Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

X. Versuch. Ueber die Beziehung
dentliche Veränderung aufgenommen wird, so wirkte
die innere Kraft zugleich mit, und dieß Vermögen mit-
zuwirken ward erhöhet, und machte das Vermögen aus,
Vorstellungen zu haben. Jn der thätigen Kraft wäch-
set die Disposition, von selbst in Wirksamkeit gesetzet
zu werden, das ist, es wächset die innere Reizbarkeit
der Kraft, welche hier von der Kraft selbst in Hinsicht
der Wirkungen, die sie hervorzubringen vermögend ist,
und deren Grade und Stufen, in ihrer Ausdehnung und
in ihrer Jntension, eben so unterschieden sind, als die
Selbstthätigkeit in dem Vermögen zu leiden, von der
Größe und den Graden der Modifikabilität es ist. Das
Gefühl konnte fein, zärtlich und stark seyn, bey einem
noch schwachen Vermögen, sich die Veränderungen vor-
zustellen, und an sich ist es nicht unmöglich, daß auch
das letztere gänzlich fehle. *) Dieselbige Anmerkung
muß hier wiederholet werden. Die Grade der Wirk-
samkeit in der Seelenkraft, und die Stärke in dem Ver-
mögen, Vorstellungen von ihren Aktionen zu haben,
sind keine Größen, die zu Einer und derselben Dimen-
sion gehören; ob sie gleich Größen in einem und demsel-
bigen Grundprincip sind. Es sind Erhöhungen nach
verschiedenen Seiten hin, davon die Eine große Grade
annimmt, obgleich die andere in ungleichem Verhältnisse
zurückbleibet.

Also sind es auch zwey unterschiedene Kraftäußerun-
gen: eine Aktion zu verrichten, oder eine neue Verän-
derung hervorzubringen, und diese Aktion in sich vorzu-
stellen, das ist einen ehemaligen Zustand wieder an sei-
nen Spuren hervor zu ziehen. Vorstellungen haben
können, und die Empfindungen haben können, sind auch
hier noch weiter unterschieden, als an einem Mehr oder
Weniger. Jch darf das nicht wiederholen, was schon

in
*) Erster Versuch. XVI. 4. Neunter Versuch. VI.

X. Verſuch. Ueber die Beziehung
dentliche Veraͤnderung aufgenommen wird, ſo wirkte
die innere Kraft zugleich mit, und dieß Vermoͤgen mit-
zuwirken ward erhoͤhet, und machte das Vermoͤgen aus,
Vorſtellungen zu haben. Jn der thaͤtigen Kraft waͤch-
ſet die Dispoſition, von ſelbſt in Wirkſamkeit geſetzet
zu werden, das iſt, es waͤchſet die innere Reizbarkeit
der Kraft, welche hier von der Kraft ſelbſt in Hinſicht
der Wirkungen, die ſie hervorzubringen vermoͤgend iſt,
und deren Grade und Stufen, in ihrer Ausdehnung und
in ihrer Jntenſion, eben ſo unterſchieden ſind, als die
Selbſtthaͤtigkeit in dem Vermoͤgen zu leiden, von der
Groͤße und den Graden der Modifikabilitaͤt es iſt. Das
Gefuͤhl konnte fein, zaͤrtlich und ſtark ſeyn, bey einem
noch ſchwachen Vermoͤgen, ſich die Veraͤnderungen vor-
zuſtellen, und an ſich iſt es nicht unmoͤglich, daß auch
das letztere gaͤnzlich fehle. *) Dieſelbige Anmerkung
muß hier wiederholet werden. Die Grade der Wirk-
ſamkeit in der Seelenkraft, und die Staͤrke in dem Ver-
moͤgen, Vorſtellungen von ihren Aktionen zu haben,
ſind keine Groͤßen, die zu Einer und derſelben Dimen-
ſion gehoͤren; ob ſie gleich Groͤßen in einem und demſel-
bigen Grundprincip ſind. Es ſind Erhoͤhungen nach
verſchiedenen Seiten hin, davon die Eine große Grade
annimmt, obgleich die andere in ungleichem Verhaͤltniſſe
zuruͤckbleibet.

Alſo ſind es auch zwey unterſchiedene Kraftaͤußerun-
gen: eine Aktion zu verrichten, oder eine neue Veraͤn-
derung hervorzubringen, und dieſe Aktion in ſich vorzu-
ſtellen, das iſt einen ehemaligen Zuſtand wieder an ſei-
nen Spuren hervor zu ziehen. Vorſtellungen haben
koͤnnen, und die Empfindungen haben koͤnnen, ſind auch
hier noch weiter unterſchieden, als an einem Mehr oder
Weniger. Jch darf das nicht wiederholen, was ſchon

in
*) Erſter Verſuch. XVI. 4. Neunter Verſuch. VI.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0750" n="690"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">X.</hi> Ver&#x017F;uch. Ueber die Beziehung</hi></fw><lb/>
dentliche Vera&#x0364;nderung aufgenommen wird, &#x017F;o wirkte<lb/>
die innere Kraft zugleich mit, und dieß Vermo&#x0364;gen mit-<lb/>
zuwirken ward erho&#x0364;het, und machte das Vermo&#x0364;gen aus,<lb/>
Vor&#x017F;tellungen zu haben. Jn der tha&#x0364;tigen Kraft wa&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;et die Dispo&#x017F;ition, <hi rendition="#fr">von &#x017F;elb&#x017F;t</hi> in Wirk&#x017F;amkeit ge&#x017F;etzet<lb/>
zu werden, das i&#x017F;t, es wa&#x0364;ch&#x017F;et die innere <hi rendition="#fr">Reizbarkeit</hi><lb/>
der Kraft, welche hier von der Kraft &#x017F;elb&#x017F;t in Hin&#x017F;icht<lb/>
der Wirkungen, die &#x017F;ie hervorzubringen vermo&#x0364;gend i&#x017F;t,<lb/>
und deren Grade und Stufen, in ihrer Ausdehnung und<lb/>
in ihrer Jnten&#x017F;ion, eben &#x017F;o unter&#x017F;chieden &#x017F;ind, als die<lb/><hi rendition="#fr">Selb&#x017F;ttha&#x0364;tigkeit</hi> in dem Vermo&#x0364;gen zu leiden, von der<lb/>
Gro&#x0364;ße und den Graden der Modifikabilita&#x0364;t es i&#x017F;t. Das<lb/>
Gefu&#x0364;hl konnte fein, za&#x0364;rtlich und &#x017F;tark &#x017F;eyn, bey einem<lb/>
noch &#x017F;chwachen Vermo&#x0364;gen, &#x017F;ich die Vera&#x0364;nderungen vor-<lb/>
zu&#x017F;tellen, und an &#x017F;ich i&#x017F;t es nicht unmo&#x0364;glich, daß auch<lb/>
das letztere ga&#x0364;nzlich fehle. <note place="foot" n="*)">Er&#x017F;ter <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;uch.</hi> <hi rendition="#aq">XVI.</hi> 4. Neunter <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;uch.</hi> <hi rendition="#aq">VI.</hi></note> Die&#x017F;elbige Anmerkung<lb/>
muß hier wiederholet werden. Die Grade der Wirk-<lb/>
&#x017F;amkeit in der Seelenkraft, und die Sta&#x0364;rke in dem Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen, Vor&#x017F;tellungen von ihren Aktionen zu haben,<lb/>
&#x017F;ind keine Gro&#x0364;ßen, die zu Einer und der&#x017F;elben Dimen-<lb/>
&#x017F;ion geho&#x0364;ren; ob &#x017F;ie gleich Gro&#x0364;ßen in einem und dem&#x017F;el-<lb/>
bigen Grundprincip &#x017F;ind. Es &#x017F;ind Erho&#x0364;hungen nach<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Seiten hin, davon die Eine große Grade<lb/>
annimmt, obgleich die andere in ungleichem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zuru&#x0364;ckbleibet.</p><lb/>
            <p>Al&#x017F;o &#x017F;ind es auch zwey unter&#x017F;chiedene Krafta&#x0364;ußerun-<lb/>
gen: eine Aktion zu verrichten, oder eine neue Vera&#x0364;n-<lb/>
derung hervorzubringen, und die&#x017F;e Aktion in &#x017F;ich vorzu-<lb/>
&#x017F;tellen, das i&#x017F;t einen ehemaligen Zu&#x017F;tand wieder an &#x017F;ei-<lb/>
nen Spuren hervor zu ziehen. Vor&#x017F;tellungen haben<lb/>
ko&#x0364;nnen, und die Empfindungen haben ko&#x0364;nnen, &#x017F;ind auch<lb/>
hier noch weiter unter&#x017F;chieden, als an einem Mehr oder<lb/>
Weniger. Jch darf das nicht wiederholen, was &#x017F;chon<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[690/0750] X. Verſuch. Ueber die Beziehung dentliche Veraͤnderung aufgenommen wird, ſo wirkte die innere Kraft zugleich mit, und dieß Vermoͤgen mit- zuwirken ward erhoͤhet, und machte das Vermoͤgen aus, Vorſtellungen zu haben. Jn der thaͤtigen Kraft waͤch- ſet die Dispoſition, von ſelbſt in Wirkſamkeit geſetzet zu werden, das iſt, es waͤchſet die innere Reizbarkeit der Kraft, welche hier von der Kraft ſelbſt in Hinſicht der Wirkungen, die ſie hervorzubringen vermoͤgend iſt, und deren Grade und Stufen, in ihrer Ausdehnung und in ihrer Jntenſion, eben ſo unterſchieden ſind, als die Selbſtthaͤtigkeit in dem Vermoͤgen zu leiden, von der Groͤße und den Graden der Modifikabilitaͤt es iſt. Das Gefuͤhl konnte fein, zaͤrtlich und ſtark ſeyn, bey einem noch ſchwachen Vermoͤgen, ſich die Veraͤnderungen vor- zuſtellen, und an ſich iſt es nicht unmoͤglich, daß auch das letztere gaͤnzlich fehle. *) Dieſelbige Anmerkung muß hier wiederholet werden. Die Grade der Wirk- ſamkeit in der Seelenkraft, und die Staͤrke in dem Ver- moͤgen, Vorſtellungen von ihren Aktionen zu haben, ſind keine Groͤßen, die zu Einer und derſelben Dimen- ſion gehoͤren; ob ſie gleich Groͤßen in einem und demſel- bigen Grundprincip ſind. Es ſind Erhoͤhungen nach verſchiedenen Seiten hin, davon die Eine große Grade annimmt, obgleich die andere in ungleichem Verhaͤltniſſe zuruͤckbleibet. Alſo ſind es auch zwey unterſchiedene Kraftaͤußerun- gen: eine Aktion zu verrichten, oder eine neue Veraͤn- derung hervorzubringen, und dieſe Aktion in ſich vorzu- ſtellen, das iſt einen ehemaligen Zuſtand wieder an ſei- nen Spuren hervor zu ziehen. Vorſtellungen haben koͤnnen, und die Empfindungen haben koͤnnen, ſind auch hier noch weiter unterſchieden, als an einem Mehr oder Weniger. Jch darf das nicht wiederholen, was ſchon in *) Erſter Verſuch. XVI. 4. Neunter Verſuch. VI.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/750
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/750>, abgerufen am 10.06.2024.