Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Dagegen konnte der besorgliche Sachtervanst nichts einwenden; es war zwar ein Anstoß in seiner Rechnung, doch mußte er ihn übersehen, und so willigte er in die Trennung. Wir lassen die beiden Schlittschuhfahrer in das Menschengewühl bei den Zelten laufen und begleiten den Buchhalter nach Piet's Eiland. Die unerwartete Trennung und Bertold's wahrscheinlich absichtliches Vorlaufen durchkreuzten Baldus' Pläne; er war gewohnt, in Geschäften langsam, Schritt vor Schritt, mit vorher wohl durchdachter Sicherheit zu gehen; doch hier lief Alles in stürmischer Eile wirr durch einander. Bevor überlegt werden konnte, ob es auch rathsam, daß Bertold bei diesen kritischen Zuständen sich in die zahlreiche Gesellschaft begebe, war der Jüngling dahin geflogen, und Baldus wurde so rasch fortgeschoben, daß ihm keine Zeit blieb, seinen Sinn ordentlich, wie es einem bedachtsamen holländischen Geschäftsmanne ziemt, vorzurichten -- denn sein Schlitten hielt schon vor Piet's Hütte. Piet und die Mutter Lora, beide im Sonntagsstaat, empfingen den ehrenden Besuch unter vielen umständlichen Achtungsbezeugungen, welche der Buchhalter mit unterdrücktem Unmuth über die Zeitverschwendung annehmen mußte. In Lora's Zimmer stand der Tisch bereits gedeckt, und nicht eher durfte der durch und durch gefrorene alte Herr ans Geschäft denken, bis er der Sitte gegen seine gastfreien Wirthe Genüge geleistet Dagegen konnte der besorgliche Sachtervanst nichts einwenden; es war zwar ein Anstoß in seiner Rechnung, doch mußte er ihn übersehen, und so willigte er in die Trennung. Wir lassen die beiden Schlittschuhfahrer in das Menschengewühl bei den Zelten laufen und begleiten den Buchhalter nach Piet's Eiland. Die unerwartete Trennung und Bertold's wahrscheinlich absichtliches Vorlaufen durchkreuzten Baldus' Pläne; er war gewohnt, in Geschäften langsam, Schritt vor Schritt, mit vorher wohl durchdachter Sicherheit zu gehen; doch hier lief Alles in stürmischer Eile wirr durch einander. Bevor überlegt werden konnte, ob es auch rathsam, daß Bertold bei diesen kritischen Zuständen sich in die zahlreiche Gesellschaft begebe, war der Jüngling dahin geflogen, und Baldus wurde so rasch fortgeschoben, daß ihm keine Zeit blieb, seinen Sinn ordentlich, wie es einem bedachtsamen holländischen Geschäftsmanne ziemt, vorzurichten — denn sein Schlitten hielt schon vor Piet's Hütte. Piet und die Mutter Lora, beide im Sonntagsstaat, empfingen den ehrenden Besuch unter vielen umständlichen Achtungsbezeugungen, welche der Buchhalter mit unterdrücktem Unmuth über die Zeitverschwendung annehmen mußte. In Lora's Zimmer stand der Tisch bereits gedeckt, und nicht eher durfte der durch und durch gefrorene alte Herr ans Geschäft denken, bis er der Sitte gegen seine gastfreien Wirthe Genüge geleistet <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <pb facs="#f0097"/> <p>Dagegen konnte der besorgliche Sachtervanst nichts einwenden; es war zwar ein Anstoß in seiner Rechnung, doch mußte er ihn übersehen, und so willigte er in die Trennung.</p><lb/> <p>Wir lassen die beiden Schlittschuhfahrer in das Menschengewühl bei den Zelten laufen und begleiten den Buchhalter nach Piet's Eiland.</p><lb/> <p>Die unerwartete Trennung und Bertold's wahrscheinlich absichtliches Vorlaufen durchkreuzten Baldus' Pläne; er war gewohnt, in Geschäften langsam, Schritt vor Schritt, mit vorher wohl durchdachter Sicherheit zu gehen; doch hier lief Alles in stürmischer Eile wirr durch einander. Bevor überlegt werden konnte, ob es auch rathsam, daß Bertold bei diesen kritischen Zuständen sich in die zahlreiche Gesellschaft begebe, war der Jüngling dahin geflogen, und Baldus wurde so rasch fortgeschoben, daß ihm keine Zeit blieb, seinen Sinn ordentlich, wie es einem bedachtsamen holländischen Geschäftsmanne ziemt, vorzurichten — denn sein Schlitten hielt schon vor Piet's Hütte.</p><lb/> <p>Piet und die Mutter Lora, beide im Sonntagsstaat, empfingen den ehrenden Besuch unter vielen umständlichen Achtungsbezeugungen, welche der Buchhalter mit unterdrücktem Unmuth über die Zeitverschwendung annehmen mußte. In Lora's Zimmer stand der Tisch bereits gedeckt, und nicht eher durfte der durch und durch gefrorene alte Herr ans Geschäft denken, bis er der Sitte gegen seine gastfreien Wirthe Genüge geleistet<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
Dagegen konnte der besorgliche Sachtervanst nichts einwenden; es war zwar ein Anstoß in seiner Rechnung, doch mußte er ihn übersehen, und so willigte er in die Trennung.
Wir lassen die beiden Schlittschuhfahrer in das Menschengewühl bei den Zelten laufen und begleiten den Buchhalter nach Piet's Eiland.
Die unerwartete Trennung und Bertold's wahrscheinlich absichtliches Vorlaufen durchkreuzten Baldus' Pläne; er war gewohnt, in Geschäften langsam, Schritt vor Schritt, mit vorher wohl durchdachter Sicherheit zu gehen; doch hier lief Alles in stürmischer Eile wirr durch einander. Bevor überlegt werden konnte, ob es auch rathsam, daß Bertold bei diesen kritischen Zuständen sich in die zahlreiche Gesellschaft begebe, war der Jüngling dahin geflogen, und Baldus wurde so rasch fortgeschoben, daß ihm keine Zeit blieb, seinen Sinn ordentlich, wie es einem bedachtsamen holländischen Geschäftsmanne ziemt, vorzurichten — denn sein Schlitten hielt schon vor Piet's Hütte.
Piet und die Mutter Lora, beide im Sonntagsstaat, empfingen den ehrenden Besuch unter vielen umständlichen Achtungsbezeugungen, welche der Buchhalter mit unterdrücktem Unmuth über die Zeitverschwendung annehmen mußte. In Lora's Zimmer stand der Tisch bereits gedeckt, und nicht eher durfte der durch und durch gefrorene alte Herr ans Geschäft denken, bis er der Sitte gegen seine gastfreien Wirthe Genüge geleistet
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/97>, abgerufen am 22.07.2024. |