Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.für diesen charakterfesten jungen Rechthaber nicht unterdrücken. Mynheer, meine Liebe zu Ihrer unehrlich getauften Pflegetochter hat mich gelehrt, was Vorurtheil ist. Der große Kaiser Peter, dessen Hütte drüben in Saardam gezeigt wird, führte hier die Zimmermannsart und in Moskau mit gleich kräftiger Faust das Henkerbeil, ohne sich zu entehren. Die Muselmänner halten das Nachrichteramt für eine Ehre, um die sie sich bewerben; -- ich bin aus treuer Liebe ein Freiknecht geworden und glaube, es wird mir keine Schande machen, wenn ich dem dummen Vorurtheil und allen Vätern zum Trotz mir mein Mädchen mit dem Beil vom Schaffot hole, wenn ich es auf andere Weise nicht erlangen kann. Halten Sie den Weg dahin für so leicht? fragte bedeutsam der mächtige Kaufherr. Ich weiß, was Mynheer sagen will; aber ich fürchte Ihre Macht nicht. Sie haben kein Recht, mich zu hindern; denn Sie sind ja nicht der rechte Vater meiner Linda. Sie ist mir so lieb, wie meine Tochter. Nein, Mynheer, das kann ich auch nicht glauben, widersprach der kühne Jüngling immer in bescheidenem Tone; oh, wenn sie meine Galinda, die so treu und schön wie ein Engelsbild ist, wie Ihre Tochter liebten, dann hätten Sie Ihr Kind wenigstens einmal im Leben sehen wollen; aber Mynheer kennen ja das Mädchen gar nicht. für diesen charakterfesten jungen Rechthaber nicht unterdrücken. Mynheer, meine Liebe zu Ihrer unehrlich getauften Pflegetochter hat mich gelehrt, was Vorurtheil ist. Der große Kaiser Peter, dessen Hütte drüben in Saardam gezeigt wird, führte hier die Zimmermannsart und in Moskau mit gleich kräftiger Faust das Henkerbeil, ohne sich zu entehren. Die Muselmänner halten das Nachrichteramt für eine Ehre, um die sie sich bewerben; — ich bin aus treuer Liebe ein Freiknecht geworden und glaube, es wird mir keine Schande machen, wenn ich dem dummen Vorurtheil und allen Vätern zum Trotz mir mein Mädchen mit dem Beil vom Schaffot hole, wenn ich es auf andere Weise nicht erlangen kann. Halten Sie den Weg dahin für so leicht? fragte bedeutsam der mächtige Kaufherr. Ich weiß, was Mynheer sagen will; aber ich fürchte Ihre Macht nicht. Sie haben kein Recht, mich zu hindern; denn Sie sind ja nicht der rechte Vater meiner Linda. Sie ist mir so lieb, wie meine Tochter. Nein, Mynheer, das kann ich auch nicht glauben, widersprach der kühne Jüngling immer in bescheidenem Tone; oh, wenn sie meine Galinda, die so treu und schön wie ein Engelsbild ist, wie Ihre Tochter liebten, dann hätten Sie Ihr Kind wenigstens einmal im Leben sehen wollen; aber Mynheer kennen ja das Mädchen gar nicht. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0089"/> für diesen charakterfesten jungen Rechthaber nicht unterdrücken.</p><lb/> <p>Mynheer, meine Liebe zu Ihrer unehrlich getauften Pflegetochter hat mich gelehrt, was Vorurtheil ist. Der große Kaiser Peter, dessen Hütte drüben in Saardam gezeigt wird, führte hier die Zimmermannsart und in Moskau mit gleich kräftiger Faust das Henkerbeil, ohne sich zu entehren. Die Muselmänner halten das Nachrichteramt für eine Ehre, um die sie sich bewerben; — ich bin aus treuer Liebe ein Freiknecht geworden und glaube, es wird mir keine Schande machen, wenn ich dem dummen Vorurtheil und allen Vätern zum Trotz mir mein Mädchen mit dem Beil vom Schaffot hole, wenn ich es auf andere Weise nicht erlangen kann.</p><lb/> <p>Halten Sie den Weg dahin für so leicht? fragte bedeutsam der mächtige Kaufherr.</p><lb/> <p>Ich weiß, was Mynheer sagen will; aber ich fürchte Ihre Macht nicht. Sie haben kein Recht, mich zu hindern; denn Sie sind ja nicht der rechte Vater meiner Linda.</p><lb/> <p>Sie ist mir so lieb, wie meine Tochter.</p><lb/> <p>Nein, Mynheer, das kann ich auch nicht glauben, widersprach der kühne Jüngling immer in bescheidenem Tone; oh, wenn sie meine Galinda, die so treu und schön wie ein Engelsbild ist, wie Ihre Tochter liebten, dann hätten Sie Ihr Kind wenigstens einmal im Leben sehen wollen; aber Mynheer kennen ja das Mädchen gar nicht.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0089]
für diesen charakterfesten jungen Rechthaber nicht unterdrücken.
Mynheer, meine Liebe zu Ihrer unehrlich getauften Pflegetochter hat mich gelehrt, was Vorurtheil ist. Der große Kaiser Peter, dessen Hütte drüben in Saardam gezeigt wird, führte hier die Zimmermannsart und in Moskau mit gleich kräftiger Faust das Henkerbeil, ohne sich zu entehren. Die Muselmänner halten das Nachrichteramt für eine Ehre, um die sie sich bewerben; — ich bin aus treuer Liebe ein Freiknecht geworden und glaube, es wird mir keine Schande machen, wenn ich dem dummen Vorurtheil und allen Vätern zum Trotz mir mein Mädchen mit dem Beil vom Schaffot hole, wenn ich es auf andere Weise nicht erlangen kann.
Halten Sie den Weg dahin für so leicht? fragte bedeutsam der mächtige Kaufherr.
Ich weiß, was Mynheer sagen will; aber ich fürchte Ihre Macht nicht. Sie haben kein Recht, mich zu hindern; denn Sie sind ja nicht der rechte Vater meiner Linda.
Sie ist mir so lieb, wie meine Tochter.
Nein, Mynheer, das kann ich auch nicht glauben, widersprach der kühne Jüngling immer in bescheidenem Tone; oh, wenn sie meine Galinda, die so treu und schön wie ein Engelsbild ist, wie Ihre Tochter liebten, dann hätten Sie Ihr Kind wenigstens einmal im Leben sehen wollen; aber Mynheer kennen ja das Mädchen gar nicht.
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Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/89>, abgerufen am 22.07.2024. |