ben wird. Da ist also wohl der erste völlig ausge- bildete Gedanke, der mit einer Empfindung von einem gesehenen Objekt verbunden ist, dieser: daß es eine äußere Sache sey, was man sehe. Wie ihm aber auch sey, so hindert nichts, die Wiedervorstellungen anfangs als Abbildungen und Zeichen der vorigen Empfindungen anzusehen, und die Frage zunächst zur Untersuchung zu bringen, was es für eine Beschaffenheit der Vorstellung sey, die es veranlasset, daß wir sie auf unsere Empfin- dungen beziehen, und diese in ihnen sehen, erkennen und beurtheilen? Wir sind uns auch der Vorstellungen selbst in uns bewußt, und können sie in uns gewahrnehmen; aber wenn wir sie gebrauchen, so sehen wir nicht sowohl auf sie selbst, als auf etwas anders, auf die Empfindun- gen nemlich, oder die vorhergegangenen Veränderun- gen, woraus sie in uns entstanden sind.
Es ist nicht schwer, von diesem Phänomen, oder, von dem natürlichen Hang, wie einige es nennen, die Vorstellungen für ihre Gegenstände zu nehmen, den Grund zu finden. Laßt uns die Beobachtungen fragen, und vorher die Wirkung selbst genauer ansehen, ehe wir ihre Ursache suchen.
Wenn eine abwesende Sache wieder vorgestellet wird; so können wir, wofern die wiedererweckte Einbildung nur einigermaßen lebhaft ist, gewahrnehmen, daß eine Tendenz, die völlige vorige Empfindung wieder zu erneuern, mit ihr verbunden sey. Es entstehet eine Anwandlung, eben das wieder zu leiden, wiederum so afficirt zu werden, so zu wollen, und thätig zu seyn, als wir es vorher in der Empfindung gewesen sind. Wir fangen wieder an, gegen abwesende Personen, die wir uns als gegenwärtig einbilden, so zu handeln, als wir vorher gethan haben, da wir sie sahen. Wir bewegen die Glieder des Körpers, wir schlagen mit den Händen, wir sprechen mit ihnen, wie vorher. Und wo dieß nicht
wirklich
I. Verſuch. Ueber die Natur
ben wird. Da iſt alſo wohl der erſte voͤllig ausge- bildete Gedanke, der mit einer Empfindung von einem geſehenen Objekt verbunden iſt, dieſer: daß es eine aͤußere Sache ſey, was man ſehe. Wie ihm aber auch ſey, ſo hindert nichts, die Wiedervorſtellungen anfangs als Abbildungen und Zeichen der vorigen Empfindungen anzuſehen, und die Frage zunaͤchſt zur Unterſuchung zu bringen, was es fuͤr eine Beſchaffenheit der Vorſtellung ſey, die es veranlaſſet, daß wir ſie auf unſere Empfin- dungen beziehen, und dieſe in ihnen ſehen, erkennen und beurtheilen? Wir ſind uns auch der Vorſtellungen ſelbſt in uns bewußt, und koͤnnen ſie in uns gewahrnehmen; aber wenn wir ſie gebrauchen, ſo ſehen wir nicht ſowohl auf ſie ſelbſt, als auf etwas anders, auf die Empfindun- gen nemlich, oder die vorhergegangenen Veraͤnderun- gen, woraus ſie in uns entſtanden ſind.
Es iſt nicht ſchwer, von dieſem Phaͤnomen, oder, von dem natuͤrlichen Hang, wie einige es nennen, die Vorſtellungen fuͤr ihre Gegenſtaͤnde zu nehmen, den Grund zu finden. Laßt uns die Beobachtungen fragen, und vorher die Wirkung ſelbſt genauer anſehen, ehe wir ihre Urſache ſuchen.
Wenn eine abweſende Sache wieder vorgeſtellet wird; ſo koͤnnen wir, wofern die wiedererweckte Einbildung nur einigermaßen lebhaft iſt, gewahrnehmen, daß eine Tendenz, die voͤllige vorige Empfindung wieder zu erneuern, mit ihr verbunden ſey. Es entſtehet eine Anwandlung, eben das wieder zu leiden, wiederum ſo afficirt zu werden, ſo zu wollen, und thaͤtig zu ſeyn, als wir es vorher in der Empfindung geweſen ſind. Wir fangen wieder an, gegen abweſende Perſonen, die wir uns als gegenwaͤrtig einbilden, ſo zu handeln, als wir vorher gethan haben, da wir ſie ſahen. Wir bewegen die Glieder des Koͤrpers, wir ſchlagen mit den Haͤnden, wir ſprechen mit ihnen, wie vorher. Und wo dieß nicht
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I. Verſuch. Ueber die Natur
ben wird. Da iſt alſo wohl der erſte voͤllig ausge-
bildete Gedanke, der mit einer Empfindung von einem
geſehenen Objekt verbunden iſt, dieſer: daß es eine aͤußere
Sache ſey, was man ſehe. Wie ihm aber auch ſey,
ſo hindert nichts, die Wiedervorſtellungen anfangs als
Abbildungen und Zeichen der vorigen Empfindungen
anzuſehen, und die Frage zunaͤchſt zur Unterſuchung zu
bringen, was es fuͤr eine Beſchaffenheit der Vorſtellung
ſey, die es veranlaſſet, daß wir ſie auf unſere Empfin-
dungen beziehen, und dieſe in ihnen ſehen, erkennen und
beurtheilen? Wir ſind uns auch der Vorſtellungen ſelbſt
in uns bewußt, und koͤnnen ſie in uns gewahrnehmen;
aber wenn wir ſie gebrauchen, ſo ſehen wir nicht ſowohl
auf ſie ſelbſt, als auf etwas anders, auf die Empfindun-
gen nemlich, oder die vorhergegangenen Veraͤnderun-
gen, woraus ſie in uns entſtanden ſind.
Es iſt nicht ſchwer, von dieſem Phaͤnomen, oder,
von dem natuͤrlichen Hang, wie einige es nennen, die
Vorſtellungen fuͤr ihre Gegenſtaͤnde zu nehmen, den
Grund zu finden. Laßt uns die Beobachtungen fragen,
und vorher die Wirkung ſelbſt genauer anſehen, ehe wir
ihre Urſache ſuchen.
Wenn eine abweſende Sache wieder vorgeſtellet wird;
ſo koͤnnen wir, wofern die wiedererweckte Einbildung nur
einigermaßen lebhaft iſt, gewahrnehmen, daß eine
Tendenz, die voͤllige vorige Empfindung wieder zu
erneuern, mit ihr verbunden ſey. Es entſtehet eine
Anwandlung, eben das wieder zu leiden, wiederum
ſo afficirt zu werden, ſo zu wollen, und thaͤtig zu ſeyn,
als wir es vorher in der Empfindung geweſen ſind. Wir
fangen wieder an, gegen abweſende Perſonen, die wir
uns als gegenwaͤrtig einbilden, ſo zu handeln, als wir
vorher gethan haben, da wir ſie ſahen. Wir bewegen
die Glieder des Koͤrpers, wir ſchlagen mit den Haͤnden,
wir ſprechen mit ihnen, wie vorher. Und wo dieß nicht
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/138>, abgerufen am 22.11.2024.
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