wenn von den ersten Beziehungen und von den ersten Grundurtheilen die Rede ist, wie es hier ist.
Andere stellen die Sache so vor: das Prädikat, das einem Subjekt beygeleget wird, muß entweder in der Jdee des Subjekts schon begriffen seyn, oder es muß bey ihr und mit ihr verbunden seyn, und wenn man einer Sache etwas abspricht, so muß das Gegentheil ent- weder in ihr vorhanden, oder doch von ihr getrennet seyn. Jst das Prädikat in der Jdee des Subjekts be- griffen, so ist es entweder mit der ganzen Jdee des Sub- jekts, oder mit einem Theil von ihr, in dem Fall, wenn es Eine von den mehreren Beschaffenheiten des Sub- jekts ist, einerley. Es findet also eine Jdentität zwi- schen den beiden Jdeen Statt. Jn den verneinenden Urtheilen ist es eine Verschiedenheit zwischen dem Prä- dikat, und den Beschaffenheiten des Subjekts, und öf- ters ein Widerspruch zwischen ihnen. Setzet man also die Klasse von Urtheilen, worinn nichts mehr als eine bloße Verbindung, oder nichts mehr als ein Getrennetseyn der Sachen gedacht wird, als eine ei- gene Gattung von zufälligen Urtheilen bey Seite; so bleibet nur die zwote Klasse von nothwendigen Ur- theilen übrig. Dieß sind denn die Gedanken, daß Dinge einerley, oder daß sie verschieden sind. Zu- folge dieses Raisonnements würden also alle nothwen- digen Urtheile in Gedanken über die Jdentität und Di- versität bestehen müssen.
Leibnitz behauptete, das metaphysische Princip der Jdentität sey das allgemeinste Princip aller noth- wendigen Wahrheiten. Wenn er seinen eigenen Sinn bestimmter ausgedruckt hätte, so würde er gesagt haben: Der Satz, ein Ding ist mit sich selbst einerley, sey der allgemeinste Ausdruck aller nothwendigen bejahen- den Sätze, so wie dagegen das Princip der Dwersi- tät: "Ein Ding ist verschieden von einem Andern,"
die
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
wenn von den erſten Beziehungen und von den erſten Grundurtheilen die Rede iſt, wie es hier iſt.
Andere ſtellen die Sache ſo vor: das Praͤdikat, das einem Subjekt beygeleget wird, muß entweder in der Jdee des Subjekts ſchon begriffen ſeyn, oder es muß bey ihr und mit ihr verbunden ſeyn, und wenn man einer Sache etwas abſpricht, ſo muß das Gegentheil ent- weder in ihr vorhanden, oder doch von ihr getrennet ſeyn. Jſt das Praͤdikat in der Jdee des Subjekts be- griffen, ſo iſt es entweder mit der ganzen Jdee des Sub- jekts, oder mit einem Theil von ihr, in dem Fall, wenn es Eine von den mehreren Beſchaffenheiten des Sub- jekts iſt, einerley. Es findet alſo eine Jdentitaͤt zwi- ſchen den beiden Jdeen Statt. Jn den verneinenden Urtheilen iſt es eine Verſchiedenheit zwiſchen dem Praͤ- dikat, und den Beſchaffenheiten des Subjekts, und oͤf- ters ein Widerſpruch zwiſchen ihnen. Setzet man alſo die Klaſſe von Urtheilen, worinn nichts mehr als eine bloße Verbindung, oder nichts mehr als ein Getrennetſeyn der Sachen gedacht wird, als eine ei- gene Gattung von zufaͤlligen Urtheilen bey Seite; ſo bleibet nur die zwote Klaſſe von nothwendigen Ur- theilen uͤbrig. Dieß ſind denn die Gedanken, daß Dinge einerley, oder daß ſie verſchieden ſind. Zu- folge dieſes Raiſonnements wuͤrden alſo alle nothwen- digen Urtheile in Gedanken uͤber die Jdentitaͤt und Di- verſitaͤt beſtehen muͤſſen.
Leibnitz behauptete, das metaphyſiſche Princip der Jdentitaͤt ſey das allgemeinſte Princip aller noth- wendigen Wahrheiten. Wenn er ſeinen eigenen Sinn beſtimmter ausgedruckt haͤtte, ſo wuͤrde er geſagt haben: Der Satz, ein Ding iſt mit ſich ſelbſt einerley, ſey der allgemeinſte Ausdruck aller nothwendigen bejahen- den Saͤtze, ſo wie dagegen das Princip der Dwerſi- taͤt: „Ein Ding iſt verſchieden von einem Andern,“
die
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VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
wenn von den erſten Beziehungen und von den erſten
Grundurtheilen die Rede iſt, wie es hier iſt.
Andere ſtellen die Sache ſo vor: das Praͤdikat, das
einem Subjekt beygeleget wird, muß entweder in der
Jdee des Subjekts ſchon begriffen ſeyn, oder es muß
bey ihr und mit ihr verbunden ſeyn, und wenn man
einer Sache etwas abſpricht, ſo muß das Gegentheil ent-
weder in ihr vorhanden, oder doch von ihr getrennet
ſeyn. Jſt das Praͤdikat in der Jdee des Subjekts be-
griffen, ſo iſt es entweder mit der ganzen Jdee des Sub-
jekts, oder mit einem Theil von ihr, in dem Fall, wenn
es Eine von den mehreren Beſchaffenheiten des Sub-
jekts iſt, einerley. Es findet alſo eine Jdentitaͤt zwi-
ſchen den beiden Jdeen Statt. Jn den verneinenden
Urtheilen iſt es eine Verſchiedenheit zwiſchen dem Praͤ-
dikat, und den Beſchaffenheiten des Subjekts, und oͤf-
ters ein Widerſpruch zwiſchen ihnen. Setzet man
alſo die Klaſſe von Urtheilen, worinn nichts mehr als
eine bloße Verbindung, oder nichts mehr als ein
Getrennetſeyn der Sachen gedacht wird, als eine ei-
gene Gattung von zufaͤlligen Urtheilen bey Seite; ſo
bleibet nur die zwote Klaſſe von nothwendigen Ur-
theilen uͤbrig. Dieß ſind denn die Gedanken, daß
Dinge einerley, oder daß ſie verſchieden ſind. Zu-
folge dieſes Raiſonnements wuͤrden alſo alle nothwen-
digen Urtheile in Gedanken uͤber die Jdentitaͤt und Di-
verſitaͤt beſtehen muͤſſen.
Leibnitz behauptete, das metaphyſiſche Princip
der Jdentitaͤt ſey das allgemeinſte Princip aller noth-
wendigen Wahrheiten. Wenn er ſeinen eigenen Sinn
beſtimmter ausgedruckt haͤtte, ſo wuͤrde er geſagt haben:
Der Satz, ein Ding iſt mit ſich ſelbſt einerley, ſey
der allgemeinſte Ausdruck aller nothwendigen bejahen-
den Saͤtze, ſo wie dagegen das Princip der Dwerſi-
taͤt: „Ein Ding iſt verſchieden von einem Andern,“
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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