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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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II. Versuch. Ueber das Gefühl,

Es sey aber gleichviel, wie die Ableitung des Ver-
gnügens geschehe, so kommt es darauf an, ob solche die
obgedachten Phänomene vollständig zu erklären hinreiche?
Ob nicht in so vielen Fällen dieser Art eine neue Quelle
von Vergnügen hinzu komme, die selbst in der Arbeit,
in dem Bestreben und in der Thätigkeit lieget, womit
man die Absicht zu erreichen suchet? Jch will die Ab-
leitung des Vergnügens wirken lassen, was sie kann,
und ihre Macht nicht verkennen, wo die Erfahrung sie

zeiget.
Deutlichkeit in der vortreflichen Schrift: über die
Neigungen,
erkläret, und auch schon derselben Be-
nennung sich bedienet. Warum die Reihe der Vorstel-
lungen, von der vom Besitz des Geldes an, bis zu der
Jdee von dessen Genuß, in der Phantasie des Geizigen
so zu sagen abgeschnitten, und die Seele bey der Vor-
stellung von dem Gelde, als der letzten stehen bleibet,
und Vergnügen, Bedörfniß und Begierde daran hef-
tet, davon ist auch ein naturlicher Grund in dem Ge-
setz der Reproduktion, "daß, wenn viele Jdeenreihen
"Eine Vorstellung, als einen gemeinschaftlichen Punkt
"haben, auf welchen die Seele bey der Reproduktion
"kommen muß, wenn sie zu jenen dahinter liegenden
"Reihen hin will, sie gemeiniglich bey jenem Punkt,
"als bey einem Endpunkt stehen bleibet." Denn eben
weil viele verschiedene Reihen fast gleich stark an dieser
gemeinschaftlichen Vorstellung anliegen, so kann sie sol-
che nicht alle zugleich erwecken, und wird daher aufge-
halten, und steht still. Es muß eine oder die andere
von den nachfolgenden associirten Reihen vorzüglich leb-
haft seyn, wenn die Einbildungskraft ihr weiter nach-
gehen soll. So ein gemeinschaftlicher Punkt mehrerer
Reihen, ist die Vorstellung von dem Gelde in dem Kopf
des Geizigen. Jch beziehe mich auf dieselbige Garvi-
sche Schrift in Hinsicht der Frage, die hier gleich nach-
folget. Es würde überflüßig seyn, auch die übrigen
mit jener zugleich herausgekommenen Abhandlungen,
bey dieser ganzen Betrachtung als nützlich und vortref-
lich zu empfehlen.
II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,

Es ſey aber gleichviel, wie die Ableitung des Ver-
gnuͤgens geſchehe, ſo kommt es darauf an, ob ſolche die
obgedachten Phaͤnomene vollſtaͤndig zu erklaͤren hinreiche?
Ob nicht in ſo vielen Faͤllen dieſer Art eine neue Quelle
von Vergnuͤgen hinzu komme, die ſelbſt in der Arbeit,
in dem Beſtreben und in der Thaͤtigkeit lieget, womit
man die Abſicht zu erreichen ſuchet? Jch will die Ab-
leitung des Vergnuͤgens wirken laſſen, was ſie kann,
und ihre Macht nicht verkennen, wo die Erfahrung ſie

zeiget.
Deutlichkeit in der vortreflichen Schrift: uͤber die
Neigungen,
erklaͤret, und auch ſchon derſelben Be-
nennung ſich bedienet. Warum die Reihe der Vorſtel-
lungen, von der vom Beſitz des Geldes an, bis zu der
Jdee von deſſen Genuß, in der Phantaſie des Geizigen
ſo zu ſagen abgeſchnitten, und die Seele bey der Vor-
ſtellung von dem Gelde, als der letzten ſtehen bleibet,
und Vergnuͤgen, Bedoͤrfniß und Begierde daran hef-
tet, davon iſt auch ein naturlicher Grund in dem Ge-
ſetz der Reproduktion, „daß, wenn viele Jdeenreihen
„Eine Vorſtellung, als einen gemeinſchaftlichen Punkt
„haben, auf welchen die Seele bey der Reproduktion
„kommen muß, wenn ſie zu jenen dahinter liegenden
„Reihen hin will, ſie gemeiniglich bey jenem Punkt,
„als bey einem Endpunkt ſtehen bleibet.‟ Denn eben
weil viele verſchiedene Reihen faſt gleich ſtark an dieſer
gemeinſchaftlichen Vorſtellung anliegen, ſo kann ſie ſol-
che nicht alle zugleich erwecken, und wird daher aufge-
halten, und ſteht ſtill. Es muß eine oder die andere
von den nachfolgenden aſſociirten Reihen vorzuͤglich leb-
haft ſeyn, wenn die Einbildungskraft ihr weiter nach-
gehen ſoll. So ein gemeinſchaftlicher Punkt mehrerer
Reihen, iſt die Vorſtellung von dem Gelde in dem Kopf
des Geizigen. Jch beziehe mich auf dieſelbige Garvi-
ſche Schrift in Hinſicht der Frage, die hier gleich nach-
folget. Es wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, auch die uͤbrigen
mit jener zugleich herausgekommenen Abhandlungen,
bey dieſer ganzen Betrachtung als nuͤtzlich und vortref-
lich zu empfehlen.
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[230/0290] II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl, Es ſey aber gleichviel, wie die Ableitung des Ver- gnuͤgens geſchehe, ſo kommt es darauf an, ob ſolche die obgedachten Phaͤnomene vollſtaͤndig zu erklaͤren hinreiche? Ob nicht in ſo vielen Faͤllen dieſer Art eine neue Quelle von Vergnuͤgen hinzu komme, die ſelbſt in der Arbeit, in dem Beſtreben und in der Thaͤtigkeit lieget, womit man die Abſicht zu erreichen ſuchet? Jch will die Ab- leitung des Vergnuͤgens wirken laſſen, was ſie kann, und ihre Macht nicht verkennen, wo die Erfahrung ſie zeiget. *) *) Deutlichkeit in der vortreflichen Schrift: uͤber die Neigungen, erklaͤret, und auch ſchon derſelben Be- nennung ſich bedienet. Warum die Reihe der Vorſtel- lungen, von der vom Beſitz des Geldes an, bis zu der Jdee von deſſen Genuß, in der Phantaſie des Geizigen ſo zu ſagen abgeſchnitten, und die Seele bey der Vor- ſtellung von dem Gelde, als der letzten ſtehen bleibet, und Vergnuͤgen, Bedoͤrfniß und Begierde daran hef- tet, davon iſt auch ein naturlicher Grund in dem Ge- ſetz der Reproduktion, „daß, wenn viele Jdeenreihen „Eine Vorſtellung, als einen gemeinſchaftlichen Punkt „haben, auf welchen die Seele bey der Reproduktion „kommen muß, wenn ſie zu jenen dahinter liegenden „Reihen hin will, ſie gemeiniglich bey jenem Punkt, „als bey einem Endpunkt ſtehen bleibet.‟ Denn eben weil viele verſchiedene Reihen faſt gleich ſtark an dieſer gemeinſchaftlichen Vorſtellung anliegen, ſo kann ſie ſol- che nicht alle zugleich erwecken, und wird daher aufge- halten, und ſteht ſtill. Es muß eine oder die andere von den nachfolgenden aſſociirten Reihen vorzuͤglich leb- haft ſeyn, wenn die Einbildungskraft ihr weiter nach- gehen ſoll. So ein gemeinſchaftlicher Punkt mehrerer Reihen, iſt die Vorſtellung von dem Gelde in dem Kopf des Geizigen. Jch beziehe mich auf dieſelbige Garvi- ſche Schrift in Hinſicht der Frage, die hier gleich nach- folget. Es wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, auch die uͤbrigen mit jener zugleich herausgekommenen Abhandlungen, bey dieſer ganzen Betrachtung als nuͤtzlich und vortref- lich zu empfehlen.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/290>, abgerufen am 23.11.2024.