aus dem obigen leicht begriffen werden, daß es derglei- chen allgemeines Gesetz auch für die Urtheile über die verursachende Verbindung und über die Abhän- gigkeit gebe.
Wo soll man den Grund von diesen nothwendigen Denkarten suchen? Er liegt in der Natur des Ver- standes. Ob es angehe, daß sie sich alle in eine einzige nothwendige Denkart, in diejenige, die in dem Grund- satz des Widerspruchs angegeben wird, auflösen lassen, wie unsere Metaphysiker bisher es zu thun versucht ha- ben? das lasse ich dahin gestellet. Jch kann sie nicht darauf zurück führen, so wenig als alle nothwendige Ur- theile auf Gedanken von Einerleyheit und Verschieden- heit.
Zu dieser Gattung gehören auch alle Sätze des un- mittelbaren Bewußtseyns; ich denke, ich fühle, ich will, es kommt mir so vor, es scheint mir u. s. f. Dieß sind Urtheile über einzelne Veränderungen von mir selbst, unmittelbare Empfindungsurtheile, worinn die Prädi- kate von Denken, Fühlen, Wollen, Scheinen mit ei- ner gegenwärtigen Empfindungsvorstellung nach dem Gesetz der Jdentität verbunden werden.
Daß ich zugleich denke und nicht denke, zugleich wolle und nicht wolle, ist unmöglich, vermöge der Na- tur der Seele; daß ich zugleich urtheilen könnte: ich denke, und auch, ich denke nicht, ist unmöglich vermöge der Natur der Denkkraft; daß ich aber, indem ich die Empfindung oder Empfindungsvorstellung des Den- kens jetzo vor mir habe, mit dieser das Prädikat sollte verbinden können: ich denke nicht, ist wider das Gesetz der Jdentität. Was in meiner gegenwärti- gen Empfindung gewahrgenommen wird, ist einerley mit dem, was ein Denken genennet wird, und darum muß dieß und nicht das entgegengesetzte Prädikat der je- tzigen Empfindung beygeleget werden.
Sich
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
aus dem obigen leicht begriffen werden, daß es derglei- chen allgemeines Geſetz auch fuͤr die Urtheile uͤber die verurſachende Verbindung und uͤber die Abhaͤn- gigkeit gebe.
Wo ſoll man den Grund von dieſen nothwendigen Denkarten ſuchen? Er liegt in der Natur des Ver- ſtandes. Ob es angehe, daß ſie ſich alle in eine einzige nothwendige Denkart, in diejenige, die in dem Grund- ſatz des Widerſpruchs angegeben wird, aufloͤſen laſſen, wie unſere Metaphyſiker bisher es zu thun verſucht ha- ben? das laſſe ich dahin geſtellet. Jch kann ſie nicht darauf zuruͤck fuͤhren, ſo wenig als alle nothwendige Ur- theile auf Gedanken von Einerleyheit und Verſchieden- heit.
Zu dieſer Gattung gehoͤren auch alle Saͤtze des un- mittelbaren Bewußtſeyns; ich denke, ich fuͤhle, ich will, es kommt mir ſo vor, es ſcheint mir u. ſ. f. Dieß ſind Urtheile uͤber einzelne Veraͤnderungen von mir ſelbſt, unmittelbare Empfindungsurtheile, worinn die Praͤdi- kate von Denken, Fuͤhlen, Wollen, Scheinen mit ei- ner gegenwaͤrtigen Empfindungsvorſtellung nach dem Geſetz der Jdentitaͤt verbunden werden.
Daß ich zugleich denke und nicht denke, zugleich wolle und nicht wolle, iſt unmoͤglich, vermoͤge der Na- tur der Seele; daß ich zugleich urtheilen koͤnnte: ich denke, und auch, ich denke nicht, iſt unmoͤglich vermoͤge der Natur der Denkkraft; daß ich aber, indem ich die Empfindung oder Empfindungsvorſtellung des Den- kens jetzo vor mir habe, mit dieſer das Praͤdikat ſollte verbinden koͤnnen: ich denke nicht, iſt wider das Geſetz der Jdentitaͤt. Was in meiner gegenwaͤrti- gen Empfindung gewahrgenommen wird, iſt einerley mit dem, was ein Denken genennet wird, und darum muß dieß und nicht das entgegengeſetzte Praͤdikat der je- tzigen Empfindung beygeleget werden.
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
aus dem obigen leicht begriffen werden, daß es derglei-
chen allgemeines Geſetz auch fuͤr die Urtheile uͤber die
verurſachende Verbindung und uͤber die Abhaͤn-
gigkeit gebe.
Wo ſoll man den Grund von dieſen nothwendigen
Denkarten ſuchen? Er liegt in der Natur des Ver-
ſtandes. Ob es angehe, daß ſie ſich alle in eine einzige
nothwendige Denkart, in diejenige, die in dem Grund-
ſatz des Widerſpruchs angegeben wird, aufloͤſen laſſen,
wie unſere Metaphyſiker bisher es zu thun verſucht ha-
ben? das laſſe ich dahin geſtellet. Jch kann ſie nicht
darauf zuruͤck fuͤhren, ſo wenig als alle nothwendige Ur-
theile auf Gedanken von Einerleyheit und Verſchieden-
heit.
Zu dieſer Gattung gehoͤren auch alle Saͤtze des un-
mittelbaren Bewußtſeyns; ich denke, ich fuͤhle, ich
will, es kommt mir ſo vor, es ſcheint mir u. ſ. f. Dieß
ſind Urtheile uͤber einzelne Veraͤnderungen von mir ſelbſt,
unmittelbare Empfindungsurtheile, worinn die Praͤdi-
kate von Denken, Fuͤhlen, Wollen, Scheinen mit ei-
ner gegenwaͤrtigen Empfindungsvorſtellung nach
dem Geſetz der Jdentitaͤt verbunden werden.
Daß ich zugleich denke und nicht denke, zugleich
wolle und nicht wolle, iſt unmoͤglich, vermoͤge der Na-
tur der Seele; daß ich zugleich urtheilen koͤnnte: ich
denke, und auch, ich denke nicht, iſt unmoͤglich vermoͤge
der Natur der Denkkraft; daß ich aber, indem ich
die Empfindung oder Empfindungsvorſtellung des Den-
kens jetzo vor mir habe, mit dieſer das Praͤdikat ſollte
verbinden koͤnnen: ich denke nicht, iſt wider das
Geſetz der Jdentitaͤt. Was in meiner gegenwaͤrti-
gen Empfindung gewahrgenommen wird, iſt einerley
mit dem, was ein Denken genennet wird, und darum
muß dieß und nicht das entgegengeſetzte Praͤdikat der je-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/574>, abgerufen am 22.11.2024.
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