entweder an Graden und Stufen oder an sonstigen Be- schaffenheiten von einer andern in einem andern Fall un- terschieden ist, und die als etwas Gegenwärtiges und Absolutes gefühlet wird, oder doch gefühlet werden kann. Sie ist es, wobey ich die Beziehung des Einen Objekts auf das andere nicht blos denke, sondern empfinde und gewahrnehme. Sie ist der empfundene Charakter der objektivischen Beziehung der Dinge. Jch muß z. B. die Augen in dem einen Fall weiter hindrehen, als in dem andern, und jede Drehung ist ein neuer Eindruck auf das Gefühl; oder ich muß sie auf eine andere Art wen- den; und dann entstehen neue Eindrücke, indem die vor- hergehenden aufhören.
Diese Veränderungen gehen denn eigentlich in uns selbst vor, in den Empfindungen und in den Vorstel- lungen von den Dingen, also in den ideellen Objek- ten: Sie mögen sich nun auf die Gegenstände außer uns beziehen oder nicht; aus dem Objektivischen ent- springen, und aus dem letztern in die ideellen Objekte hinübergebracht werden, oder nicht. Vielleicht sind sol- che innere Modifikationen in dem Aktus des Empfindens und des Vorstellens von den wirklichen Objekten unab- hängig; vielleicht haben sie nur, in den Vorstellungen und in der Wirkungsart unserer vorstellenden Kraft, in ihrer Art die Jdeen zu fassen, und sich von der einen auf die andere hinzuwenden, einen subjektivischen Grund. Wie es auch seyn mag, so schreiben wir sie den Gegen- ständen zu, und sehen die Empfindung des Uebergangs als eine Wirkung an, die von dem Objektivischen in den Gegenständen verursachet wird. Jch sehe, so reden wir, daß das Buch und das Stückpapier dichte bey einander liegen. Diese Empfindung wird für eine äußere Em- pfindung gehalten, wie die Empfindung des Buchs und des Papiers einzeln genommen äußere Empfindungen find. Jn einem gewissen Verstande ist sie es auch.
Denn
II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
entweder an Graden und Stufen oder an ſonſtigen Be- ſchaffenheiten von einer andern in einem andern Fall un- terſchieden iſt, und die als etwas Gegenwaͤrtiges und Abſolutes gefuͤhlet wird, oder doch gefuͤhlet werden kann. Sie iſt es, wobey ich die Beziehung des Einen Objekts auf das andere nicht blos denke, ſondern empfinde und gewahrnehme. Sie iſt der empfundene Charakter der objektiviſchen Beziehung der Dinge. Jch muß z. B. die Augen in dem einen Fall weiter hindrehen, als in dem andern, und jede Drehung iſt ein neuer Eindruck auf das Gefuͤhl; oder ich muß ſie auf eine andere Art wen- den; und dann entſtehen neue Eindruͤcke, indem die vor- hergehenden aufhoͤren.
Dieſe Veraͤnderungen gehen denn eigentlich in uns ſelbſt vor, in den Empfindungen und in den Vorſtel- lungen von den Dingen, alſo in den ideellen Objek- ten: Sie moͤgen ſich nun auf die Gegenſtaͤnde außer uns beziehen oder nicht; aus dem Objektiviſchen ent- ſpringen, und aus dem letztern in die ideellen Objekte hinuͤbergebracht werden, oder nicht. Vielleicht ſind ſol- che innere Modifikationen in dem Aktus des Empfindens und des Vorſtellens von den wirklichen Objekten unab- haͤngig; vielleicht haben ſie nur, in den Vorſtellungen und in der Wirkungsart unſerer vorſtellenden Kraft, in ihrer Art die Jdeen zu faſſen, und ſich von der einen auf die andere hinzuwenden, einen ſubjektiviſchen Grund. Wie es auch ſeyn mag, ſo ſchreiben wir ſie den Gegen- ſtaͤnden zu, und ſehen die Empfindung des Uebergangs als eine Wirkung an, die von dem Objektiviſchen in den Gegenſtaͤnden verurſachet wird. Jch ſehe, ſo reden wir, daß das Buch und das Stuͤckpapier dichte bey einander liegen. Dieſe Empfindung wird fuͤr eine aͤußere Em- pfindung gehalten, wie die Empfindung des Buchs und des Papiers einzeln genommen aͤußere Empfindungen find. Jn einem gewiſſen Verſtande iſt ſie es auch.
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II. Verſuch. Ueber das Gefuͤhl,
entweder an Graden und Stufen oder an ſonſtigen Be-
ſchaffenheiten von einer andern in einem andern Fall un-
terſchieden iſt, und die als etwas Gegenwaͤrtiges und
Abſolutes gefuͤhlet wird, oder doch gefuͤhlet werden kann.
Sie iſt es, wobey ich die Beziehung des Einen Objekts
auf das andere nicht blos denke, ſondern empfinde und
gewahrnehme. Sie iſt der empfundene Charakter der
objektiviſchen Beziehung der Dinge. Jch muß z. B.
die Augen in dem einen Fall weiter hindrehen, als in
dem andern, und jede Drehung iſt ein neuer Eindruck auf
das Gefuͤhl; oder ich muß ſie auf eine andere Art wen-
den; und dann entſtehen neue Eindruͤcke, indem die vor-
hergehenden aufhoͤren.
Dieſe Veraͤnderungen gehen denn eigentlich in uns
ſelbſt vor, in den Empfindungen und in den Vorſtel-
lungen von den Dingen, alſo in den ideellen Objek-
ten: Sie moͤgen ſich nun auf die Gegenſtaͤnde außer
uns beziehen oder nicht; aus dem Objektiviſchen ent-
ſpringen, und aus dem letztern in die ideellen Objekte
hinuͤbergebracht werden, oder nicht. Vielleicht ſind ſol-
che innere Modifikationen in dem Aktus des Empfindens
und des Vorſtellens von den wirklichen Objekten unab-
haͤngig; vielleicht haben ſie nur, in den Vorſtellungen
und in der Wirkungsart unſerer vorſtellenden Kraft, in
ihrer Art die Jdeen zu faſſen, und ſich von der einen auf
die andere hinzuwenden, einen ſubjektiviſchen Grund.
Wie es auch ſeyn mag, ſo ſchreiben wir ſie den Gegen-
ſtaͤnden zu, und ſehen die Empfindung des Uebergangs
als eine Wirkung an, die von dem Objektiviſchen in den
Gegenſtaͤnden verurſachet wird. Jch ſehe, ſo reden wir,
daß das Buch und das Stuͤckpapier dichte bey einander
liegen. Dieſe Empfindung wird fuͤr eine aͤußere Em-
pfindung gehalten, wie die Empfindung des Buchs und
des Papiers einzeln genommen aͤußere Empfindungen
find. Jn einem gewiſſen Verſtande iſt ſie es auch.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/260>, abgerufen am 21.11.2024.
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