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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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II. Versuch. Ueber das Gefühl,
absolute Veränderung vorgehe, die gefühlet wird.
Was es aber in diesem |oder in jenem Fall insbesondere
für eine sey, darüber können wir uns nochmals von ein-
ander trennen, und dann muß die Beobachtung ent-
scheiden, wer sie richtig gefunden habe. Hier aber ge-
he ich mit den gedachten Philosophen noch auf Einem
Gleise.

3.

Von der dritten und vierten Klasse der Empfindun-
gen, so wie sie am Ende der vorhergehenden Abtheilung
(III. 4.) gesetzet sind, nemlich von den Empfindnis-
sen
und von den interessirenden innern Empfindun-
gen habe ich dasselbige behauptet; es sey in ihnen etwas
absolutes und ein eigenes Gefühl dieses Absoluten. Die-
ser Theil des allgemeinen Beobachtungssatzes muß noch
weiter erläutert und bestätiget werden.

Bey dem Gefühl des Wahren und Falschen
scheinet solches am ersten aufzufallen. Eine Vorstel-
lung, die uns als eine wahre vorkommt, vereiniget sich,
wie ich schon erinnert habe, mit unserm sonstigen Ge-
dankensystem, reihet sich an andere festgesetzte Vorstel-
lungen leicht an, und fließet mit ihnen so zusammen, daß
aus ihnen zusammen ein größerer Aktus des Vorstellens,
und des Denkens entspringet. Dieß hat seine physische
Ursache in einer Beziehung der Vorstellung auf die Be-
schaffenheit des Vorstellungsvermögens, auf dessen ge-
genwärtigen Zustand, auf die Jdeenreihen, die vorhan-
den sind, und die hieraus entspringende Dispositionen,
andere Jdeen aufzunehmen, und ist in so weit eine Fol-
ge einer Beziehung; aber an sich ist es etwas Abso-
lutes,
nemlich eine Erweiterung des Jnbegrifs von
Vorstellungen, die nebeneinander von der Kraft der See-
le gefaßt werden. Es ist zugleich eine Ausdehnung der
Kraft selbst, und eine angenehme Empfindung. Und

diese

II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
abſolute Veraͤnderung vorgehe, die gefuͤhlet wird.
Was es aber in dieſem |oder in jenem Fall insbeſondere
fuͤr eine ſey, daruͤber koͤnnen wir uns nochmals von ein-
ander trennen, und dann muß die Beobachtung ent-
ſcheiden, wer ſie richtig gefunden habe. Hier aber ge-
he ich mit den gedachten Philoſophen noch auf Einem
Gleiſe.

3.

Von der dritten und vierten Klaſſe der Empfindun-
gen, ſo wie ſie am Ende der vorhergehenden Abtheilung
(III. 4.) geſetzet ſind, nemlich von den Empfindniſ-
ſen
und von den intereſſirenden innern Empfindun-
gen habe ich daſſelbige behauptet; es ſey in ihnen etwas
abſolutes und ein eigenes Gefuͤhl dieſes Abſoluten. Die-
ſer Theil des allgemeinen Beobachtungsſatzes muß noch
weiter erlaͤutert und beſtaͤtiget werden.

Bey dem Gefuͤhl des Wahren und Falſchen
ſcheinet ſolches am erſten aufzufallen. Eine Vorſtel-
lung, die uns als eine wahre vorkommt, vereiniget ſich,
wie ich ſchon erinnert habe, mit unſerm ſonſtigen Ge-
dankenſyſtem, reihet ſich an andere feſtgeſetzte Vorſtel-
lungen leicht an, und fließet mit ihnen ſo zuſammen, daß
aus ihnen zuſammen ein groͤßerer Aktus des Vorſtellens,
und des Denkens entſpringet. Dieß hat ſeine phyſiſche
Urſache in einer Beziehung der Vorſtellung auf die Be-
ſchaffenheit des Vorſtellungsvermoͤgens, auf deſſen ge-
genwaͤrtigen Zuſtand, auf die Jdeenreihen, die vorhan-
den ſind, und die hieraus entſpringende Dispoſitionen,
andere Jdeen aufzunehmen, und iſt in ſo weit eine Fol-
ge einer Beziehung; aber an ſich iſt es etwas Abſo-
lutes,
nemlich eine Erweiterung des Jnbegrifs von
Vorſtellungen, die nebeneinander von der Kraft der See-
le gefaßt werden. Es iſt zugleich eine Ausdehnung der
Kraft ſelbſt, und eine angenehme Empfindung. Und

dieſe
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[202/0262] II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl, abſolute Veraͤnderung vorgehe, die gefuͤhlet wird. Was es aber in dieſem |oder in jenem Fall insbeſondere fuͤr eine ſey, daruͤber koͤnnen wir uns nochmals von ein- ander trennen, und dann muß die Beobachtung ent- ſcheiden, wer ſie richtig gefunden habe. Hier aber ge- he ich mit den gedachten Philoſophen noch auf Einem Gleiſe. 3. Von der dritten und vierten Klaſſe der Empfindun- gen, ſo wie ſie am Ende der vorhergehenden Abtheilung (III. 4.) geſetzet ſind, nemlich von den Empfindniſ- ſen und von den intereſſirenden innern Empfindun- gen habe ich daſſelbige behauptet; es ſey in ihnen etwas abſolutes und ein eigenes Gefuͤhl dieſes Abſoluten. Die- ſer Theil des allgemeinen Beobachtungsſatzes muß noch weiter erlaͤutert und beſtaͤtiget werden. Bey dem Gefuͤhl des Wahren und Falſchen ſcheinet ſolches am erſten aufzufallen. Eine Vorſtel- lung, die uns als eine wahre vorkommt, vereiniget ſich, wie ich ſchon erinnert habe, mit unſerm ſonſtigen Ge- dankenſyſtem, reihet ſich an andere feſtgeſetzte Vorſtel- lungen leicht an, und fließet mit ihnen ſo zuſammen, daß aus ihnen zuſammen ein groͤßerer Aktus des Vorſtellens, und des Denkens entſpringet. Dieß hat ſeine phyſiſche Urſache in einer Beziehung der Vorſtellung auf die Be- ſchaffenheit des Vorſtellungsvermoͤgens, auf deſſen ge- genwaͤrtigen Zuſtand, auf die Jdeenreihen, die vorhan- den ſind, und die hieraus entſpringende Dispoſitionen, andere Jdeen aufzunehmen, und iſt in ſo weit eine Fol- ge einer Beziehung; aber an ſich iſt es etwas Abſo- lutes, nemlich eine Erweiterung des Jnbegrifs von Vorſtellungen, die nebeneinander von der Kraft der See- le gefaßt werden. Es iſt zugleich eine Ausdehnung der Kraft ſelbſt, und eine angenehme Empfindung. Und dieſe

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/262>, abgerufen am 21.11.2024.