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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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VII. Versuch. Von der Nothwendigkeit
schlechthin nothwendig ist, sobald man Ursache und
Wirkung gegen einander hält.

Außer den Merkmalen, die bey dem vorhergehen-
den Fall erwähnet worden sind, und die uns auf die Jdee
von der ursachlichen Verbindung zwischen zwey Gegen-
ständen bringen, giebt es noch ein anders; nemlich, die
Begreiflichkeit der Wirkung aus ihrer Ursache. Wenn
diese zu den obigen hinzukommt, so ist das Kennzei-
chen der Abhängigkeit
des Einen von dem andern
untrüglich. Jst die Begreiflichkeit vollständig, so ist
sie allein Kennzeichen genug von einer wahren Verursa-
chung. Wo nun aber alles, die vorerwähnten mit dem
letztern Merkmal der ursachlichen Verknüpfung beysam-
men sind, da wird der Verstand unwiderstehlich gezwun-
gen, sie so zu denken und zu erkennen, als es wirklich
geschicht. Es ist nur die Frage, ob sich in irgend einem
Beyspiele, wo wir eine wirkende Verbindung uns vor-
stellen, eine wahre Begreiflichkeit findet? Sollten wir
z. B. begreifen, wie die Seele in den Körper, oder
dieser in jene wirket, so müßte die Vorstellung von dem
wollenden Bestreben in der Seele, den Verstand auch
nothwendig auf die Jdee von einer neuen, im Körper
entstehenden Bewegung hinführen, das ist, wenn der
Verstand sich das vorstellet, was die Ursache und Kraft
ist, so mußte er so nothwendig auf den Gedanken, daß
die Wirkung hervorgebracht werde, übergehen, als von
den Vordersätzen eines Schlusses auf die Konklusion, die
er aus ihnen herleitet.

So weit das eigentliche Begreifen sich erstrecket,
das Begreifen einer Wirkung aus ihrer Ursache, so weit
folgern und schließen wir aus Einem Grundsatz auf
einen andern, es sey unmittelbar oder vermittelst eines
Zwischensatzes. Wenn wir folgern und schließen,
so ist eine absolute Nothwendigkeit in dem Uebergang
von dem Princip zu seiner Folge vorhanden, so oft dieser

Ueber-

VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
ſchlechthin nothwendig iſt, ſobald man Urſache und
Wirkung gegen einander haͤlt.

Außer den Merkmalen, die bey dem vorhergehen-
den Fall erwaͤhnet worden ſind, und die uns auf die Jdee
von der urſachlichen Verbindung zwiſchen zwey Gegen-
ſtaͤnden bringen, giebt es noch ein anders; nemlich, die
Begreiflichkeit der Wirkung aus ihrer Urſache. Wenn
dieſe zu den obigen hinzukommt, ſo iſt das Kennzei-
chen der Abhaͤngigkeit
des Einen von dem andern
untruͤglich. Jſt die Begreiflichkeit vollſtaͤndig, ſo iſt
ſie allein Kennzeichen genug von einer wahren Verurſa-
chung. Wo nun aber alles, die vorerwaͤhnten mit dem
letztern Merkmal der urſachlichen Verknuͤpfung beyſam-
men ſind, da wird der Verſtand unwiderſtehlich gezwun-
gen, ſie ſo zu denken und zu erkennen, als es wirklich
geſchicht. Es iſt nur die Frage, ob ſich in irgend einem
Beyſpiele, wo wir eine wirkende Verbindung uns vor-
ſtellen, eine wahre Begreiflichkeit findet? Sollten wir
z. B. begreifen, wie die Seele in den Koͤrper, oder
dieſer in jene wirket, ſo muͤßte die Vorſtellung von dem
wollenden Beſtreben in der Seele, den Verſtand auch
nothwendig auf die Jdee von einer neuen, im Koͤrper
entſtehenden Bewegung hinfuͤhren, das iſt, wenn der
Verſtand ſich das vorſtellet, was die Urſache und Kraft
iſt, ſo mußte er ſo nothwendig auf den Gedanken, daß
die Wirkung hervorgebracht werde, uͤbergehen, als von
den Vorderſaͤtzen eines Schluſſes auf die Konkluſion, die
er aus ihnen herleitet.

So weit das eigentliche Begreifen ſich erſtrecket,
das Begreifen einer Wirkung aus ihrer Urſache, ſo weit
folgern und ſchließen wir aus Einem Grundſatz auf
einen andern, es ſey unmittelbar oder vermittelſt eines
Zwiſchenſatzes. Wenn wir folgern und ſchließen,
ſo iſt eine abſolute Nothwendigkeit in dem Uebergang
von dem Princip zu ſeiner Folge vorhanden, ſo oft dieſer

Ueber-
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[498/0558] VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit ſchlechthin nothwendig iſt, ſobald man Urſache und Wirkung gegen einander haͤlt. Außer den Merkmalen, die bey dem vorhergehen- den Fall erwaͤhnet worden ſind, und die uns auf die Jdee von der urſachlichen Verbindung zwiſchen zwey Gegen- ſtaͤnden bringen, giebt es noch ein anders; nemlich, die Begreiflichkeit der Wirkung aus ihrer Urſache. Wenn dieſe zu den obigen hinzukommt, ſo iſt das Kennzei- chen der Abhaͤngigkeit des Einen von dem andern untruͤglich. Jſt die Begreiflichkeit vollſtaͤndig, ſo iſt ſie allein Kennzeichen genug von einer wahren Verurſa- chung. Wo nun aber alles, die vorerwaͤhnten mit dem letztern Merkmal der urſachlichen Verknuͤpfung beyſam- men ſind, da wird der Verſtand unwiderſtehlich gezwun- gen, ſie ſo zu denken und zu erkennen, als es wirklich geſchicht. Es iſt nur die Frage, ob ſich in irgend einem Beyſpiele, wo wir eine wirkende Verbindung uns vor- ſtellen, eine wahre Begreiflichkeit findet? Sollten wir z. B. begreifen, wie die Seele in den Koͤrper, oder dieſer in jene wirket, ſo muͤßte die Vorſtellung von dem wollenden Beſtreben in der Seele, den Verſtand auch nothwendig auf die Jdee von einer neuen, im Koͤrper entſtehenden Bewegung hinfuͤhren, das iſt, wenn der Verſtand ſich das vorſtellet, was die Urſache und Kraft iſt, ſo mußte er ſo nothwendig auf den Gedanken, daß die Wirkung hervorgebracht werde, uͤbergehen, als von den Vorderſaͤtzen eines Schluſſes auf die Konkluſion, die er aus ihnen herleitet. So weit das eigentliche Begreifen ſich erſtrecket, das Begreifen einer Wirkung aus ihrer Urſache, ſo weit folgern und ſchließen wir aus Einem Grundſatz auf einen andern, es ſey unmittelbar oder vermittelſt eines Zwiſchenſatzes. Wenn wir folgern und ſchließen, ſo iſt eine abſolute Nothwendigkeit in dem Uebergang von dem Princip zu ſeiner Folge vorhanden, ſo oft dieſer Ueber-

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/558>, abgerufen am 21.11.2024.