegenwärtigen Zustand ein Ge- fallen oder ein Mißfallen findet, das ist, nach der Ver- schiedenheit der Empfindnisse zu wirken. Sind diese unangenehm, so erfolget ein Bestreben zu neuen Vor- stellungen, und es entstehen solche Vorstellungen, die sie aus dem in ihr vorhandenen Stoff hervorbringet. Also zeiget sich wiederum noch nichts, als Operationes der vorstellenden Kraft. Aber nun entsteht zugleich auch ein Bestreben, diese neuen Vorstellungen von veränderten
Zustän-
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der Vorſtellungskraft ⁊c.
Beſchaffenheit der vorſtellenden angeſehen werden, indem die Seele nur handelt dadurch, daß ſie etwas vorſtellet, und die Vorſtellung mit der gehoͤrigen Jntenſion aus- arbeitet. Dieß iſt aber nach meiner Meinung das Un- angemeſſene, was darinnen lieget. Jndeſſen gehoͤret ganz gewiß der erwaͤhnte Leibnitziſche Gedanke zu den tiefſten Blicken, mit der je ein philoſophiſches Auge in die Natur des Willens gedrungen iſt; und verdienet es recht ſehr, daß ſorgfaͤltig nachgeſehen werde, wie vie- les davon wahre und reine Beobachtung ſey?
Der Mittelpunkt dieſes Syſtems iſt folgender: die Seele empfindet, das iſt, fuͤhlet ihren gegenwaͤrtigen Zuſtand, woher ſolcher auch gekommen ſeyn mag, und hat Vorſtellungen, und bearbeitet dieſe. Bis dahin wirkt ſie als ein vorſtellendes Weſen, welches man- nigfaltige Modifikationen anzunehmen faͤhig iſt. Die Vorſtellungen und Empfindungen ziehen alsdenn Ge- muͤthszuſtaͤnde nach ſich, werden angenehm oder unan- genehm. Es entſtehen Empfindniſſe, neue Gefuͤhle, ohne weitere Kraftaͤußerungen, denn die Empfindniſſe ſind die von ſelbſt in uns entſtehende Folgen aus vor- hergegangenen Empfindungen und Vorſtellungen, und fodern alſo keine andere Thaͤtigkeiten, als ſolche, die ſich im Fuͤhlen und Vorſtellen ſchon geaͤußert haben. Durch dieſe Empfindniſſe wird die Seelenkraft gereizet, auf eine unterſchiedene Art gereizet, thaͤtig ſich zu aͤußern, je nachdem ſie an ihrem gegenwaͤrtigen Zuſtand ein Ge- fallen oder ein Mißfallen findet, das iſt, nach der Ver- ſchiedenheit der Empfindniſſe zu wirken. Sind dieſe unangenehm, ſo erfolget ein Beſtreben zu neuen Vor- ſtellungen, und es entſtehen ſolche Vorſtellungen, die ſie aus dem in ihr vorhandenen Stoff hervorbringet. Alſo zeiget ſich wiederum noch nichts, als Operationes der vorſtellenden Kraft. Aber nun entſteht zugleich auch ein Beſtreben, dieſe neuen Vorſtellungen von veraͤnderten
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der Vorſtellungskraft ⁊c.
Beſchaffenheit der vorſtellenden angeſehen werden, indem
die Seele nur handelt dadurch, daß ſie etwas vorſtellet,
und die Vorſtellung mit der gehoͤrigen Jntenſion aus-
arbeitet. Dieß iſt aber nach meiner Meinung das Un-
angemeſſene, was darinnen lieget. Jndeſſen gehoͤret
ganz gewiß der erwaͤhnte Leibnitziſche Gedanke zu den
tiefſten Blicken, mit der je ein philoſophiſches Auge in
die Natur des Willens gedrungen iſt; und verdienet
es recht ſehr, daß ſorgfaͤltig nachgeſehen werde, wie vie-
les davon wahre und reine Beobachtung ſey?
Der Mittelpunkt dieſes Syſtems iſt folgender: die
Seele empfindet, das iſt, fuͤhlet ihren gegenwaͤrtigen
Zuſtand, woher ſolcher auch gekommen ſeyn mag, und
hat Vorſtellungen, und bearbeitet dieſe. Bis dahin
wirkt ſie als ein vorſtellendes Weſen, welches man-
nigfaltige Modifikationen anzunehmen faͤhig iſt. Die
Vorſtellungen und Empfindungen ziehen alsdenn Ge-
muͤthszuſtaͤnde nach ſich, werden angenehm oder unan-
genehm. Es entſtehen Empfindniſſe, neue Gefuͤhle,
ohne weitere Kraftaͤußerungen, denn die Empfindniſſe
ſind die von ſelbſt in uns entſtehende Folgen aus vor-
hergegangenen Empfindungen und Vorſtellungen, und
fodern alſo keine andere Thaͤtigkeiten, als ſolche, die ſich
im Fuͤhlen und Vorſtellen ſchon geaͤußert haben.
Durch dieſe Empfindniſſe wird die Seelenkraft gereizet,
auf eine unterſchiedene Art gereizet, thaͤtig ſich zu aͤußern,
je nachdem ſie an ihrem gegenwaͤrtigen Zuſtand ein Ge-
fallen oder ein Mißfallen findet, das iſt, nach der Ver-
ſchiedenheit der Empfindniſſe zu wirken. Sind dieſe
unangenehm, ſo erfolget ein Beſtreben zu neuen Vor-
ſtellungen, und es entſtehen ſolche Vorſtellungen, die ſie
aus dem in ihr vorhandenen Stoff hervorbringet. Alſo
zeiget ſich wiederum noch nichts, als Operationes der
vorſtellenden Kraft. Aber nun entſteht zugleich auch ein
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/753>, abgerufen am 22.11.2024.
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