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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der allgem. Vernunftwahrheiten, etc.

Sich weiter hiebey zu verweilen, möchte das Anse-
hen einer übertriebenen Subtilität haben.

II.) Es hängt in andern Fällen die Nothwendig-
keit der Denkart
von den Jdeen und deren Beschaf-
fenheiten, das ist, von der Materie des Urtheils ab.
Dieß sind die bestimmten nothwendigen Urtheile,
wohin die geometrischen Lehrsätze gehören, und alle ihnen
darinn ähnliche, daß die Verbindung des Prädikats und
des Subjekts dergestalt auf diesen Jdeen beruhet, daß
solche nicht anders von dem nach seinem Naturgesetze
denkenden Verstande verbunden werden können, als es
wirklich geschicht.

Ferner sind auch zu diesen materiell nothwendi-
gen Sätzen
diejenigen zu rechnen, deren in dem nächst
vorhergehenden Absatz erwähnet worden ist. Die Form
von ihnen ist auf gewisse Züge oder Nebenmerkmale ge-
gründet, welche den Jdeen ankleben, und wiederum in
gewissen subjektivischen aber unabänderlichen Umstän-
den,
unter denen solche nur erlanget werden und in uns
gegenwärtig seyn können, ihre Ursachen haben.

So eine subjektivische materielle Nothwen-
digkeit
findet sich in vielen Gemeinbegriffen. Der
Satz: Nichts wird ohne Ursache, ist darum ein
nothwendiger Grundsatz unsers Verstandes, weil wir die
Jdee des Werdens theils nicht erlangen, und in uns
gegenwärtig haben, ohne den Gedanken, daß das ent-
standene Ding von einem andern als von seiner Ursache
abhange, theils aber, was hier das vornehmste ist, die-
sen Begriff auf kein Ding anwenden können, ohne den
Gedanken von ursachlicher Verbindung hineinzutragen.

Ferner. Wir können die Jdee von der Farbe und
von der Figur und andern Beschaffenheiten der Dinge
nicht anders haben, als in der Gestalt von Accidenzen,
die für sich nicht bestehen, und nur in andern für sich be-
stehenden vorhanden sind.

Eine
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.

Sich weiter hiebey zu verweilen, moͤchte das Anſe-
hen einer uͤbertriebenen Subtilitaͤt haben.

II.) Es haͤngt in andern Faͤllen die Nothwendig-
keit der Denkart
von den Jdeen und deren Beſchaf-
fenheiten, das iſt, von der Materie des Urtheils ab.
Dieß ſind die beſtimmten nothwendigen Urtheile,
wohin die geometriſchen Lehrſaͤtze gehoͤren, und alle ihnen
darinn aͤhnliche, daß die Verbindung des Praͤdikats und
des Subjekts dergeſtalt auf dieſen Jdeen beruhet, daß
ſolche nicht anders von dem nach ſeinem Naturgeſetze
denkenden Verſtande verbunden werden koͤnnen, als es
wirklich geſchicht.

Ferner ſind auch zu dieſen materiell nothwendi-
gen Saͤtzen
diejenigen zu rechnen, deren in dem naͤchſt
vorhergehenden Abſatz erwaͤhnet worden iſt. Die Form
von ihnen iſt auf gewiſſe Zuͤge oder Nebenmerkmale ge-
gruͤndet, welche den Jdeen ankleben, und wiederum in
gewiſſen ſubjektiviſchen aber unabaͤnderlichen Umſtaͤn-
den,
unter denen ſolche nur erlanget werden und in uns
gegenwaͤrtig ſeyn koͤnnen, ihre Urſachen haben.

So eine ſubjektiviſche materielle Nothwen-
digkeit
findet ſich in vielen Gemeinbegriffen. Der
Satz: Nichts wird ohne Urſache, iſt darum ein
nothwendiger Grundſatz unſers Verſtandes, weil wir die
Jdee des Werdens theils nicht erlangen, und in uns
gegenwaͤrtig haben, ohne den Gedanken, daß das ent-
ſtandene Ding von einem andern als von ſeiner Urſache
abhange, theils aber, was hier das vornehmſte iſt, die-
ſen Begriff auf kein Ding anwenden koͤnnen, ohne den
Gedanken von urſachlicher Verbindung hineinzutragen.

Ferner. Wir koͤnnen die Jdee von der Farbe und
von der Figur und andern Beſchaffenheiten der Dinge
nicht anders haben, als in der Geſtalt von Accidenzen,
die fuͤr ſich nicht beſtehen, und nur in andern fuͤr ſich be-
ſtehenden vorhanden ſind.

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[515/0575] der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c. Sich weiter hiebey zu verweilen, moͤchte das Anſe- hen einer uͤbertriebenen Subtilitaͤt haben. II.) Es haͤngt in andern Faͤllen die Nothwendig- keit der Denkart von den Jdeen und deren Beſchaf- fenheiten, das iſt, von der Materie des Urtheils ab. Dieß ſind die beſtimmten nothwendigen Urtheile, wohin die geometriſchen Lehrſaͤtze gehoͤren, und alle ihnen darinn aͤhnliche, daß die Verbindung des Praͤdikats und des Subjekts dergeſtalt auf dieſen Jdeen beruhet, daß ſolche nicht anders von dem nach ſeinem Naturgeſetze denkenden Verſtande verbunden werden koͤnnen, als es wirklich geſchicht. Ferner ſind auch zu dieſen materiell nothwendi- gen Saͤtzen diejenigen zu rechnen, deren in dem naͤchſt vorhergehenden Abſatz erwaͤhnet worden iſt. Die Form von ihnen iſt auf gewiſſe Zuͤge oder Nebenmerkmale ge- gruͤndet, welche den Jdeen ankleben, und wiederum in gewiſſen ſubjektiviſchen aber unabaͤnderlichen Umſtaͤn- den, unter denen ſolche nur erlanget werden und in uns gegenwaͤrtig ſeyn koͤnnen, ihre Urſachen haben. So eine ſubjektiviſche materielle Nothwen- digkeit findet ſich in vielen Gemeinbegriffen. Der Satz: Nichts wird ohne Urſache, iſt darum ein nothwendiger Grundſatz unſers Verſtandes, weil wir die Jdee des Werdens theils nicht erlangen, und in uns gegenwaͤrtig haben, ohne den Gedanken, daß das ent- ſtandene Ding von einem andern als von ſeiner Urſache abhange, theils aber, was hier das vornehmſte iſt, die- ſen Begriff auf kein Ding anwenden koͤnnen, ohne den Gedanken von urſachlicher Verbindung hineinzutragen. Ferner. Wir koͤnnen die Jdee von der Farbe und von der Figur und andern Beſchaffenheiten der Dinge nicht anders haben, als in der Geſtalt von Accidenzen, die fuͤr ſich nicht beſtehen, und nur in andern fuͤr ſich be- ſtehenden vorhanden ſind. Eine K k 2

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/575>, abgerufen am 16.07.2024.