zu machen, das ist, die ihr von äußern Ursachen beyge- brachten Eindrücke in sich eine Weile zu erhalten, von ihnen Spuren aufzubewahren, solche wiederum zu er- wecken, sie wieder erweckt gegenwärtig zu erhalten, zu verbinden, zu trennen, stärker und völliger auszubilden, oder auch sie zurück zu legen, und zu verdunkeln. Die vorstellende Kraft ist eine innere Selbstthätigkeit des nämlichen Vermögens, welches aufnimmt und fühlet.
Jede wieder erweckte Empfindung hat etwas von der ersten Empfindung an sich, aus der sie entstanden ist. Jede Wiedervorstellung reizet also auch die Seelenkraft auf eine ähnliche Art. Die Vorstellung wird gefühlet, und leidet eine thätige Zurückwirkung der Grundkraft. Die Wirkung von dieser ist, daß die Wiedervorstellung entweder fortgesetzet, und mehr und stärker ausgedrückt, oder verdunkelt und unterdrücket wird.
Mehrere solcher Vorstellungen bringen nach ihren verschiedenen Beziehungen und Verhältnissen in der Seele neue absolute Modifikationen hervor. Dergleichen ent- stehen nicht weniger von den ersten Empfindungen. Diese neue Veränderungen sind auch von neuen Gegenständen des Gefühls und der vorstellenden Kraft. Die Harmo- nie der Töne, die Uebereinstimmung des Wahren, der Reiz des Guten, die bewegenden Antriebe des Jnteres- sirenden, und dergleichen, werden gefühlet, und die vor- stellende Kraft machet auch aus diesen gefühlten Modi- fikationen, Vorstellungen.
Zu diesen Gefühlen der Verhältnisse und Beziehun- gen gehört auch das Gefühl des Uebergangs, das Gefühl von derjenigen Veränderung, welche die Thä- tigkeit der vorstellenden Kraft leidet, wenn eine Vor- stellung auf die andere folget, oder wenn die Kraft von der vorzüglichen Beschäftigung mit der einen, zu einer Anwendung auf die andere übergehet. *) Hier entstehet
ebenfalls
*) Zweeter Versuch. IV. 2.
IX. Verſuch. Ueber das Grundprincip
zu machen, das iſt, die ihr von aͤußern Urſachen beyge- brachten Eindruͤcke in ſich eine Weile zu erhalten, von ihnen Spuren aufzubewahren, ſolche wiederum zu er- wecken, ſie wieder erweckt gegenwaͤrtig zu erhalten, zu verbinden, zu trennen, ſtaͤrker und voͤlliger auszubilden, oder auch ſie zuruͤck zu legen, und zu verdunkeln. Die vorſtellende Kraft iſt eine innere Selbſtthaͤtigkeit des naͤmlichen Vermoͤgens, welches aufnimmt und fuͤhlet.
Jede wieder erweckte Empfindung hat etwas von der erſten Empfindung an ſich, aus der ſie entſtanden iſt. Jede Wiedervorſtellung reizet alſo auch die Seelenkraft auf eine aͤhnliche Art. Die Vorſtellung wird gefuͤhlet, und leidet eine thaͤtige Zuruͤckwirkung der Grundkraft. Die Wirkung von dieſer iſt, daß die Wiedervorſtellung entweder fortgeſetzet, und mehr und ſtaͤrker ausgedruͤckt, oder verdunkelt und unterdruͤcket wird.
Mehrere ſolcher Vorſtellungen bringen nach ihren verſchiedenen Beziehungen und Verhaͤltniſſen in der Seele neue abſolute Modifikationen hervor. Dergleichen ent- ſtehen nicht weniger von den erſten Empfindungen. Dieſe neue Veraͤnderungen ſind auch von neuen Gegenſtaͤnden des Gefuͤhls und der vorſtellenden Kraft. Die Harmo- nie der Toͤne, die Uebereinſtimmung des Wahren, der Reiz des Guten, die bewegenden Antriebe des Jntereſ- ſirenden, und dergleichen, werden gefuͤhlet, und die vor- ſtellende Kraft machet auch aus dieſen gefuͤhlten Modi- fikationen, Vorſtellungen.
Zu dieſen Gefuͤhlen der Verhaͤltniſſe und Beziehun- gen gehoͤrt auch das Gefuͤhl des Uebergangs, das Gefuͤhl von derjenigen Veraͤnderung, welche die Thaͤ- tigkeit der vorſtellenden Kraft leidet, wenn eine Vor- ſtellung auf die andere folget, oder wenn die Kraft von der vorzuͤglichen Beſchaͤftigung mit der einen, zu einer Anwendung auf die andere uͤbergehet. *) Hier entſtehet
ebenfalls
*) Zweeter Verſuch. IV. 2.
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IX. Verſuch. Ueber das Grundprincip
zu machen, das iſt, die ihr von aͤußern Urſachen beyge-
brachten Eindruͤcke in ſich eine Weile zu erhalten, von
ihnen Spuren aufzubewahren, ſolche wiederum zu er-
wecken, ſie wieder erweckt gegenwaͤrtig zu erhalten, zu
verbinden, zu trennen, ſtaͤrker und voͤlliger auszubilden,
oder auch ſie zuruͤck zu legen, und zu verdunkeln. Die
vorſtellende Kraft iſt eine innere Selbſtthaͤtigkeit des
naͤmlichen Vermoͤgens, welches aufnimmt und fuͤhlet.
Jede wieder erweckte Empfindung hat etwas von
der erſten Empfindung an ſich, aus der ſie entſtanden iſt.
Jede Wiedervorſtellung reizet alſo auch die Seelenkraft
auf eine aͤhnliche Art. Die Vorſtellung wird gefuͤhlet,
und leidet eine thaͤtige Zuruͤckwirkung der Grundkraft.
Die Wirkung von dieſer iſt, daß die Wiedervorſtellung
entweder fortgeſetzet, und mehr und ſtaͤrker ausgedruͤckt,
oder verdunkelt und unterdruͤcket wird.
Mehrere ſolcher Vorſtellungen bringen nach ihren
verſchiedenen Beziehungen und Verhaͤltniſſen in der Seele
neue abſolute Modifikationen hervor. Dergleichen ent-
ſtehen nicht weniger von den erſten Empfindungen. Dieſe
neue Veraͤnderungen ſind auch von neuen Gegenſtaͤnden
des Gefuͤhls und der vorſtellenden Kraft. Die Harmo-
nie der Toͤne, die Uebereinſtimmung des Wahren, der
Reiz des Guten, die bewegenden Antriebe des Jntereſ-
ſirenden, und dergleichen, werden gefuͤhlet, und die vor-
ſtellende Kraft machet auch aus dieſen gefuͤhlten Modi-
fikationen, Vorſtellungen.
Zu dieſen Gefuͤhlen der Verhaͤltniſſe und Beziehun-
gen gehoͤrt auch das Gefuͤhl des Uebergangs, das
Gefuͤhl von derjenigen Veraͤnderung, welche die Thaͤ-
tigkeit der vorſtellenden Kraft leidet, wenn eine Vor-
ſtellung auf die andere folget, oder wenn die Kraft von
der vorzuͤglichen Beſchaͤftigung mit der einen, zu einer
Anwendung auf die andere uͤbergehet. *) Hier entſtehet
ebenfalls
*) Zweeter Verſuch. IV. 2.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/672>, abgerufen am 21.11.2024.
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