vorhergehenden Versuchen. Nun ist noch ein anderer zurück, nemlich das Verhältniß dieser Grundthätigkeiten und der Vermögen, gegen einander, und ihrer Abhän- gigkeit von einander aus Beobachtungen aufzusuchen. Jch verlange hierüber kein anders Licht, als das, was die Erfahrung giebet: keine Hypothese, keine Spekula- tion aus Begriffen. Wenn aber jene Fackel verlöscht, was alsdenn zu thun sey, muß man sehen, wenn es da- hin kommt.
Jedwede Erkenntniß ist als Erkenntniß ein Werk der Denkkraft. Aber wir haben sinnliche Erkennt- nisse, und wir haben vernünftige. Das gemeine Ge- fühl empfindet diesen Unterschied. Bey jener wirket die Denkkraft das wenigste; bey dieser das meiste. Da sind also zwey von einander abstehende Seiten der Erkennt- nißkraft. Die Beziehungen dieser beiden auf einander, und der Unterschied in dem Verhältnisse, worinn jedes einfache Vermögen das Seinige zu der sinnlichen und zu der vernünftigen Kenntniß beyträget, können uns einen Schritt zu den Beziehungen dieser Vermögen selbst nä- her bringen. Ueber beides ist von den neuern Untersu- chern, von Locke, Condillac, Bonnet, Hume und andern so vieles beobachtet und gesagt worden, und in der That noch mehr von Leibnitz und Wolf, daß ich die meisten male nur auf diese verweisen darf. Doch ist auch etwas von ihnen zurückgelassen, das nicht lauter Spreu ist, wenn man es aufsammlet. Was insbeson- dere die Natur unserer vernünftigen Einsicht, den Gang des Verstandes in den Spekulationen und die Ein- richtung der allgemeinen Theorien betrift, so haben die genannten Ausländer, auch Bacon nicht ausgenom- men, diese nur in der Ferne, und ziemlich dunkel gese- hen. Man hat den Verstand am öftersten da beobach- tet, wo er Erfahrungen sammlet, und aus Empfindun- gen sich die ersten sinnlichen Jdeen machet, wie in der
Natur-
der ſinnlich. Kenntn. u. d. vernuͤnftigen.
vorhergehenden Verſuchen. Nun iſt noch ein anderer zuruͤck, nemlich das Verhaͤltniß dieſer Grundthaͤtigkeiten und der Vermoͤgen, gegen einander, und ihrer Abhaͤn- gigkeit von einander aus Beobachtungen aufzuſuchen. Jch verlange hieruͤber kein anders Licht, als das, was die Erfahrung giebet: keine Hypotheſe, keine Spekula- tion aus Begriffen. Wenn aber jene Fackel verloͤſcht, was alsdenn zu thun ſey, muß man ſehen, wenn es da- hin kommt.
Jedwede Erkenntniß iſt als Erkenntniß ein Werk der Denkkraft. Aber wir haben ſinnliche Erkennt- niſſe, und wir haben vernuͤnftige. Das gemeine Ge- fuͤhl empfindet dieſen Unterſchied. Bey jener wirket die Denkkraft das wenigſte; bey dieſer das meiſte. Da ſind alſo zwey von einander abſtehende Seiten der Erkennt- nißkraft. Die Beziehungen dieſer beiden auf einander, und der Unterſchied in dem Verhaͤltniſſe, worinn jedes einfache Vermoͤgen das Seinige zu der ſinnlichen und zu der vernuͤnftigen Kenntniß beytraͤget, koͤnnen uns einen Schritt zu den Beziehungen dieſer Vermoͤgen ſelbſt naͤ- her bringen. Ueber beides iſt von den neuern Unterſu- chern, von Locke, Condillac, Bonnet, Hume und andern ſo vieles beobachtet und geſagt worden, und in der That noch mehr von Leibnitz und Wolf, daß ich die meiſten male nur auf dieſe verweiſen darf. Doch iſt auch etwas von ihnen zuruͤckgelaſſen, das nicht lauter Spreu iſt, wenn man es aufſammlet. Was insbeſon- dere die Natur unſerer vernuͤnftigen Einſicht, den Gang des Verſtandes in den Spekulationen und die Ein- richtung der allgemeinen Theorien betrift, ſo haben die genannten Auslaͤnder, auch Bacon nicht ausgenom- men, dieſe nur in der Ferne, und ziemlich dunkel geſe- hen. Man hat den Verſtand am oͤfterſten da beobach- tet, wo er Erfahrungen ſammlet, und aus Empfindun- gen ſich die erſten ſinnlichen Jdeen machet, wie in der
Natur-
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der ſinnlich. Kenntn. u. d. vernuͤnftigen.
vorhergehenden Verſuchen. Nun iſt noch ein anderer
zuruͤck, nemlich das Verhaͤltniß dieſer Grundthaͤtigkeiten
und der Vermoͤgen, gegen einander, und ihrer Abhaͤn-
gigkeit von einander aus Beobachtungen aufzuſuchen.
Jch verlange hieruͤber kein anders Licht, als das, was
die Erfahrung giebet: keine Hypotheſe, keine Spekula-
tion aus Begriffen. Wenn aber jene Fackel verloͤſcht,
was alsdenn zu thun ſey, muß man ſehen, wenn es da-
hin kommt.
Jedwede Erkenntniß iſt als Erkenntniß ein Werk
der Denkkraft. Aber wir haben ſinnliche Erkennt-
niſſe, und wir haben vernuͤnftige. Das gemeine Ge-
fuͤhl empfindet dieſen Unterſchied. Bey jener wirket die
Denkkraft das wenigſte; bey dieſer das meiſte. Da ſind
alſo zwey von einander abſtehende Seiten der Erkennt-
nißkraft. Die Beziehungen dieſer beiden auf einander,
und der Unterſchied in dem Verhaͤltniſſe, worinn jedes
einfache Vermoͤgen das Seinige zu der ſinnlichen und zu
der vernuͤnftigen Kenntniß beytraͤget, koͤnnen uns einen
Schritt zu den Beziehungen dieſer Vermoͤgen ſelbſt naͤ-
her bringen. Ueber beides iſt von den neuern Unterſu-
chern, von Locke, Condillac, Bonnet, Hume und
andern ſo vieles beobachtet und geſagt worden, und in
der That noch mehr von Leibnitz und Wolf, daß ich
die meiſten male nur auf dieſe verweiſen darf. Doch iſt
auch etwas von ihnen zuruͤckgelaſſen, das nicht lauter
Spreu iſt, wenn man es aufſammlet. Was insbeſon-
dere die Natur unſerer vernuͤnftigen Einſicht, den
Gang des Verſtandes in den Spekulationen und die Ein-
richtung der allgemeinen Theorien betrift, ſo haben
die genannten Auslaͤnder, auch Bacon nicht ausgenom-
men, dieſe nur in der Ferne, und ziemlich dunkel geſe-
hen. Man hat den Verſtand am oͤfterſten da beobach-
tet, wo er Erfahrungen ſammlet, und aus Empfindun-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/487>, abgerufen am 24.11.2024.
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