einer Sache bestehet, findet sich in diesen Beyspielen nicht.
Es kann also Verhältnißideen geben, ohne Jdeen der sich auf einander beziehenden Dinge. Die Aktion des Beziehens wird klar genug wahrgenommen, aber die Objekte selbst nicht.
Solche Verhältnißideen sind die Jdeen von dem Raum und der Zeit. Wir beziehen die koexistirende Dinge auf einander in unsern Empfindungen des Gesichts und des Gefühls; die auf einander folgenden Sachen aber in allen unsern Gefühlsarten. Diese Beziehungen bestehen darinn, daß wir die mehrern einzelnen Gefühle und Empfindungen in Ein ganzes zusammen nehmen. Wenn ich mit dem Auge von der Erde zum Monde hin- auffahre, so ist eine Reihe von einzelnen Aktus des Se- hens vorhanden, die ich unter einander nicht unterschei- de, aber zusammennehme; und das nemliche eräuget sich, wenn ich mit der Hand einen Kreiß in der Luft ma- che, ohne an einen Körper anzuschlagen. Da ist also ein ganzer Aktus, der aus mehrern Theilen bestehet, die für sich nicht von einander unterschieden, aber in eins zusammengezogen, und als ein ununterbrochenes Ganze vorgestellet werden. Mit diesem ganzen Gefühlsaktus werden die besonders hie und da in ihm zerstreuten klaren Gefühle von einzelnen gewahrgenommenen Gegenständen verbunden, und auf ihn bezogen, wie Theile in einem Ganzen auf dieß Ganze, worinn sie sind. So wohl je- nes Zusammennehmen der ununterscheidbaren Theile, als dieß letztere, sind Beziehungen. Das vereinigte Ganze der Empfindung wird gewahrgenommen, und also zu einer Jdee gemacht, welche in dem einen Fall die ein- zelne Jdee von einem Raum, und in dem andern die einzelne Jdee von einer Zeit ist. Hr. Kant*) hat, so
viel
*)De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et prin- cipiis. diss. 1770.
Z 4
und uͤber das Denken.
einer Sache beſtehet, findet ſich in dieſen Beyſpielen nicht.
Es kann alſo Verhaͤltnißideen geben, ohne Jdeen der ſich auf einander beziehenden Dinge. Die Aktion des Beziehens wird klar genug wahrgenommen, aber die Objekte ſelbſt nicht.
Solche Verhaͤltnißideen ſind die Jdeen von dem Raum und der Zeit. Wir beziehen die koexiſtirende Dinge auf einander in unſern Empfindungen des Geſichts und des Gefuͤhls; die auf einander folgenden Sachen aber in allen unſern Gefuͤhlsarten. Dieſe Beziehungen beſtehen darinn, daß wir die mehrern einzelnen Gefuͤhle und Empfindungen in Ein ganzes zuſammen nehmen. Wenn ich mit dem Auge von der Erde zum Monde hin- auffahre, ſo iſt eine Reihe von einzelnen Aktus des Se- hens vorhanden, die ich unter einander nicht unterſchei- de, aber zuſammennehme; und das nemliche eraͤuget ſich, wenn ich mit der Hand einen Kreiß in der Luft ma- che, ohne an einen Koͤrper anzuſchlagen. Da iſt alſo ein ganzer Aktus, der aus mehrern Theilen beſtehet, die fuͤr ſich nicht von einander unterſchieden, aber in eins zuſammengezogen, und als ein ununterbrochenes Ganze vorgeſtellet werden. Mit dieſem ganzen Gefuͤhlsaktus werden die beſonders hie und da in ihm zerſtreuten klaren Gefuͤhle von einzelnen gewahrgenommenen Gegenſtaͤnden verbunden, und auf ihn bezogen, wie Theile in einem Ganzen auf dieß Ganze, worinn ſie ſind. So wohl je- nes Zuſammennehmen der ununterſcheidbaren Theile, als dieß letztere, ſind Beziehungen. Das vereinigte Ganze der Empfindung wird gewahrgenommen, und alſo zu einer Jdee gemacht, welche in dem einen Fall die ein- zelne Jdee von einem Raum, und in dem andern die einzelne Jdee von einer Zeit iſt. Hr. Kant*) hat, ſo
viel
*)De mundi ſenſibilis atque intelligibilis forma et prin- cipiis. diſſ. 1770.
Z 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0419"n="359"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und uͤber das Denken.</hi></fw><lb/>
einer Sache beſtehet, findet ſich in dieſen Beyſpielen<lb/>
nicht.</p><lb/><p>Es kann alſo <hirendition="#fr">Verhaͤltnißideen</hi> geben, ohne <hirendition="#fr">Jdeen</hi><lb/>
der ſich auf einander beziehenden <hirendition="#fr">Dinge.</hi> Die Aktion<lb/>
des Beziehens wird klar genug wahrgenommen, aber die<lb/>
Objekte ſelbſt nicht.</p><lb/><p>Solche <hirendition="#fr">Verhaͤltnißideen</hi>ſind die Jdeen von dem<lb/><hirendition="#fr">Raum</hi> und der <hirendition="#fr">Zeit.</hi> Wir beziehen die <hirendition="#fr">koexiſtirende</hi><lb/>
Dinge auf einander in unſern Empfindungen des Geſichts<lb/>
und des Gefuͤhls; die auf einander folgenden Sachen<lb/>
aber in allen unſern Gefuͤhlsarten. Dieſe Beziehungen<lb/>
beſtehen darinn, daß wir die mehrern einzelnen Gefuͤhle<lb/>
und Empfindungen in Ein ganzes zuſammen nehmen.<lb/>
Wenn ich mit dem Auge von der Erde zum Monde hin-<lb/>
auffahre, ſo iſt eine Reihe von einzelnen Aktus des Se-<lb/>
hens vorhanden, die ich unter einander nicht unterſchei-<lb/>
de, aber zuſammennehme; und das nemliche eraͤuget<lb/>ſich, wenn ich mit der Hand einen Kreiß in der Luft ma-<lb/>
che, ohne an einen Koͤrper anzuſchlagen. Da iſt alſo<lb/>
ein ganzer Aktus, der aus mehrern Theilen beſtehet,<lb/>
die fuͤr ſich nicht von einander unterſchieden, aber in eins<lb/>
zuſammengezogen, und als ein ununterbrochenes Ganze<lb/>
vorgeſtellet werden. Mit dieſem ganzen Gefuͤhlsaktus<lb/>
werden die beſonders hie und da in ihm zerſtreuten klaren<lb/>
Gefuͤhle von einzelnen gewahrgenommenen Gegenſtaͤnden<lb/>
verbunden, und auf ihn bezogen, wie Theile in einem<lb/>
Ganzen auf dieß Ganze, worinn ſie ſind. So wohl je-<lb/>
nes Zuſammennehmen der ununterſcheidbaren Theile, als<lb/>
dieß letztere, ſind Beziehungen. Das vereinigte Ganze<lb/>
der Empfindung wird gewahrgenommen, und alſo zu<lb/>
einer Jdee gemacht, welche in dem einen Fall die ein-<lb/>
zelne Jdee von einem <hirendition="#fr">Raum,</hi> und in dem andern die<lb/>
einzelne Jdee von einer <hirendition="#fr">Zeit</hi> iſt. Hr. <hirendition="#fr">Kant</hi><noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">De mundi ſenſibilis atque intelligibilis forma et prin-<lb/>
cipiis. diſſ.</hi> 1770.</note> hat, ſo<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">viel</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[359/0419]
und uͤber das Denken.
einer Sache beſtehet, findet ſich in dieſen Beyſpielen
nicht.
Es kann alſo Verhaͤltnißideen geben, ohne Jdeen
der ſich auf einander beziehenden Dinge. Die Aktion
des Beziehens wird klar genug wahrgenommen, aber die
Objekte ſelbſt nicht.
Solche Verhaͤltnißideen ſind die Jdeen von dem
Raum und der Zeit. Wir beziehen die koexiſtirende
Dinge auf einander in unſern Empfindungen des Geſichts
und des Gefuͤhls; die auf einander folgenden Sachen
aber in allen unſern Gefuͤhlsarten. Dieſe Beziehungen
beſtehen darinn, daß wir die mehrern einzelnen Gefuͤhle
und Empfindungen in Ein ganzes zuſammen nehmen.
Wenn ich mit dem Auge von der Erde zum Monde hin-
auffahre, ſo iſt eine Reihe von einzelnen Aktus des Se-
hens vorhanden, die ich unter einander nicht unterſchei-
de, aber zuſammennehme; und das nemliche eraͤuget
ſich, wenn ich mit der Hand einen Kreiß in der Luft ma-
che, ohne an einen Koͤrper anzuſchlagen. Da iſt alſo
ein ganzer Aktus, der aus mehrern Theilen beſtehet,
die fuͤr ſich nicht von einander unterſchieden, aber in eins
zuſammengezogen, und als ein ununterbrochenes Ganze
vorgeſtellet werden. Mit dieſem ganzen Gefuͤhlsaktus
werden die beſonders hie und da in ihm zerſtreuten klaren
Gefuͤhle von einzelnen gewahrgenommenen Gegenſtaͤnden
verbunden, und auf ihn bezogen, wie Theile in einem
Ganzen auf dieß Ganze, worinn ſie ſind. So wohl je-
nes Zuſammennehmen der ununterſcheidbaren Theile, als
dieß letztere, ſind Beziehungen. Das vereinigte Ganze
der Empfindung wird gewahrgenommen, und alſo zu
einer Jdee gemacht, welche in dem einen Fall die ein-
zelne Jdee von einem Raum, und in dem andern die
einzelne Jdee von einer Zeit iſt. Hr. Kant *) hat, ſo
viel
*) De mundi ſenſibilis atque intelligibilis forma et prin-
cipiis. diſſ. 1770.
Z 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/419>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.