danken gemacht, so hatte man nebst der Jdee eines ge- genwärtigen Zustands, die Jdee eines andern Din- ges, und auch den Verhältnißbegrif von der Folge und Verbindung jenes Zustandes mit dem von ihm verschie- denen Dinge.
Der Begrif vom Bestehen und Fortdauern be- zieht sich auf den Begrif der Zeit. Beide sind in ih- rem Ursprung verwandt, und beide entstehen durch eine Abstraktion aus den Empfindungen von dem Aktus des Gefühls, und des Denkens. Jedes bemerkbare Gefühl hat seine Länge. Wenn wir mit dem Fin- ger über einen Körper hinfahren, so kann es seyn, daß wir nur an zweyen Stellen solche Eindrücke empfangen, die in der ganzen Reihe der Veränderungen sich ausneh- men, und unterschieden werden. Das übrige wird als- denn eine im Ganzen klare, aber in ihren einzelnen Thei- len ununterscheidbare, vielbefassende Empfindung ausma- chen. Es sind nicht jene sich ausnehmende Gefühle oder die gefühlten Gegenstände, von deren Empfindung oder Vorstellung der Begrif der Dauer und der Zeit abstrahiret werden kann, wie Hr. Kant erinnert hat; aber es sind die in uns fortgehende Aktus des Gefühls, die ihre Succession und Länge haben, wenn gleich kein bemerkbarer Gegenstand gefühlet wird, und die wieder- um, wie das Gefühl überhaupt, in ihren nächsten Wir- kungen empfunden, vorgestellet und gewahrgenommen werden; diese sinds, aus welchen die einzelnen Em- pfindungsvorstellungen kommen, die den Stoff zu der Abstraction von der Zeit hergeben. Die Dichtkraft hat indessen auch einigen Antheil an der völligen Zurich- tung dieser Vorstellungen.
Eine ähnliche Anmerkung läßt sich über den Begrif des Raums machen. Auch dieser entsteht aus dem Ak- tus des Gefühls. Jch berühre dieß hier nur in der Ferne, weil der Gemeinbegrif von dem Bestehen und
der
V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
danken gemacht, ſo hatte man nebſt der Jdee eines ge- genwaͤrtigen Zuſtands, die Jdee eines andern Din- ges, und auch den Verhaͤltnißbegrif von der Folge und Verbindung jenes Zuſtandes mit dem von ihm verſchie- denen Dinge.
Der Begrif vom Beſtehen und Fortdauern be- zieht ſich auf den Begrif der Zeit. Beide ſind in ih- rem Urſprung verwandt, und beide entſtehen durch eine Abſtraktion aus den Empfindungen von dem Aktus des Gefuͤhls, und des Denkens. Jedes bemerkbare Gefuͤhl hat ſeine Laͤnge. Wenn wir mit dem Fin- ger uͤber einen Koͤrper hinfahren, ſo kann es ſeyn, daß wir nur an zweyen Stellen ſolche Eindruͤcke empfangen, die in der ganzen Reihe der Veraͤnderungen ſich ausneh- men, und unterſchieden werden. Das uͤbrige wird als- denn eine im Ganzen klare, aber in ihren einzelnen Thei- len ununterſcheidbare, vielbefaſſende Empfindung ausma- chen. Es ſind nicht jene ſich ausnehmende Gefuͤhle oder die gefuͤhlten Gegenſtaͤnde, von deren Empfindung oder Vorſtellung der Begrif der Dauer und der Zeit abſtrahiret werden kann, wie Hr. Kant erinnert hat; aber es ſind die in uns fortgehende Aktus des Gefuͤhls, die ihre Succeſſion und Laͤnge haben, wenn gleich kein bemerkbarer Gegenſtand gefuͤhlet wird, und die wieder- um, wie das Gefuͤhl uͤberhaupt, in ihren naͤchſten Wir- kungen empfunden, vorgeſtellet und gewahrgenommen werden; dieſe ſinds, aus welchen die einzelnen Em- pfindungsvorſtellungen kommen, die den Stoff zu der Abſtraction von der Zeit hergeben. Die Dichtkraft hat indeſſen auch einigen Antheil an der voͤlligen Zurich- tung dieſer Vorſtellungen.
Eine aͤhnliche Anmerkung laͤßt ſich uͤber den Begrif des Raums machen. Auch dieſer entſteht aus dem Ak- tus des Gefuͤhls. Jch beruͤhre dieß hier nur in der Ferne, weil der Gemeinbegrif von dem Beſtehen und
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V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
danken gemacht, ſo hatte man nebſt der Jdee eines ge-
genwaͤrtigen Zuſtands, die Jdee eines andern Din-
ges, und auch den Verhaͤltnißbegrif von der Folge und
Verbindung jenes Zuſtandes mit dem von ihm verſchie-
denen Dinge.
Der Begrif vom Beſtehen und Fortdauern be-
zieht ſich auf den Begrif der Zeit. Beide ſind in ih-
rem Urſprung verwandt, und beide entſtehen durch eine
Abſtraktion aus den Empfindungen von dem Aktus des
Gefuͤhls, und des Denkens. Jedes bemerkbare
Gefuͤhl hat ſeine Laͤnge. Wenn wir mit dem Fin-
ger uͤber einen Koͤrper hinfahren, ſo kann es ſeyn, daß
wir nur an zweyen Stellen ſolche Eindruͤcke empfangen,
die in der ganzen Reihe der Veraͤnderungen ſich ausneh-
men, und unterſchieden werden. Das uͤbrige wird als-
denn eine im Ganzen klare, aber in ihren einzelnen Thei-
len ununterſcheidbare, vielbefaſſende Empfindung ausma-
chen. Es ſind nicht jene ſich ausnehmende Gefuͤhle oder
die gefuͤhlten Gegenſtaͤnde, von deren Empfindung
oder Vorſtellung der Begrif der Dauer und der Zeit
abſtrahiret werden kann, wie Hr. Kant erinnert hat;
aber es ſind die in uns fortgehende Aktus des Gefuͤhls,
die ihre Succeſſion und Laͤnge haben, wenn gleich kein
bemerkbarer Gegenſtand gefuͤhlet wird, und die wieder-
um, wie das Gefuͤhl uͤberhaupt, in ihren naͤchſten Wir-
kungen empfunden, vorgeſtellet und gewahrgenommen
werden; dieſe ſinds, aus welchen die einzelnen Em-
pfindungsvorſtellungen kommen, die den Stoff zu
der Abſtraction von der Zeit hergeben. Die Dichtkraft
hat indeſſen auch einigen Antheil an der voͤlligen Zurich-
tung dieſer Vorſtellungen.
Eine aͤhnliche Anmerkung laͤßt ſich uͤber den Begrif
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/458>, abgerufen am 27.11.2024.
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