fühlen entstanden, und eine Gewahrnehmung, daß die Objekte gleich sind, genannt worden war. Denn es war der Aktus der Reflexion bey dem Sehen ein ähnlicher Aktus und derselbige, wie bey dem Fühlen. Wenn kein Begrif von Gleichheit aus dem Gefühl vorhanden gewe- sen, so würde die Denkthätigkeit bey dem Gesichtsem- pfindungen ihn zu einem Begrif von Gleichheit haben bringen können.
Der Schluß aus diesen Anmerkungen ist also folgen- der. Es giebt erste unmittelbare Verhältnißgedan- ken bey sinnlichen Vorstellungen, die man die er- sten unmittelbaren sinnlichen Urtheile nennen kann. Sie sind nicht erlernet, als in so ferne überhaupt die Denkkraft nur nach und nach so stark geworden ist, der- gleichen Wirkungen hervorzubringen. Eben so wenig sind sie auf irgend eine Weise Schlußurtheile, indem sie nichts voraus setzen, als eine Art von Vergleichen oder Gegeneinanderhalten der sinnlichen Vorstellungen, zwischen denen das Verhältniß gedacht wird.
Weiter. "Es giebt in einem jeden besondern sinn- "lichen Urtheile etwas, das als eine ursprüngliche un- "mittelbare Aeußerung der Denkthätigkeit angesehen wer- "den kann, und also als ein unmittelbares instinktarti- "ges Urtheil." Aber wenn nun in das gewahrgenom- mene Verhältniß mehr hineingeleget wird, als dieser un- mittelbare Aktus hervorbringet, so hat dieß seine Ursache in einer Verbindung des gegenwärtigen Verhältnisses mit andern, die bey andern Empfindungen und sinnli- chen Vorstellungen erkannt sind, das ist in einer Asso- ciation der allgemeinen sinnlichen Vorstellungen.
II. Von
der ſinnlich. Kenntn. u. d. vernuͤnftigen.
fuͤhlen entſtanden, und eine Gewahrnehmung, daß die Objekte gleich ſind, genannt worden war. Denn es war der Aktus der Reflexion bey dem Sehen ein aͤhnlicher Aktus und derſelbige, wie bey dem Fuͤhlen. Wenn kein Begrif von Gleichheit aus dem Gefuͤhl vorhanden gewe- ſen, ſo wuͤrde die Denkthaͤtigkeit bey dem Geſichtsem- pfindungen ihn zu einem Begrif von Gleichheit haben bringen koͤnnen.
Der Schluß aus dieſen Anmerkungen iſt alſo folgen- der. Es giebt erſte unmittelbare Verhaͤltnißgedan- ken bey ſinnlichen Vorſtellungen, die man die er- ſten unmittelbaren ſinnlichen Urtheile nennen kann. Sie ſind nicht erlernet, als in ſo ferne uͤberhaupt die Denkkraft nur nach und nach ſo ſtark geworden iſt, der- gleichen Wirkungen hervorzubringen. Eben ſo wenig ſind ſie auf irgend eine Weiſe Schlußurtheile, indem ſie nichts voraus ſetzen, als eine Art von Vergleichen oder Gegeneinanderhalten der ſinnlichen Vorſtellungen, zwiſchen denen das Verhaͤltniß gedacht wird.
Weiter. „Es giebt in einem jeden beſondern ſinn- „lichen Urtheile etwas, das als eine urſpruͤngliche un- „mittelbare Aeußerung der Denkthaͤtigkeit angeſehen wer- „den kann, und alſo als ein unmittelbares inſtinktarti- „ges Urtheil.‟ Aber wenn nun in das gewahrgenom- mene Verhaͤltniß mehr hineingeleget wird, als dieſer un- mittelbare Aktus hervorbringet, ſo hat dieß ſeine Urſache in einer Verbindung des gegenwaͤrtigen Verhaͤltniſſes mit andern, die bey andern Empfindungen und ſinnli- chen Vorſtellungen erkannt ſind, das iſt in einer Aſſo- ciation der allgemeinen ſinnlichen Vorſtellungen.
II. Von
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der ſinnlich. Kenntn. u. d. vernuͤnftigen.
fuͤhlen entſtanden, und eine Gewahrnehmung, daß die
Objekte gleich ſind, genannt worden war. Denn es war
der Aktus der Reflexion bey dem Sehen ein aͤhnlicher
Aktus und derſelbige, wie bey dem Fuͤhlen. Wenn kein
Begrif von Gleichheit aus dem Gefuͤhl vorhanden gewe-
ſen, ſo wuͤrde die Denkthaͤtigkeit bey dem Geſichtsem-
pfindungen ihn zu einem Begrif von Gleichheit haben
bringen koͤnnen.
Der Schluß aus dieſen Anmerkungen iſt alſo folgen-
der. Es giebt erſte unmittelbare Verhaͤltnißgedan-
ken bey ſinnlichen Vorſtellungen, die man die er-
ſten unmittelbaren ſinnlichen Urtheile nennen kann.
Sie ſind nicht erlernet, als in ſo ferne uͤberhaupt die
Denkkraft nur nach und nach ſo ſtark geworden iſt, der-
gleichen Wirkungen hervorzubringen. Eben ſo wenig
ſind ſie auf irgend eine Weiſe Schlußurtheile, indem
ſie nichts voraus ſetzen, als eine Art von Vergleichen
oder Gegeneinanderhalten der ſinnlichen Vorſtellungen,
zwiſchen denen das Verhaͤltniß gedacht wird.
Weiter. „Es giebt in einem jeden beſondern ſinn-
„lichen Urtheile etwas, das als eine urſpruͤngliche un-
„mittelbare Aeußerung der Denkthaͤtigkeit angeſehen wer-
„den kann, und alſo als ein unmittelbares inſtinktarti-
„ges Urtheil.‟ Aber wenn nun in das gewahrgenom-
mene Verhaͤltniß mehr hineingeleget wird, als dieſer un-
mittelbare Aktus hervorbringet, ſo hat dieß ſeine Urſache
in einer Verbindung des gegenwaͤrtigen Verhaͤltniſſes
mit andern, die bey andern Empfindungen und ſinnli-
chen Vorſtellungen erkannt ſind, das iſt in einer Aſſo-
ciation der allgemeinen ſinnlichen Vorſtellungen.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/519>, abgerufen am 25.11.2024.
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